Zu den Teilnehmern der Protestkundgebung gehörten die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad und der Generalvikar des Bistums Speyer, Franz Jung. Rund 1000 Menschen haben sich laut Polizei an der Kundgebung von „Kandel ist überall“ beteiligt.
Die Polizei selbst war nach eigenen Angaben mit mehr als 1000 Beamten im Einsatz. Mehrmals sei es zu Auseinandersetzungen mit Personen aus dem linken Spektrum gekommen, sagte eine Polizeisprecherin. Nach Flaschen- und Böllerwürfen habe die Polizei Schlagstöcke einsetzen müssen. Es sei zu Verhaftungen und mehreren Platzverweisen gekommen. Neben der AfD und der Initiative „Wir sind Kandel“ hatte auch die „Kurfürstlich Kurpfälzische Antifa“ eine Kundgebung angemeldet.
Nach dem gewaltsamen Tod eines 15-jährigen Mädchens vor fast drei Monaten haben Rechtsextreme aus ganz Deutschland die 8500 Einwohner zählende südpfälzische Stadt immer wieder zu ihrem Aufmarschgebiet gemacht. Als Täter gilt der Ex-Freund des Mädchens, ein afghanischer Flüchtling, der behauptet, minderjährig zu sein. Als Reaktion auf die Aufmärsche hat sich inzwischen die Initiative „Wir sind Kandel“ gegründet. Sie wird von zahlreichen Vertretern aus Politik, Kirche, Gesellschaft und Wirtschaft unterstützt.
Bei der Demonstration ist es zu Ausschreitungen gegen die Polizei gekommen. Randalierer aus dem linken Spektrum hätten Böller entzündet und auf Polizeibeamte geworfen, sagte eine Polizeisprecherin am Samstag. Außerdem seien Flaschen auf Beamte geworfen worden. Die Einsatzkräfte hätten mit dem Einsatz von Pfefferspray reagiert und etwa 250 Demonstranten eingekesselt. Wie lange dieser Zustand aufrecht erhalten bleiben sollte, war zunächst unklar. dpa
Die Landesregierung stehe an der Seite der Bürger, die für ein weltoffenes, liberales und gewaltfreies Miteinander eintreten, sagte Dreyer bei der Protestkundgebung. „In unserem Land leben Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religionen oder Weltanschauungen friedlich und tolerant zusammen. So soll es auch in Zukunft bleiben.“ Fremdenhass und rechtsextremes Gedankengut hätten keinen Platz in Deutschland. „Gegenüber Gewalt und Hass gibt es eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber allen Menschen, egal woher sie kommen“, sagte die Ministerpräsidentin.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Gebhardt sagte, seit Wochen müsse man erleben, wie der Tod der 15-Jährigen von rechtsradikalen Kräften aus ganz Deutschland für deren Zwecke missbraucht werde. „Das ist unerträglich für diese Stadt, unerträglich für die ganze Region.“ Zugleich sprach er der Familie der 15-Jährigen sein Mitgefühl aus.
Mit „Wir sind Kandel“ entstehe derzeit ein breites gesellschaftliches Bündnis, erklärte das Kandeler Pfarrerehepaar Dembek, das zum Organisationsteam der Initiative gehört. Nach der Tötung des Mädchens sei auf ihn und seine Ehefrau bis Mitte Januar ein „Shitstorm“ aus beleidigenden und fremdenfeindlichen Hass-Mails und anonymen Telefonanrufen eingeprasselt, sagte Pfarrer Arne Dembek dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die rechtspopulistische Initiative „Kandel ist überall“ reagiert mit ihrer Kundgebung auf den Tod des Mädchens. Sie fordert eine Schließung der Grenzen und eine Abschiebung illegal in Deutschland lebender Ausländer.
Er hatte das getötete Mädchen vor zwei Jahren konfirmiert und auch den Trauergottesdienst gestaltet. Die Kirchen erklärten sich mit ihrer Teilnahme an der Gegendemonstration solidarisch mit den Einwohnern Kandels angesichts der Bedrohung der Stadt durch demokratiefeindliche Kräfte, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Landeskirche und Bistum. Wenn das Leid von Menschen instrumentalisiert werde, um politischen Profit daraus zu schlagen, werde eine Grenze überschritten. Dann gehe es nicht mehr um gute Lösungen für die Menschen, sondern um die Spaltung der Gesellschaft und die Profilierung auf Kosten anderer.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte vor der Kundgebung die AfD vor einem Schulterschluss mit Rechtsextremen gewarnt. Lewentz wies die Kritik zurück, große Gegenkundgebungen verschafften rechten Aufmärschen übermäßige Aufmerksamkeit: „Wegschauen wäre ein großer Fehler. Man kann nicht so tun, als gäbe es diese Herausforderung nicht“, sagte er dem Südwestrundfunk.
epd/dpa