Diskussion um Gesetzesreform
Lieber schönere Friedhöfe statt der Urne im Wohnzimmer?
Friedhöfe - wie hier der Hauptfriedhof in Mainz - sind Orte der Trauer, aber auch Orte der Kultur und der Gemeinschaft. Das neue Bestattungsrecht für Rheinland-Pfalz soll voraussichtlich eine Reihe neuer Bestattungsarten erlauben, auch abseits der Friedhöfe. Daran regt sich Kritik.
Fredrik von Erichsen. picture alliance / dpa

Der Tod ist für viele nach wie vor ein Tabu. Die Reform des Bestattungsrechts aber beschäftigt die Menschen, denn es geht dabei um Ethik, Werte, Traditionen und nicht zuletzt die Frage, welche individuellen Wünsche wir und die Verstorbenen haben.

Das neue Bestattungsrecht für Rheinland-Pfalz ist wieder ein Stück näher gerückt, nachdem der Ministerrat am Dienstag die Gesetzesnovelle im zweiten Durchgang gebilligt hat. Es soll voraussichtlich eine Reihe neuer Bestattungsarten erlauben. Neben den christlichen Kirchen stellen auch Friedhofsgärtner, Steinmetze und Bestatter tiefgreifende Fragen bezüglich dieser Pläne der Landesregierung. Verschwindet die Jahrhunderte alte Friedhofskultur, wenn jeder die Asche eines Verstorbenen zu Hause aufbewahren darf?

Wie können Friedhöfe einladender gestaltet werden, etwa als Grün- und Erholungsflächen in Städten, als Orte der generationenverbindenden Begegnung, ja zum Wohlfühlen? Mit Schatten spendenden Bäumen, Ruhebänken, vielleicht sogar einem Kinderspielplatz – am Krematorium auf den Rheinhöhen bei Dachsenhausen gibt es so etwas bereits. Stefan Schlosser, Innungsobermeister der Steinmetzinnung Mittelrhein-Westerwald und Vorstandsmitglied der Landesinnung, macht sich solche Gedanken. Das Image von Friedhöfen verbessern, weg von uniformen Grabreihen und Wegesystemen im Karree.

Die Friedhofskultur muss sich verändern

Die große Nachfrage nach Baum- und Wiesengräbern, nach Bestattungen im Blumen- und sogar im Kräuterbeet zeigen ja, dass Alternativen zum traditionellen Kirchhof gefragt sind. Die Friedhofskultur muss sich ändern, öffnen und den Bedürfnissen der Menschen anpassen, sagt der Steinmetz aus Holzappel im Rhein-Lahn-Kreis. Dies wäre seiner Meinung nach der richtige Weg.

Die Friedhofskultur muss sich ändern, öffnen und den Bedürfnissen der Menschen anpassen, sagt Stefan Schlosser, Innungsobermeister der Steinmetzinnung Mittelrhein-Westerwald und Vorstandsmitglied der Landesinnung.
Lilly Schlosser/privat

„Die Reform des Bestattungsrechts in Rheinland-Pfalz aber führt in die andere, in die falsche Richtung“, sagt der Innungsobermeister. Statt Orte des Miteinanders zu schaffen, wolle man zulassen, dass Trauer und Erinnerung privatisiert werden. Statt Offenheit könne dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass Familie oder Freunde den Verstorbenen nicht mehr besuchen können. Und man gefährde den Fortbestand der Friedhöfe.

Auf das Kunsthandwerk besinnen

Landesinnungsmeister Sebastian Holz aus Kordel bei Trier sieht das ähnlich. Die Grabmaltradition gehe zurück bis zur Zeit von Christus, sei tief in der Gesellschaft verankert. Liberalisierungen haben in den vergangenen Jahren ja schon zu einem Umdenken geführt: Heute gibt es mehr Einäscherungen und Urnen- als Sargbestattungen. Die Steinmetze haben dadurch schon Umsatzeinbußen erlitten, noch gebe es aber genug zu tun, auch wenn Urnengräber in der Regel kleiner sind.

