An Tagen wie diesen ist oft vom Ende einer Ära die Rede. Von Epochenwechseln und anderen großformatigen Begriffen. Aber was genau passiert eigentlich wirklich gerade im politischen Rheinland-Pfalz? Ja, eine Ära endet, und etwas anderes beginnt. Malu Dreyer ist von ihrem Amt zurückgetreten, der Landtag hat mit Alexander Schweitzer ihren Nachfolger bestimmt. Das ist ein persönlicher Epochenbruch, aber ein politischer wird es am Ende nicht sein.
Schweitzer muss sich emanzipieren
Aus mehreren Gründen: Zwar hat die Mainzer Ampel im Allgemeinen und die Landes-SPD im Besonderen nicht erst seit der Katastrophe im Ahrtal, sondern schon aus früheren Tagen ihrer Dienstzeit in Regierungsverantwortung einige berechtigte Kratzer abbekommen. Aber sie rechtfertigen keine völlige Abkehr vom Kurs Malu Dreyers. Und deshalb wird Schweitzer ihn nicht vollziehen. Geräuschvolle Hektik sieht zudem sowieso immer schlecht aus. Sie entspricht auch nicht dem Naturell des sehr reflektierten und in langen Linien denkenden Pfälzers, der schon allein deshalb in der Riege der Länderchefs neben Ego-Shootern wie Markus Söder oder verlogenen Eisprinzessinnen wie Manuela Schwesig ein wichtiger Neuzugang sein wird.
Und doch wird Schweitzer ein ganz eigenes Kunststück vollbringen müssen. Er muss und wird sich nicht krawallig von Malu Dreyer emanzipieren, aber er muss dennoch ausreichend Gelände zwischen sich und seine Vorgängerin bringen, um bei der nächsten Wahl die Wählergunst auch auf seine Person übertragen zu können. Denn, so viel ist sicher: Der SPD-Bundestrend wird ihm dabei nicht helfen. Malu Dreyer konnte sich 2021 nochmals sehr eindrucksvoll von ihm abkoppeln. Weil sie ihre eigene Marke, „die Malu“, war.
Wie aus dem politischen Lehrbuch
Alexander Schweitzer hat jetzt zwei Jahre Zeit, sich dem zumindest anzunähern. Malu Dreyer hat ihm mit ihrem perfekt getimten und ebenso perfekt durchchoreografierten Abgang die beste aller denkbaren Startrampen gebaut, durch die die schon heftig mit den Hufen scharrende CDU auf einen Schlag derb ins Hintertreffen geraten ist. Ein Manöver aus dem politischen Lehrbuch. Ob Schweitzer es für sich und die SPD nutzen kann, liegt nicht zuletzt an der Kommunikation mit den Menschen im Land. Einer Disziplin, in der sich Ministerpräsidentin und Staatskanzlei in der jüngeren Vergangenheit den einen oder anderen unerklärlichen Schnitzer geleistet hatten.
Auf der letzten Sitzung des Kabinetts Dreyer – im Ahrtal (!) – waren sowohl von Schweitzer als auch von der liberalen Wirtschaftsministerin lange vermisste, andere Töne zu vernehmen. Leise, aber unüberhörbar. Ob sie schon einen Weg weisen? Wir werden sehen. Fest steht jedenfalls: „Nah bei de Leut“ muss man immer wieder neu sein wollen, jeden neuen Tag. Sonst sind die Leut an der Wahlurne irgendwann weit weg.
E-Mail an den Autor: lars.hennemann@rhein-zeitung.net