Am Donnerstagnachmittag soll sich der Landtag von Rheinland-Pfalz in erster Beratung mit einem Gesetzentwurf der Landesregierung befassen, der seit mehreren Jahren die Wogen hochschlagen lässt: Es geht um eine Neufassung des Landesjagdgesetzes. Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) fegt bei diesem Thema scharfer Wind entgegen – zuletzt bei einer aufsehenerregenden Protestaktion des Landesjagdverbandes während des Grünen-Parteitags in Idar-Oberstein. Widerspruch regt sich aber auch anderswo, etwa bei den Kreisjagdmeistern im Land. In einer scharf formulierten Resolution fordern die Ehrenbeamten, die grundsätzliche Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, bevor dem Entwurf zugestimmt wird.
Rüdiger Klotz ist seit 2011 Kreisjagdmeister im Rhein-Lahn-Kreis und Initiator der Resolution, die 23 von 24 Kreisjagdmeistern (KJM) im Land unterzeichnet haben. „Es kamen schnell positive Rückmeldungen – das ist keine Selbstverständlichkeit. Das zeigt mir, dass meine Initiative einen Nerv getroffen hat“, sagt der 67-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung.

Klotz befasst sich – wie wohl alle Jäger im Land – seit mehreren Jahren mit den diversen Entwürfen zur Novellierung des Landesjagdgesetzes. Die Resolution hat er gemeinsam mit einem Juristen entworfen, „der sich sein Leben lang mit Staatsrecht befasst hat“, wie es im Anschreiben heißt, das Klotz im März an die KJMs verschickt hat. „Ich habe tatsächlich Angst um den Fortbestand der Jagd, wie ich sie kennen und lieben gelernt habe“, hat er darin auch formuliert.
Auf eineinhalb Seiten listet die Resolution Zweifel an der im Gesetzentwurf vorgesehenen künftigen Rollen- und Kompetenzverteilung zwischen Forst und Jagd auf. „Uns Kreisjagdmeistern als Ehrenbeamte der Landkreise in RLP stellen sich schwerwiegende Fragen zur fehlenden organisatorischen und personellen Trennung des Betriebs Landesforsten von der jagdbehördlichen Aufsichtsfunktion. Aus unserer Sicht kollidieren subjektive Bewirtschaftungsinteressen mit gesetzlichen, streng objektiven und definierten Aufsichtspflichten“, heißt es in der Einleitung.
„Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass diese Novellierung in Gänze nicht tragbar ist.“
Kreisjagdmeister Rüdiger Klotz
Die Resolution endet mit einer konkreten Forderung an die Landespolitik: „Wir fordern die Staatsregierung auf, diese in Deutschland einzigartige Problematik durch ein staatsrechtliches Gutachten zur Inkompatibilität der jagdbehördlichen und forstbetrieblichen Funktionen der oberen Jagdbehörde und der Forstbehörden klären zu lassen.“ Also: Fuß vom Gas, bevor etwas anbrennt.

Die unterzeichnete Resolution hat Klotz an den Ministerpräsidenten, an die zuständige Ministerin Eder sowie an alle Landtagsfraktionen geschickt – an die Fraktionsvorsitzenden sowie an die fachpolitischen Sprecher. „CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder hat sehr ausführlich und fundiert geantwortet. Ansonsten kam nicht viel, aus der Landesregierung gar nichts, null, niente“, berichtet er. „Da fehlt es auch an der gebotenen Wertschätzung gegenüber dem Ehrenamt!“
Es gibt etliche Punkte am Gesetzesentwurf, der den Jägern übel aufstößt, vor allem die vorgesehene Möglichkeit, Jäger dort über forstbehördliche „Stellungnahmen“ zu noch höheren Abschüssen unter Strafandrohung zu zwingen, wo zu starker Wildverbiss nach Ansicht der Forstverwaltung die Verjüngung der Baumbestände gefährde. „Wir halten es für völlig verfehlt, dass man weder den berechtigten Lebensraumansprüchen der Wildtiere noch den aktuellen wildbiologischen Erkenntnissen auch nur ansatzweise Beachtung schenkt“, wird die stellvertretende Geschäftsführerin des Verbandes, Sarah Wirtz, in einer aktuellen Mitteilung zitiert.

„Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass diese Novellierung in Gänze nicht tragbar ist“, sagt Rüdiger Klotz, der sich auch im Landesjagdverband engagiert. Das neue Jagdgesetz soll nach seiner Lesart darauf ausgelegt sein, dass die ganze Steuerung beim Forst liegt – über die Köpfe der Jäger hinweg solle das Handeln der Jäger beeinflusst werden. „Und zwar dahingehend, dass immer mehr Wild geschossen wird, um so den Wald zu retten. Aber das kann doch nicht das Ziel sein! Wir können doch keinen Wald ohne Wild wollen. Der Wald ist ein Ökosystem – mit Lebewesen darin. Und nicht nur ein Wirtschaftswald. Auch ein von Wild verbissener Baum erfüllt seinen ökologischen Sinn!“
Die KJMs sind von Jägern, Land- und Waldbesitzern demokratisch gewählte Ehrenbeamte des Kreises. „Wir verstehen uns für alle Bereiche, die im Kontext der Jagd Fragen aufwerfen, als Berater der Unteren Jagdbehörden und Ansprechpartner der Bürger“, beschreibt Klotz die Rolle der KJMs. Die Unteren Jagdbehörden sitzen in RLP bei den Kreisverwaltungen. Die Aufgaben der Oberen Jagdbehörde werden zentral von der Zentralstelle der Forstverwaltung in Neustadt an der Weinstraße wahrgenommen; die Oberste Jagdbehörde wiederum sitzt beim Ministerium.