Allerdings plädiert Sebastian Holz dafür, dass seine Branche sich wieder stärker auf ihr kunsthandwerkliches Können besinnt. Statt Grabsteine im Dutzend aus dem Katalog, sollte die individuelle Gestaltung des Steins im Mittelpunkt stehen – zusammen mit Verwandten und Freunden des Verstorbenen entworfen. Auch dies sei ein Stück Trauerbegleitung, wenn Emotionen und Wünsche der Menschen in Kunst umgesetzt werden.

Auswirkungen auf Handwerksbetriebe

Würde das Bestattungsgesetz in der jetzt geplanten Form kommen, könnte es nach Ansicht der Innungen weitere Probleme für Betriebe im Steinmetzhandwerk geben, denn viele Inhaber haben sich in den vergangenen Jahrzehnten ganz auf die kulturelle Arbeit auf dem Friedhof spezialisiert. Jetzt schon ist die Zahl der Beschäftigten um gut die Hälfte zurückgegangen, Nachfolger zu finden werde schwieriger. Der Landesinnungsverband hat sich in einem Schreiben an das zuständige Ministerium bereits zu den Auswirkungen auf das Handwerk geäußert.

Die beiden Sprecher der Steinmetz-Verbände plädieren dafür, dass die Gesetzesreform Leitplanken einzieht. Es könne auch gesellschaftspolitisch nicht sein, dass jeder in einem Todesfall zukünftig machen kann, was er will. „Wenn es der Wunsch des Verstorbenen war, dass seine Asche in einem Privatgarten bestattet oder in einem Fluss verstreut wird, dann ist es ganz klar, dass man dem folgt“, erklären Schlosser und Holz ihren Kompromissvorschlag. Wenn aber diesbezüglich nichts geregelt ist, dann sollte ihres Erachtens weiterhin die Friedhofspflicht gelten.

Urne zuhause? Skepsis bei Bestattern

Eine Reform des Bestattungsrechtes, wie sie von der Landesregierung vorbereitet wird, stößt beim Lahnsteiner Bestattungsinstitut Weiland auf Skepsis. „Ich finde das nicht gut, wenn die Urne oder die Asche eines Verstorbenen mit nach Hause genommen werden darf“, sagt Tanja Weiland. Im privaten Bereich könne es womöglich schwierig werden, wenn Hinterbliebene oder Bekannte einen Besuch abstatten wollen. „Ich nenne nur ein Beispiel, das nicht aus der Luft gegriffen ist“, so Tanja Weiland. „Wenn der Sohn verstirbt, seine Frau und die Mutter können aber nicht miteinander, dann könnte es passieren, dass es der Mutter unmöglich gemacht wird, die Urne ihres Sohnes zu sehen. Das finde ich schrecklich.“

Bestatterin Tanja Weiland ist nichts fremd, wenn es um das Thema Tod und die damit verbundenen Wünsche der Menschen geht.
Michael Stoll

Die Schreinerei und das Bestattungshaus Weiland in Lahnstein wird von Tanja Weiland und ihrem Mann Stefan bereits in vierter Generation geführt. Der Familienbetrieb bietet von der Sargbestattung über die Urnenbeisetzung bis hin zur Unterstützung bei Behördengängen, Traueranzeigen und Trauerfeiern zahlreiche Hilfsdienste an.

Nicht zu vergessen: Auf Wunsch werden die Hinterbliebenen persönlich begleitet, man nimmt sie an die Hand, bietet Trauergespräche ebenso an wie den individuellen Abschied vom Verstorbenen. Insofern ist Tanja Weiland nichts fremd, wenn es um das Thema Tod und die damit verbundenen Wünsche der Menschen geht.

Schafft das Gesetz nur neue Probleme?

