Berlin
Kommentar zur „Letzten Generation“: Nicht mehrheitsfähig
Eine Aktivistin der „Letzten Generation” nach einer Aktion vor der Parteizentrale der FDP.
picture alliance/dpa | Kay Nietf

Ja, Klima-Aktivisten wie die der „Letzten Generation” bieten eine gute Angriffsfläche – Was dabei oft übersehen wird, ist die offensichtlich tiefe Verzweiflung der jungen Menschen, die seit Jahren nichts als Lippenbekenntnisse bekommen, kommentiert RZ-Redakteurin Birgit Pielen.

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Eine Aktivistin der „Letzten Generation” nach einer Aktion vor der Parteizentrale der FDP.
picture alliance/dpa | Kay Nietf

Sie haben es schwer in diesen Tagen: Es gibt kaum jemanden, der ein gutes Haar an den Mitgliedern der „Letzten Generation“ lässt. Ihre Form des zivilen Ungehorsams toppt das Schuleschwänzen der Fridays-for-Future-Generation um ein Vielfaches. Die „Letzte Generation“ stört mit ihren Blockaden den Straßenverkehr und sogar den Flugbetrieb. Aktivisten kleben sich an weltberühmten Gemälden fest und stürmen die Bühne der Hamburger Elbphilharmonie. Sie verstehen sich aber nicht als lästige Querulanten, sondern als letzte Wachrüttler.

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Sie wollen nicht gemocht, sondern gehört werden. Die „Letzte Generation“ sendet einen Hilferuf, um auf die Dringlichkeit einer effektiven Klimapolitik aufmerksam zu machen. Denn wenn nicht schnell etwas geschehe, werde es alles, was uns Menschen wichtig ist, durch die Klimakrise irgendwann nicht mehr geben, lautet ihre Argumentation. In diesem Punkt haben sie sogar recht.

Das Problem ist nur: Die breite Öffentlichkeit beschäftigt sich durch die Aktionen der „Letzten Generation“ nicht mit der Klimakrise, sondern mit den Aktivisten. Das ist ja auch sehr einfach, weil sie mit ihrem plakativen Protest eine gute Angriffsfläche bieten. Was bei dieser Perspektive verloren geht, ist die offensichtlich tiefe Verzweiflung der jungen Menschen, die seit Jahren politische Lippenbekenntnisse hören, Klimakonferenz um Klimakonferenz erleben und feststellen: Es tut sich wenig, viel zu wenig angesichts der existenziellen Bedrohung des Klimawandels, die für viele Menschen trotz Extremwetter vor der Haustür immer noch zu wenig greifbar ist.

Grundsätzlich ist ziviler Ungehorsam eine legitime Form des Protestes, um mit öffentlicher Aufmerksamkeit politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Auch wenn die „Letzte Generation“ im Moment viele Schlagzeilen macht: Letztlich ist die Gruppe zu klein und mit ihrer Strategie zu spaltend, als dass sie damit wirklich Breitenwirkung und Schlagkraft entfalten könnte. Doch so lange die Klimakrise anhält, wird es neue, andere Protestformen geben, die hoffentlich mehrheitsfähiger sein werden, damit politische Entscheidungsträger nicht wegschauen können.

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