Experte Peters erklärt, wann eine Regierung Rechte eines U-Ausschuss verletzt und eine Fraktion wegen verspäteter Vorlagen klagen kann
Landen Flutakten vor Verfassungsgerichtshof? Experte erklärt, wann eine Regierung Rechte eines U-Ausschuss verletzt
Ein Standbild aus einem der Hubschraubervideos aus der Flutnacht: Die Bilder konnte die Besetzung des Helikopters zwar nicht live übertragen, sie informierte aber das Lagezentrum des Innenministeriums mehrfach darüber, welche Katastrophe im Ahrtal geschieht.
picture alliance/dpa/Polizei Rhe

Rheinland-Pfalz/Dresden. Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe unterscheidet sich von früheren U-Ausschüssen vor allem dadurch, dass es um die zentrale Frage geht, ob der qualvolle Tod von mehr als 130 Menschen zu verhindern gewesen wäre. Aber er ist inzwischen auch von der Eigentümlichkeit geprägt, dass die Regierung angeforderte Unterlagen immer wieder zu spät vorlegt. Vergangene Woche kamen 122 Videos und 21 Dateien mit Geodaten acht Monate zu spät an.

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Erst im September waren überraschend – und neun Monate zu spät – ein Einsatzbericht und Videos von Polizeihubschraubern aus der Flutnacht aufgetaucht. Verletzt also die Landesregierung verfassungswidrig Rechte des Parlaments – auch noch mit Wiederholungsgefahr?

Organtreuepflicht lässt sich prüfen

Wir sprachen mit dem anerkannten Experten Butz Peters (Dresden) über die Aktenvorlagepflicht der Exekutive. Er hat bereits in zweiter Auflage sein Buch zum „Untersuchungsausschussrecht in Bund und Ländern“ veröffentlicht. Der Jurist kann zwar die rheinland-pfälzischen Vorgänge nicht per Ferndiagnose beurteilen, stellt aber generell klar: Legt eine Regierung dem Landtag tatsächlich Akten zu spät vor, kann eine Fraktion „in einem Organstreit vor dem Verfassungsgerichtshof (VGH) feststellen lassen, dass die Landesregierung gegen ihre Organtreuepflicht verstoßen hat. Denn die Exekutive muss alle nur verfügbaren Akten und Daten, die zur Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes dienen könnten, einem U-Ausschuss vorlegen“.

Dabei betont Peters auch, dass Forderungen, ungeschwärzte Informationen herauszugeben „in einem Untersuchungsausschuss noch weiter gehen als in einem Strafverfahren“. Davon gebe es nur wenige Ausnahmen, etwa wenn beim Einblick in Akten oder Dateien polizeiliche Ermittlungen auf dem Spiel stehen könnten. Aber ansonsten müsse die Exekutive jeden sächlichen Beweis liefern, der einen Vorgang aufhellen könnte. „Da gibt es kein Entrinnen“, sagt der Dresdner Rechtsanwalt, der einigen Fernsehzuschauern vielleicht noch als Moderator der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ (1997 bis 2001) bekannt ist.

Dem Juristen ist auch das ständige Spannungsfeld zwischen Regierung und Untersuchungsausschuss nur zu gut bekannt. Es sei ein Dauerthema, dass Behörden erklärten, sie könnten wegen Personalmangels die angeforderte Menge von Akten und Dateien nicht in der gesetzten Frist liefern. Es müssten zudem Kopierer geleast werden. „Das ist ein ewiges Gezerre“, sagt Peters aus Erfahrung von mehreren Ausschüssen in Deutschland.

Fehler eingeräumt

Aber wegen der enormen Datenmengen rund um die Flutkatastrophe hatte der Mainzer U-Ausschuss zu Beginn der Landesregierung ja auch zugestanden, Material nicht auf einen Schlag liefern zu müssen. Aber mit den inzwischen eingetretenen Verspätungen, die im Oktober auch den Rücktritt von Innenminister Roger Lewentz (SPD) mit auslösten, haben die Abgeordneten wohl nicht gerechnet. Zudem haben die Polizeipräsidien und die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) Versäumnisse „zutiefst“ bedauert, ihre Fehler aber nicht mit Zeit- und Personalmangel erklärt. Hinzu kommt: Der neue Innenminister Michael Ebling (SPD) hat den früheren saarländischen Innenstaatssekretär Christian Seel (CDU) als Internen Revisor eingesetzt. Der Richter soll Transparenz in Sachen Aktenlieferung schaffen und Widersprüche aufklären. Es gibt also Handlungsbedarf.

Ob trotz aller scharfer Kritik in der Opposition eine Fraktion vor den Verfassungsgerichtshof in Koblenz zieht, ist derzeit aber völlig offen, zumal eine Klage auch immer mit einem Risiko verbunden ist und Geld kostet. Zudem kursieren bereits Wetten, wie lange die Beweisaufnahme noch dauert. Womöglich ist es daher für die Opposition reizvoller, das Aktenthema weiter politisch auszuschlachten.

Übrigens füllten Akten zu früheren Untersuchungsausschüssen teils mehrere Räume, die teils mit Stahl für die Last verstärkt werden mussten. Damals galt die Lieferung per Papier aber immer als komplett – anders als im digitalen Zeitalter, in dem alles schneller gehen sollte, aber offenbar Sticks vergessen werden, die irgendwo in einer Schublade oder einem Schrank liegen.

Von Ursula Samary

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