Mainz (dpa/lrs) – Die Spuren der aktuell größten Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter führen auch nach Rheinland-Pfalz. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Verein namens «Königreich Deutschland» verboten. Vier mutmaßliche Rädelsführer wurden festgenommen – einer davon im Landkreis Bad Dürkheim.
Was sind Reichsbürger?
Sogenannte Reichsbürger sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie behaupten fälschlicherweise, dass das Deutsche Reich weiterhin bestehe. Sogenannte Reichsbürger weigern sich auch oft, Steuern, Bußgelder oder Sozialabgaben zu zahlen.
Die Gruppen der «Reichsbürger», «Souveränisten» und auch «Selbstverwalter» sind äußert heterogen – in ihrer Weltanschauung, aber auch in der Struktur. Einige dieser Gruppierungen berufen sich auf ein selbst definiertes «Naturrecht», andere auf das historische Deutsche Reich. Viele unter ihnen behaupten, die Bundesrepublik sei in Wirklichkeit kein Staat, sondern ein Unternehmen. Einige haben rechtsextreme oder antisemitische Ansichten.
Auch das aktuelle Weltgeschehen hat Einfluss auf die Szene – etwa die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg in der Ukraine. «Die hieraus resultierende allgemeine, teilweise übersteigerte Unzufriedenheit mit dem Staat und seinen Repräsentantinnen und Repräsentanten dürfte zur Motivlage beigetragen haben», heißt es im Verfassungssschutzbericht.
Wie viele «Reichsbürger» gibt es in Rheinland-Pfalz?
Im aktuellsten Verfassungsschutzbericht des Landes heißt es, rund 1.050 Menschen seien 2023 dem Spektrum von sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern zuzurechnen. Davon seien 160 gewaltorientiert. Ein Jahr davor waren es insgesamt noch rund 950 Menschen und 140 Gewaltorientierte.
Was ist über den aktuellen Fall bekannt?
Die Bundesanwaltschaft hat vier mutmaßliche Rädelsführer der verbotenen «Reichsbürger»-Gruppe «Königreich Deutschland» festnehmen lassen, darunter einen im rheinland-pfälzischen Landkreis Bad Dürkheim.
Über 30 rheinland-pfälzische Kräfte des Landeskriminalamtes, des Polizeipräsidiums Einsatz, Logistik und Technik sowie des Polizeipräsidiums Rheinpfalz seien bei der polizeilichen Maßnahmen im pfälzischen Gönnheim im Einsatz gewesen, berichtete der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling (SPD). Einzelheiten zu der festgenommenen Person und den Verfahrensumständen gab es vom Innenministerium in Mainz nicht.
«Ich begrüße ausdrücklich das Verbot der Gruppierung, denn das „Königreich Deutschland“ ist keine harmlose Spinnerei, sondern ein gefährliches Konstrukt aus Staatsleugnung, ideologischer Verblendung und autoritären Machtfantasien», sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Die Gruppierung stehe exemplarisch für die strukturellen und ideologischen Gefahren, die von der «Reichsbürger»-Bewegung ausgingen.
Wie gefährlich sind Reichsbürger?
Viele «Reichsbürger» sind waffenaffin. Für die nun verbotene Gruppierung, die auch in sozialen Netzwerken um Anhänger warb, gilt das nicht. Es wurden bisher «keine relevanten Waffen» gefunden, berichtete Dobrindt nach Beginn der Durchsuchungen.
Dennoch: Solche Gruppierungen beabsichtigen oft, die demokratischen Strukturen des Staates abzuschaffen. Im rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzbericht für 2023 heißt es: «Von der Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ geht weiterhin eine nicht zu unterschätzende Gefahr aus.»
Welche Fälle gibt es noch?
Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten vor allem ein Prozess im Nachbarland Hessen um die «Reichsbürger»-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart.
Im Verfassungsschutzbericht wird der Prozess gegen die Gruppierung um Heinrich XIII. Prinz R. als Beispiel dafür herangezogen, dass sich die Bewegung nicht mehr nur gegen die Behörden, sondern auch gegen den Staat als solchen richtet. Ziel der Gruppe sei «die Beseitigung der staatlichen Ordnung und die Etablierung eines wie auch immer gearteten „eigenen“ Systems» gewesen.
In Koblenz wurden zudem die Rädelsführer einer Terrorgruppe namens «Vereinte Patrioten» vom Oberlandesgericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten den Umsturz der Regierung, einen mehrwöchigen Stromausfall und die Entführung des damaligen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant. Unter den Verurteilten war auch eine ehemalige Lehrerin aus Mainz.
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