„Es gibt heute schon so viele Möglichkeiten der Bestattung, von Wiesengräbern über die anonyme Ruhestätte bis hin zum Waldfriedhof“, erklärt die Firmenchefin, „da braucht es nun wirklich kein Gesetz, das am Ende noch mehr Probleme schafft.“ Und sie nennt Beispiele: Auf dem Friedhof wird die Asche aus Urnen nach Ablauf der Liegezeit in dafür vorgesehenen Gräbern bestattet, Überreste verlassen den Friedhof also nicht. Was aber passiert im Privaten, wenn der Haus- oder Grundstücksbesitzer verstirbt oder die Immobilie verkauft wird? Landet die Urne dann auf dem Müll? Oder wenn die Asche im Garten verstreut wird, von einem Windstoß aber auf das Nachbargrundstück verweht wird, wo sie partout nicht hingehört? „Ich tue mich schwer damit“, sagt die Fachfrau.

Wirtschaftliche Auswirkungen einer veränderten Gesetzgebung für ihren Betrieb fürchtet Tanja Weiland indes nicht. Man habe sich auch in der Vergangenheit auf Neuerungen eingestellt: Einäscherungen und Urnen sind auf dem Vormarsch, auch weil Grabgebühren teurer geworden sind. Immense Rückgänge von Sargverkäufen registrieren Weilands aber nur bedingt; es gebe immer noch genügend Menschen, die diese traditionelle Form der Beerdigung wünschen. Und ja, wenn Beisetzungen und Trauerfeierlichkeiten im privaten Bereich möglich würden, dann könne man sich auch hier Dienstleistungen vorstellen.

Friedhofskultur darf nicht aussterben

Friedhöfe hält Tanja Weiland aber nach wie vor für wichtig, und zwar nicht nur aus kulturellen und Traditionsgründen. „Dort bilden sich Gemeinschaften von Hinterbliebenen, es sind Treffpunkte für den Austausch und Gespräche“, erzählt sie aus eigener Anschauung. Soziale Orte für viele Menschen also, die mit der Reform des Bestattungsrechtes womöglich gefährdet sind. „Diese Kultur darf nicht aussterben“, sagt Tanja Weiland. Anstatt aus finanziellen Gründen sogar Ruhebänke wegzuräumen, sollte man Friedhöfe besser und einladender machen.

Das meint auch Markus Kröber, dessen Friedhofsgärtnerei und Blumengeschäft in der Beatusstraße direkt gegenüber dem Koblenzer Hauptfriedhof liegt. Dass diese 36 Hektar große Anlage mit ihrem alten Baumbestand parkähnlich ist und so auch von Spaziergängern genutzt wird, sieht der Gärtnermeister und Agrarbetriebswirt nur positiv. Friedhöfe, sagt er, sollten nicht nur Orte der Trauer sein, sondern schöne Orte. Orte der Begegnung, Mittelpunkte für Dörfer und Stadtquartiere, grün, blühend und attraktiv gestaltet, durchaus auch mit Spielmöglichkeiten für Kinder.

Warum müssen Rudestätten abweisend sein?

Stattdessen seien immer noch zu viele Friedhöfe uniform, manchmal sogar abweisend, gar trostlos. Für die Kommunen sind sie erst einmal ein Kostenfaktor. Daher werden Hecken getrimmt, die Pflege muss möglichst einfach sein, Sparen ist angesagt. Und so sehen diese Orte dann auch oftmals aus: Nach dem Besuch am Grab gibt es wenig Anlass, hier noch länger zu verweilen. Damit aber Friedhöfe offener für mehr Publikum werden, sagt Markus Kröber, müsse man die veränderten Wünsche und Lebenswelten der Menschen stärker berücksichtigen. „Wir leben im Jahr 2025, die meisten Friedhofsordnungen aber stammen aus den 1960er-Jahren. Das muss man angehen.“

Positives Beispiel Memoriam-Gärten

Erneuerung, Liberalisierung, Veränderung der Friedhofskultur – beispielhaft nennt Kröber die sogenannten Memoriam-Gärten – schön gestaltete Gärten, die zugleich Teil eines Friedhofs sind. Individuelle Wünsche und Vorstellungen der Grabgestaltung werden hier ebenso berücksichtigt wie die harmonische Verbindung und Anlage der Grabstätten abseits der strengen Anordnung von Reihengräbern. Da hier die Dauergrabpflege durch Friedhofsgärtner übernommen wird, die die Kommunen damit entlasten, grünen und blühen Memoriam-Gärten das ganze Jahr über. Und auch das, so der Experte, sei ein Trend: „Die Leute wollen ein Gesamtpaket. Und das muss von den Kosten her übersichtlich sein.“

