Zu dumm nur, dass die Berliner Ampelregierung diese Forderung kurz vor dem Urnengang abgeräumt hatte. Nun ist es eine Ironie der Geschichte, dass die FDP, die dies neben der CDU am lautesten gefordert hatte, den Einzug in den saarländischen Landtag erneut verfehlt hat. Aber natürlich zeigt dies, wie die Berliner Realpolitik die Chancen des Populisten Tobias Hans pulverisiert hat.
Genauso muss man sich die Frage stellen, warum SPD-Spitzenfrau Anke Rehlinger als Kandidatin der Sozialdemokraten an der Saar 2017 noch krachend gescheitert ist, während sie jetzt für ihre Partei eine absolute Mehrheit holen konnte. Natürlich hat das auch mit ihrer überzeugenden Arbeit als saarländische Wirtschaftsministerin, ihrer hohen Glaubwürdigkeit bei den Bürgern und der Selbstdemontage von Grünen und Linken an der Saar zu tun.
Doch selbstverständlich hat es auch einen Unterschied gemacht, ob in Berlin Olaf Scholz oder Angela Merkel regiert. 2017 war der Sieg der Mini-Merkel Annegret Kramp-Karrenbauer der erste Schritt zur Wiederwahl Merkels, auf die wohl nach der Flüchtlingskrise 2015/2016 kaum noch jemand gewettet hätte. Und es war der Beginn des beispiellosen Absturzes von SPD-Überflieger Schulz. Die Bundespolitik setzt also immer auch eine Grundstimmung für die Wähler, die ihnen bei ihrer Entscheidung hilft, ob eine Partei regierungsfähig ist. Besonders in Krisenzeiten hat da die eher geräuschlos in Berlin regierende SPD von Kanzler Scholz klar die Nase vorn.
Zu Rehlingers Triumph dürfte aber noch eine weitere, zunächst bundespolitisch gewonnene Erkenntnis der SPD beigetragen haben: Während sie zu Merkels Zeiten in der Regierung trotz aller inhaltlicher Erfolge meist zerrieben und verzwergt wurde, hat Scholz bewiesen, dass man aus der Regierung auch an die Macht kommen kann – wenn der Herausforderer der Union schwach ist. Das galt für Armin Laschet ebenso wie jetzt für Tobias Hans, der AKK beerbte, ohne sich selbst je dem Wähler stellen zu müssen. So erfolgreich diese Strategie an der Spree und an der Saar war, so sehr dürften die Landtagswahlen in NRW und in Schleswig-Holstein zur eigentlichen Nagelprobe für die Kanzlerpartei SPD werden.
Denn dort regiert die CDU nicht mit den Sozialdemokraten, sondern mit deren Berliner Ampelpartnern. In Düsseldorf und Kiel muss die SPD also beweisen, dass sie ihre einstigen Bastionen auch aus der Opposition heraus zurückgewinnen kann. Dafür braucht es eine andere Strategie, starke Kandidaten und noch mehr Überzeugungskraft als im Saarland.
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