Betreiber klagen über Perspektivlosigkeit und fehlende Unterstützung - Ihre Hoffnung richtet sich auf das neue Hilfspaket, doch Restzweifel bleiben
Auf unbestimmte Zeit geschlossen: Droht wegen Corona bald ein Klubsterben?
Bild mit Symbolcharakter: Mischpults und Tanzflächen sind in deutschen Klubs nun bald seit einem Vierteljahr verwaist – und werden es wohl auch weiterhin bleiben. Die Einhaltung der Abstandsregeln ist in Einrichtungen dieser Art nahezu unmöglich, eine Wiedereröffnung daher nicht absehbar. Foto: dpa
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Während es vielerorts Lockerungen gibt, Theater, Kinos und Museen schon wieder geöffnet haben, blicken Klubs und Diskotheken weiter in eine ungewisse Zukunft. Ihr Problem: Das Virus hat es an diesen Orten besonders leicht. Beispiel Berlin: Von den ersten 263 bestätigten Fällen dort gingen 42 auf Klubbesuche zurück. Pamela Schobeß vom Vorstand der Clubcommission – dem Verband Berliner Klubveranstalter – prognostizierte daher schon zu Beginn der Corona-Krise: „Wir waren die Ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die Letzten sein, die wieder aufmachen können.“ Keine sonderlich rosigen Aussichten also für Klubbetreiber, die ihrerseits auch in Rheinland-Pfalz Alarm schlagen.

Die Reserven sind aufgebraucht

Das wird etwa im Gespräch mit Ralf Prestenbach, dem Inhaber des Circus Maximus in Koblenz, deutlich: „Die jetzige Situation ist für mich und viele meiner Kollegen existenzbedrohend. In den vergangenen knapp drei Monaten habe ich alle meine Reserven in den Betrieb gesteckt, jetzt ist nichts mehr da.“ Bei anderen Betreibern sei die Luft teils noch dünner, die Szene daher dringend auf finanzielle Hilfe angewiesen. Denn: Bisher, so Prestenbach, hätten Bund und Land viel zu wenig getan für die Klubszene. „Aktuell habe ich mit meinen 18 Mitarbeitern nicht einen einzigen Zuschuss erhalten, und ich bin gespannt, ob das neue Paket etwas daran ändert“, sagt der Klubbetreiber mit Blick auf die vom Bund beschlossenen Kulturhilfen in Höhe von 1 Milliarde Euro.

Bleibt die erhoffte Unterstützung hingegen aus, droht laut Prestenbach ein Klubsterben. Schließlich gebe es für Betriebe wie seinen schon seit Jahren kaum noch Genehmigungen in Innenstädten, „da man uns nicht als Kultur-, sondern als Vergnügungsstätten sieht“. Die Auflagen, die mit dieser Einstufung einhergingen, seien kaum zu erfüllen, betont Prestenbach. Die Konsequenz: „Jeder Klub, der geschlossen wird, ist und bleibt weg.“

Weniger dramatisch fällt derweil der Lagebericht aus dem Koblenzer Café Hahn aus – noch. Man habe erfolgreiche Jahre hinter sich, in dieser Zeit gute Rücklagen gebildet, die es nun ermöglichten, die Durststrecke zu überstehen, erklärt Klubbesitzer Berti Hahn, schränkt jedoch ein: „Vor 20 Jahren, also ohne diese Ersparnisse, die im Übrigen auch meine Altersvorsorge sind, hätte mir das Wasser bis zum Hals gestanden.“

Und auch so bestehe kein Zweifel, dass die verfügbaren Mittel in absehbarer Zeit aufgebraucht seien. Hahn sagt: „Wenn unsere ertragreichen Veranstaltungen wie das Weihnachtsvarieté im Dezember ausfallen sollten, wird es auch bei uns eng.“ Wobei finanzielle Unterstützung vonseiten des Staates für die Klubszene schon in der derzeitigen Situation unverzichtbar sei, allein, sie kam aus Hahns Sicht bislang kaum zu tragen: „Von den bisherigen Soforthilfen von Stadt und Land ist bei uns nichts angekommen. In Rheinland-Pfalz galten diese anders als etwa in Baden Württemberg nur für Betriebe mit bis zu 35 Mitarbeitern, ich hingegen habe 50 und daher leider keinen Anspruch auf Unterstützung.“

Hahn hofft daher nun, dass von den Mitteln des in der vergangenen Woche vorgelegten Kulturrettungspakets auch für die Klubszene etwas abfällt. Er wünsche sich zudem mutigere Entscheidungen von der Politik, um möglichst bald wieder öffnen zu dürfen, sagt Hahn, der bis dahin auf Open-Air-Veranstaltungen wie das Weltmusikfestival Horizonte auf der Festung Ehrenbreitstein setzt – das vom Förderverein Kultur im Café Hahn veranstaltet wird und dessen künstlerischer Leiter Hahn ist. Doch: „Ob wir dabei mit der bislang zugelassenen Gästezahl von 250 Personen Geld verdienen, ist fraglich.“

Und so beschreibt vor den genannten Hintergründen auch Michael Vogt, Inhaber des Mainzer Klubs Alexander the Great, die aktuelle Situation als „frustrierend“. „Nach 20 erfolgreichen Jahren hätte ich nie zu träumen gewagt, wegen so etwas einmal in eine solche Schieflage zu geraten“, resümiert der Kulturmanager die Corona-Krise. Es tue „sehr weh“, durch die Pandemie – und damit unverschuldet – das Rückgrat gebrochen zu bekommen.

Die Perspektiven für die Klubszene beurteilt Vogt indes mit „mehr als schlecht“: „Ich habe wenig Hoffnung, dass, bevor ein Impfstoff entwickelt wurde, an eine Wiedereröffnung zu denken ist.“ Dabei lasse die Unterstützung mit Staatsmitteln bislang noch „einiges zu wünschen übrig“, beurteilt Vogt die (ausbleibenden) Maßnahmen der Politik. „Ich vermisse die Berücksichtigung unserer Situation, unserer Probleme und Sorgen.“

Interessant: Bei all dem Verdruss auf die Politik kommt vom Verband der Musikspielstätten Livekomm zunächst Lob für die Anstrengungen der Bundesregierung. „Bewertet man die Lage europa-, wenn nicht sogar weltweit, ist das Programm des Bundes einzigartig. Kein anderes Land investiert aktuell so viel Geld, auch in die Kultur“, betont der stellvertretende Livekomm-Vorsitzende Karsten Schölermann. Allerdings gebe es auf Länderebene Unterschiede hinsichtlich finanzieller Hilfen. Zudem seien die Programme – dort, wo überhaupt vorhanden – nur auf einen kurzen Zeitraum ausgerichtet und nicht auf eine durchgehende Schließung über viele Monate. Und: „Etliche Klubs und Livespielstätten sind bisher gänzlich durch sämtliche Raster gefallen“, bemängelt Schölermann.

Unterdessen teilt auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) die Einschätzung, dass es wohl noch viele Monate dauern wird, bis Klubs wieder im Normalbetrieb öffnen dürfen. Gerade in Klubs, Bars und Discos finde das Coronavirus perfekte Bedingungen für eine schnelle Verbreitung, sagt er. Es ist eng, man schwitzt, schreit einander mit geringem Abstand ins Ohr: „Das ist genau dieses Szenario, bei dem es in anderen Ländern bereits zu massenhaften Ansteckungen gekommen ist. Das sind die Virenhotspots – gerade für das Coronavirus.“

„Der schlimmste Zustand“

Außerdem mache es die meist schlechte Belüftung der Räume dem Virus noch leichter. „Sie können da nicht für eine Belüftung sorgen, Sie haben vielleicht nur Anlagen, die das umwälzen oder ein bisschen verblasen. Aber eigentlich sind das kleine, enge Räume.“ Das wiederum sei der beste Zustand, den er sich für einen respiratorisch – also über die Atmung – übertragbaren Erreger vorstellen könne. „Also der schlimmste Zustand für den Menschen. Insgesamt ist die Situation einfach ideal, um sich dort infizieren zu können.“

Wenig Chancen auf Abstand in Klubs, schwierige Lüftungsbedingungen, mangelnde finanzielle Unterstützung: Es scheint also eine aussichtslose Situation für die Szene, die Michael Vogt vom Alexander the Great wie folgt umschreibt: „Es kann leider auch keine Alternative oder ein anderes Geschäftsmodell für uns geben, wir leben von Party und dicht gedrängten Menschen. Alles andere ist kein Klub mehr, keine Feier, kein Spaß.“

Stefan Schalles/dpa