Sie haben es schwer in diesen Tagen: Es gibt kaum jemanden, der ein gutes Haar an den Mitgliedern der „Letzten Generation“ lässt. Ihre Form des zivilen Ungehorsams toppt das Schuleschwänzen der Fridays-for-Future-Generation um ein Vielfaches. Die „Letzte Generation“ stört mit ihren Blockaden den Straßenverkehr und sogar den Flugbetrieb. Aktivisten kleben sich an weltberühmten Gemälden fest und stürmen die Bühne der Hamburger Elbphilharmonie. Sie verstehen sich aber nicht als lästige Querulanten, sondern als letzte Wachrüttler.
Nachrichtenchefin Birgit Pielen
Sie wollen nicht gemocht, sondern gehört werden. Die „Letzte Generation“ sendet einen Hilferuf, um auf die Dringlichkeit einer effektiven Klimapolitik aufmerksam zu machen. Denn wenn nicht schnell etwas geschehe, werde es alles, was uns Menschen wichtig ist, durch die Klimakrise irgendwann nicht mehr geben, lautet ihre Argumentation. In diesem Punkt haben sie sogar recht.
Das Problem ist nur: Die breite Öffentlichkeit beschäftigt sich durch die Aktionen der „Letzten Generation“ nicht mit der Klimakrise, sondern mit den Aktivisten. Das ist ja auch sehr einfach, weil sie mit ihrem plakativen Protest eine gute Angriffsfläche bieten. Was bei dieser Perspektive verloren geht, ist die offensichtlich tiefe Verzweiflung der jungen Menschen, die seit Jahren politische Lippenbekenntnisse hören, Klimakonferenz um Klimakonferenz erleben und feststellen: Es tut sich wenig, viel zu wenig angesichts der existenziellen Bedrohung des Klimawandels, die für viele Menschen trotz Extremwetter vor der Haustür immer noch zu wenig greifbar ist.
Sind Klimaaktivisten, die weltberühmte Kunstwerke mit Kartoffelbrei bewerfen oder sich mit den Händen auf Autobahnen festkleben noch legitime Demonstranten – oder für ihre Aktionen strafrechtlich zu belangen?Justizminister Mertin im Interview über Klimaaktivisten: Das Demonstrationsrecht hat Grenzen
Grundsätzlich ist ziviler Ungehorsam eine legitime Form des Protestes, um mit öffentlicher Aufmerksamkeit politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Auch wenn die „Letzte Generation“ im Moment viele Schlagzeilen macht: Letztlich ist die Gruppe zu klein und mit ihrer Strategie zu spaltend, als dass sie damit wirklich Breitenwirkung und Schlagkraft entfalten könnte. Doch so lange die Klimakrise anhält, wird es neue, andere Protestformen geben, die hoffentlich mehrheitsfähiger sein werden, damit politische Entscheidungsträger nicht wegschauen können.
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