Spitzentrio der Grünen für Landtagswahl steht
Eder, Schellhammer, Binz: Mit diesen drei Frauen an der Spitze gehen die rheinland-pfälzischen Grünen ins Rennen um die nahende Landtagswahl. Dabei geht eine Idee aus dem inneren Zirkel komplett auf.
„Eigentlich soll es jährlich eine Dienstbesprechung aller Kreisjagdmeister auf Landesebene geben. Nachdem bei einer solchen Besprechung ein früherer Entwurf des neuen Landesjagdgesetzes besprochen und in Gänze abgelehnt wurde, gab es 2024 keine solche Besprechung mehr. Und ob es 2025 noch eine gibt – ich bin da skeptisch.“ In dem gesamten Prozess der Debatte um das neue Landesjagdgesetz seien die Kreisjagdmeister überhaupt nicht einbezogen worden, kritisiert Klotz, der nun tektonische Verschiebungen befürchtet, die rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechen: „Wenn das neue Gesetz in der jetzt vorliegenden Form vom Landtag beschlossen wird, dann wird die Jagd künftig noch stärker von der Forstverwaltung kontrolliert – nach Vorgaben, die sich der Forst selbst gibt, bei deren Einhaltung er sich dann auch selbst kontrolliert. Das ist in meinen Augen dann ein Selbstbedienungsladen. Und darunter leidet dann zuallererst das Wild.“
Durch das neue Gesetz sollen die Kreisjagdmeister ebenso wie die Unteren Jagdbehörden entmachtet werden, so beschreibt es zumindest Klotz, und so steht es in der Resolution. „Es soll Arbeit und Entscheidungskompetenz in die Obere Forstbehörde verlagert werden. Aber wie soll das denn dort funktionieren – ohne das regionale Wissen der örtlich Handelnden?“ „Das führt dann zu einer Widerspruchs- und Klagewelle der Betroffenen – was ganz sicher nicht zur von Ministerin Eder versprochenen Verschlankung der Behörden führt“, erwartet Klotz.
Klotz betont das Selbstverständnis der Jägerschaft als Akteure des Naturschutzes: Hege und Pflege. Dieses eherne Grundprinzip sieht er durch Festlegungen des Gesetzes gefährdet: „Es soll kein Damwild mehr geben, kein Muffelwild – damit der Wald wachsen kann. Aber wollen wir wirklich jedes Reh und jeden Hirsch totschießen, die wir im Wald sehen? Sollen die Menschen Rehe künftig nur noch im Wildpark sehen?“ Die Jäger, sagt er, sollen in einen Bereich manövriert werden, in dem das Jagen zu etwas wird, was sie als Naturschützer nicht mittragen können. „Wir Jäger wollen jagen, ja. Aber wir wollen nicht zu Auftragskillern verkommen.“
Es steht also einiges auf dem Spiel, wenn am Donnerstag im Landtagsplenum über das Gesetz beraten wird. Die Kreisjagdmeister setzen darauf, dass damit noch keine Pflöcke eingeschlagen werden. „Unsere Hoffnung ist, dass doch noch Abgeordnete ausscheren aus dem Fraktionszwang, weil sie merken, dass das Gesetz so nicht tragbar ist, dass es noch nicht zu Ende diskutiert ist mit allen Betroffenen, dass es weiter hinterfragt werden muss, in Ausschüssen und mit den Verbänden.“ Klotz hat insbesondere eine Fraktion im Blick: „Ich hoffe, dass sich auch der eine oder andere Grüne besinnt und dagegen stimmt – und nicht nur Ja sagt, weil Frau Eder das fordert – eine Ministerin, die über die Jagd spricht wie der Blinde von der Farbe.“
„Ohne Jäger wird vieles nicht funktionieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir hier zivilen Ungehorsam erleben werden.“
Rüdiger Klotz
Mit ihrer Initiative wollen die KJMs also auch und vor allem aufzeigen, dass es noch Klärungsbedarf gibt – zumindest mit einer Interessengruppe, die sehr stark von ihren Auswirkungen betroffen sein wird: „Die Parlamentarier sollten sich auch fragen, wie sinnvoll es ist, ein Gesetz durchzuwinken gegen den erklärten und allseits bekannten Widerstand der Jägerschaft“, sagt Klotz. Und unterstreicht: „Wir Jäger werden ja gebraucht, beispielsweise wenn es darum geht, sich um Wild zu kümmern, das angefahren wurde. Dazu sind wir nicht verpflichtet. Oder bei der Kadaversuche beim Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest.“ Der Kreisjagdmeister sagt: „Ohne Jäger wird vieles nicht funktionieren. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir hier zivilen Ungehorsam erleben werden.“