Damit Friedhöfe offener für mehr Publikum werden, sagt Gärtner Markus Kröber, müsse man die veränderten Wünsche und Lebenswelten der Menschen stärker berücksichtigen.
Michael Stoll

Die von der Landesregierung geplante Reform des Bestattungsrechtes hingegen setze sich mit diesen Fragen gar nicht auseinander, sondern werde die Probleme im schlimmsten Fall noch verschärfen. „Dass der Wunsch da ist, die Asche eines Verstorbenen nah bei sich haben zu wollen, kann ich verstehen“, meint Markus Kröber. „Es ist aber auch egoistisch, denn Freunde und Verwandte haben zum Beispiel bei Familienstreitigkeiten womöglich keine Chance mehr, einen Ort der Erinnerung aufzusuchen, was am Ende die Gerichte beschäftigen könnte. Und wohin wandert nach Jahren die Asche? Wurde das bei der Reform überhaupt überlegt?“

Menschen brauchen einen Ort für ihre Trauer

Friedhöfe hingegen bieten jedem freien Zugang. „Die Leute brauchen einen Ort für ihre Trauer und die Erinnerungen“, so Kröber. Aus seiner Beobachtung heraus ist das auch ein Grund, warum anonyme Bestattungen längst wieder rückläufig sind: Wer auf anonymen Grabfeldern verstorbene Bekannte, Freunde oder Verwandte sucht, wird nicht fündig. Man braucht aber einen Anlaufpunkt, die Gedanken brauchen einen Halt.

Dass ein neues Bestattungsrecht in der jetzt vorgelegten Form auch der eigenen Branche schaden könnte, lässt Markus Kröber nicht unerwähnt. Rückläufig sei das Geschäft heute schon allein wegen der Urnengräber oder der Sammelgräber für Urnen. Wenn Urnen nun privat untergebracht werden dürfen, könnte dies für Friedhofsgärtner zu weiteren Problemen führen. Das bleibe abzuwarten. Wichtiger aber sind dem Koblenzer die absehbaren Auswirkungen der Reform auf die Totenruhe, die Würde des Verstorbenen, die Wünsche aller Hinterbliebenen. Und da sieht er eine problematische Entwicklung.

Nachdem der Ministerrat die Gesetzesnovelle gebilligt hat, könnte die geplante Reform in einem nächsten Schritt in das Landesparlament in Mainz kommen. Vor einer Verabschiedung aber dürfte das Vorhaben noch mehrere Landtagsausschüsse beschäftigen.

Trauerexperten warnen vor Aufhebung der Friedhofspflicht

Die Pläne zur Abschaffung der Friedhofspflicht für Totenasche stoßen auf deutliche Kritik. Es drohe ein Tabubruch durch die „Privatisierung des Umgangs mit Verstorbenen“, warnten der Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur, Dirk Pörschmann, und der Sprecher der Initiative „Raum für Trauer“, Günter Czasny. Wenn es Hinterbliebenen erlaubt werde, die Asche zu Hause zu verwahren oder in der Natur zu verstreuen, würden anderen die Möglichkeit verlieren, Abschied zu nehmen. Auch bei Familienstreitigkeiten dürfe Menschen nicht die Chance genommen werden, „an einem frei zugänglichen, markierten Beisetzungsort ihre individuelle Trauer zu verarbeiten“. Dies mache die besondere Bedeutung von Friedhöfen als frei zugängliche Orte der sozialen Infrastruktur aus. „Ihre positive Wirkung auf das gesellschaftliche Miteinander wird oft unterschätzt“, erklärte Czasny. „Dieses wertvolle Potenzial sollten wir nicht leichtfertig aufgeben, sondern unsere Friedhöfe entsprechend gestalten.“ epd

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten