Ganz jung ist die Arbeit nicht mehr, sie wurde schon 2012 in einem Steinbruch bei Avignon uraufgeführt. Aber frisch, packend und berührend ist sie noch immer. Denn was darin behandelt wird, hat von seiner zeitlosen Aktualität nichts verloren. Es ist ein düsteres Stück, das da in abstrahierter Form Epochen der Menschheitsgeschichte von der Frühzeit bis zur Gegenwart durchtanzt. Danach hat es paradiesische Zustände nie gegeben, irrte der Homo sapiens anfangs kopf- und ziellos durch eine kalte Welt, um sich nachher an hierarchischen Gebilden der Macht malochend, kriechend, windend und einander bekriegend abzumühen.
Pyramide, Babel-Turm, Sodom und Ghomorra, Steinigungsgruft, griechischer Tempel, mal Menschen einsperrende, mal sie trennende Mauern. Auf Letztere wird schließlich ein Fenster gesprüht, das Bomben abwerfende Helikopter zeigt, die das Ensemble wie bei einem Massensterben niedersinken lassen. Die Bühnenausstattung von Cherkaoui und Filip Peeters besteht aus einfachen grauen Quadern und Würfeln; aus „Steinen“, die im Tanzgeschehen fortlaufend zu symbolisch eindeutigen bis vielsagenden Raumstrukturen umgebaut werden. Dass die elf Tänzerinnen und Tänzer von Eastman zur zeitgenössischen Spitzenklasse ihres Fachs gehören, war ebenso erwartbar wie das für Cherkaoui typische Bemühen, Menschen und Ausdruckformen unterschiedlicher Kulturkreise miteinander zu verbinden.
Im Tanz reicht das vom kantig-zuckenden Vereinsamungsgewusel über solistische Passagen des Formats artistischer Streetdance oder zirzensischer Schlangenmenschausdruck bis hin zu kraftvollen Tempoformationen und zu Schreckensbildern gerinnenden Tableaus des Leids.
Eine faszinierende multikulturelle Besonderheit von „Puz/zle“ ist die musikalische Livegrundierung durch das korsische Gesangsensemble „A Filetta“, die libanesische Mezzosopranistin Fadia Tomb el-Hage sowie den japanischen Percussionisten und Flötisten Kazunari Abe. Sie alle musizieren je nach Art ihrer Herkunftstraditionen. Dennoch finden sie immer wieder, wie die unterschiedlichen Tanzstile auch, zusammen: Zu einem Miteinander in der seit jeher existierenden Globalisierung aus Unterdrückung, Ausbeutung, Krieg, Leid – sowie dem bis dato erfolglosen Aufbegehren dagegen.