Ziemlich genau ein Jahr lang lief das Experiment „Viertagewoche“ bei der Firma Münz in Montabaur. Das Unternehmen verkauft Arbeitskleidung und war eines der ersten im Westerwald, das das gefragte neue Arbeitszeitmodell einführte. Kurz nach Jahresbeginn stellten die Verantwortlichen aber wieder auf eine Fünftagewoche um – allerdings müssen die Mitarbeiter freitags nur den halben Tag arbeiten. Das Modell war für viele Mitarbeiter ein Stressfaktor, sagt das Unternehmen. Ein Einzelfall? Wir haben mit Vertretern der Wirtschaft gesprochen – einige halten die Viertagewoche grundsätzlich nicht für zeitgemäß.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Koblenz teilt mit, dass das Model nach ihrer Wahrnehmung für Unternehmen in der Region „kein wirkliches Thema“ darstellt. Für viele Gewerke, beispielsweise aus dem Versorgungssektor, wäre eine Viertagewoche ohnehin unvorstellbar, heißt es aus der Handwerkskammer Koblenz (HwK) auf Anfrage unserer Zeitung. Ebenfalls ungeeignet seien Betriebe, die einen Not- oder Bereitschaftsdienst betreiben müssen. Dort sei ein flexibles Arbeitszeitmodell gefordert, das sich kaum an vier Tagen festmachen ließe.
Viertagewoche ist nicht die einzige Lösung
Rein theoretisch ließe sich, laut HwK, eine Viertagewoche in manchen Betrieben durchaus umsetzen. Voraussetzung sei die flexible Planbarkeit von Aufträgen und Betriebsabläufen. Dann könne in bestimmten Fällen sogar die Produktivität steigen. Allerdings seien ein hohes Maß an Anpassung und genaue Planung dafür nötig. Beim Blick auf die Zahl der Betriebe, die das System etabliert hätten, würde deutlich, dass die Viertagewoche im Handwerk eher die Ausnahme bliebe.
Einen ähnlichen Ton schlägt auch Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Rheinland-Pfalz/Saarland, an. Die Viertagewoche funktioniere mit Sicherheit nicht für alle Beschäftigten, zumal eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2023 ergab, dass 17 Prozent der befragten Arbeitnehmer ohnehin kein Interesse daran hätten. „Die Viertagewoche ist keine Utopie, aber es gibt keine pauschale Lösung“, sagt Wingertszahn. Man müsse die unterschiedlichen Bedürfnisse von Arbeitgebern und -nehmern miteinander vereinbaren. Generell ergab die Umfrage, dass knapp drei Viertel der Befragten gern nur an vier Tagen arbeiten würden – allerdings auch nur bei gleichbleibendem Lohn.
„Wir können es uns schlicht nicht leisten.“
Kurt Krautscheid, Präsident der Handwerkskammer Koblenz
„Die deutsche Wirtschaft tritt seit nunmehr fünf Jahren auf der Stelle“, kritisiert Kurt Krautscheid , Präsident der Handwerkskammer Koblenz. In Zeiten, in denen einige Unternehmen über Stellenabbau und Standortverlagerungen ins Ausland nachdenken, sei die Viertagewoche das Ergebnis einer Krise und nicht Teil von Work-Life-Balance. Arbeitszeitkürzungen würden nicht als Freizeit, sondern als Bedrohung empfunden.
Die Viertagewoche sei für Handwerksbetriebe, die sich über eine hohe Nachfrage freuen sollten, nicht wirklich zeitgemäß. Krautscheid wird sogar noch deutlicher: „Wir können es uns schlicht nicht leisten.“ Wolle man als Handwerk den Motor der Wirtschaft maßgeblich mit am Laufen halten, dann ganz bestimmt „nicht vom Sofa aus“.
Optimierungen der Betriebsabläufe genügten in vielen Abteilungen nicht, um die fehlenden Stunden zu kompensieren: Drei leitende Mitarbeiter der Montabaurer Firma Münz schildern ihre Erfahrungen mit der Viertagewoche.Viertagewoche war Stressfaktor für Mitarbeiter
Etwas versöhnlicher äußert sich Wingertszahn, die die Debatte um Arbeitszeiten nicht auf die Viertagewoche verengen will. Bei moderner Arbeitszeitgestaltung müssten verschiedene Bedürfnisse unter einen Hut gebracht werden. Wichtig sei, dass die Richtung kürzer und selbstbestimmt, und nicht immer länger, mit höherer Schlagzahl sei. Jede Branche müsse das individuell bewerten. Die Viertagewoche könne dabei eine von vielen Lösungen sein. Die Landesvorsitzende resümiert: „Wer für gute Arbeit sorgt, wird auch keine Probleme bei der Fachkräftegewinnung haben“.
Einigkeit besteht bei HwK und DGB darüber, dass Arbeitszeitmodelle mit den geltenden Regelungen des Arbeits- und Tarifrechts vereinbar sein müssen. Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter sei im Interesse aller Parteien. Ein gutes Arbeitsklima, das die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt, sei ein zentraler Faktor beim Werben um Fachkräfte.
Studie: Vier - Tage - Woche macht produktiver und zufriedener
Weniger Stunden zu arbeiten und trotzdem das gleiche Gehalt einzustreichen, kann Vorteile für Arbeitgeber und Beschäftigte bringen. Zu diesem Ergebnis kam zumindest eine Studie zur Viertagewoche, die im Oktober 2024 vorgestellt wurde . 41 deutsche Unternehmen und Organisationen hatten testweise ein halbes Jahr ein neues Arbeitszeitmodell eingeführt. Die Aussagekraft der Studie der Uni Münster, in die auch die Unternehmensberatung Intraprenör eingebunden war, ist allerdings begrenzt, da die teilnehmenden Organisationen nicht repräsentativ sind für die deutsche Wirtschaft. Mitgemacht haben unter anderem Kindergärten, Steuerberatungen und Architekturbüros, aber auch ein Unternehmen der Logistikbranche mit Schichtarbeit. Die Studie betraf 900 Menschen. Ähnliche Studien gab es zuvor in Großbritannien, Südafrika und den USA, auch hierbei waren positive Effekte festgestellt worden. Die deutsche Studie war umfangreicher, hierzulande wurden 600 Interviews durchgeführt. dpa