Worauf der Schwerpunkt des Neuen Kunstvereins – standortunabhängig – ruht, macht dessen Leiter Elmar Hermann im Vorfeld der Schau noch einmal deutlich: Hier wie dort sollen internationale, vom Mainstream im besten Fall abweichende Positionen präsentiert werden, bei den „Jahresgaben“ vor allem solche „junger, aufstrebender Künstler“, wie Hermann betont, „die wir gern schon früh fördern wollen und deren Arbeiten zugleich auch erschwinglich sind“.
Denn: Zu erwerben sind die gezeigten Ausstellungsstücke ausnahmslos – anders als die rund 150 Werke der Artothek, die für eine Gebühr von 9 Euro drei Monate lang ausgeliehen werden können –, wenngleich die potenziellen Weihnachtsgeschenke auch ohne Kaufabsicht schön anzusehen sind – die Exponate Martin Maellers beispielsweise, der in der Artothek als einziger der vier gezeigten Künstler in Doppelfunktion vertreten ist: als „Jahresgaben“-Zulieferer auf der einen und Protagonist der parallel präsentierten Miniausstellung „Thin Veil“ auf der anderen Seite.
Melancholische Fossilien
Thematisch korrespondiert dabei eines mit dem anderen, beschäftigt sich Maeller in beiden Fällen auf seine ganz eigene Art mit Fragen nach Identität, Verletzlich- und Vergänglichkeit. „Seine Arbeiten erforschen Situationen von Verlust und die Suche nach Zugehörigkeit“, erklärt Elmar Hermann – und verweist exemplarisch auf das „Thin Veil“-Projekt, für das der Berliner Künstler zunächst Rosenbouquets in Sandguss brannte und deren Form dann in einem weiteren Schritt von der Firma ASAS – seit 2018 auf dem ehemaligen Rasselstein-Gelände beheimatet – mit Aluminium ausgießen ließ.
Von den Rosen, die Maeller im Übrigen auch als Motiv für seine „Jahresgaben“-Siebdrucke gewählt hat, bleibt nach diesem Prozess schließlich nur eine silbrig graue Reminiszenz. Sie sind – Maellers thematischen Schwerpunkt folgend – vergangen und doch irgendwie greifbar, wie ein „melancholisches Fossil“, so die treffende Charakterisierung Hermanns.
Einen gänzlich anderen, weniger naturalistischen Ansatz verfolgt derweil Lena Marie Emrich, die in ihrer Edition „The Entanglement Series“ geheimnisvoll anmutende Arrangements unterschiedlichster Alltagssituationen vereint, diese auf fantastische Weise verdreht und damit – indirekt – auch ein Statement setzt gegen die zunehmende Digitalisierung unserer Welt. Die in der Ausstellung gezeigten Grafiken nämlich dienen lediglich als Modell; potenzielle Käufer hingegen erhalten anstelle des Exponats ein (anderes) Werk aus der Edition in Postkartenformat – ohne dieses vorab in den sozialen Netzwerken oder andernorts gesehen zu haben.
Etwas eindeutiger wird es gleich darauf wieder bei Mira Siering, wenngleich auch deren amorphe Keramikgebilde nicht gänzlich frei sind von Geheimnissen, in Form und Erscheinung immer wieder changieren zwischen Tier, Mensch und Natur. Was spannend ist – ebenso wie die Entstehung der Werke, auf deren Oberfläche die Kölner Künstlerin per Siebdruck Zeichnungen aufbringt. „Bei der Verformung der Keramik in bogenähnliche, gewölbte Positionen“, erklärt NKVM-Leiter Hermann, „haben sich die Siebdrucke dann ebenfalls verformt und sich der Dehnung ihres Untergrunds angepasst.“
Ein höchst komplexes Verfahren – und damit im anregenden Kontrast zu der etwas schlichter gehaltenen Edition Eleni Wittbrodts, wohnhaft in Glasgow, in ihren Arbeiten zwischen Fotografischem und Räumlichem pendelnd, bei den „Jahresgaben“ vertreten mit acht Risografien analoger Uhren, die manchem Betrachter wohl irgendwie bekannt vorkommen dürften.
Lächelnde Zeiger
Schließlich zeigen die Ziffernblätter durchgängig 10.10 Uhr, „ein gängiges Motiv aus Werbung und Film“, wie Hermann erklärt, dem sich Wittbrodt in ihren Arbeiten bedient. „Der Stand der Zeiger“, führt der NKVM-Leiter weiter aus, „ähnelt auf dem Zifferblatt einem lächelnden Gesicht, das positive Assoziationen hervorrufen und dadurch beispielsweise einen Kaufimpuls auslösen soll.“
Ob sich diese Methodik am Ende auch bei den „Jahresgaben“ bewährt, wird sich zeigen. Die Zeit jedenfalls steht – entgegen der Suggestion durch Wittbrodts Arbeiten – keineswegs still in der Schau, deren Besuch sich ganz im Gegenteil als kurzweiliges Vergnügen erweist, zugleich auch Lust macht auf das, was noch kommt im Jahr 2024. Dann nämlich, verrät Hermann, werden in der Artothek unter anderem drei afrikanische Modemacherinnen zu Gast sein, die dort Einblicke in ihre Arbeit geben.
Die Ausstellung wird in der Artothek am Neuwieder Luisenplatz am Samstag, 9. Dezember, um 12 Uhr eröffnet und ist dort bis zum 4. Februar 2024 zu sehen. Weitere Infos hierzu sowie zu Angebot und Werkbestand der Artothek gibt's hier.