Wie soll die Endlagersuche aus Sicht der Kommission ablaufen?
Wir haben ein Verfahren vorgeschlagen, das aus drei Phasen besteht: In der ersten geht man von einer weißen Deutschlandkarte aus. Man schaut also, welche Informationen wir über die drei möglichen Wirtsgesteine Salz, Ton und Kristallin haben. Auf der Basis vorhandener Daten wird dann ermittelt, welche Standortregionen für eine übertägige Erkundung – also oberflächennahe Bohrungen oder seismische Untersuchungen – infrage kommen. Die neu zu schaffende Bundesgesellschaft für Entsorgung radioaktiver Abfälle (BGE) wird zum Abschluss von Phase eins einen Bericht vorlegen. Diese Gesellschaft in 100-prozentigem Besitz des Bundes wird alle derzeitigen Endlagerstandorte betreiben, also Gorleben, Konrad und die Asse. Parallel dazu wird es ein neues Bundesamt für kerntechnische Sicherheit als Aufsichtsbehörde geben, die den Bericht prüft. Abschließend mündet dies in einer Entscheidung des Bundestages.
Wann endet die erste Phase?
Ich gehe davon aus, dass sie in drei Jahren abgewickelt werden kann. Geplant ist, dass der Bundestag über unser Konzept am Ende dieses Jahres entscheidet. Die erste Phase wäre dann 2020 abgeschlossen.
Was passiert in Phase zwei?
Dann werden im Wesentlichen geophysikalische Untersuchungen in den ausgewählten Regionen gemacht. Es wird alles zusammengetragen, was man von der Oberfläche aus an Informationen gewinnen kann. Am Ende von Phase zwei legt die BGE erneut einen Bericht vor, den das Bundesamt prüft. Der Bundestag beschließt dann, welche Standorte in eine untertägige Erkundung gehen. Dann geht man in Phase drei mit Tiefenbohrungen in den Endlagerstandort hinein. Danach schlägt das Bundesamt aus rein wissenschaftlichen, nicht politischen Gründen einen Endlagerstandort vor, über den der Bundestag entscheidet. Die Umweltverbände haben sich aber zu Recht eine Rechtsschutzmöglichkeit gewünscht, die es jetzt an zwei Stellen geben soll: wenn die Standorte für die untertägige Standorterkundung festgelegt werden und dann bei der Standortentscheidung. Aber es gibt nur noch einen Rechtsweg bei einer Instanz, dem Bundesverwaltungsgericht.
Es wird also die Entscheidung nur über einen Standort geben?
Richtig. Am Ende wird es eine Entscheidung über nur einen Endlagerstandort geben müssen
Wann wird dies entschieden?
Es gibt eine gesetzliche Vorgabe: Demnach soll der Standort bis 2031 feststehen, das Endlager soll 2050 in Betrieb gehen. Das ist ambitioniert, aber zu schaffen. Man muss bedenken, dass die hoch radioaktiven Abfälle bis dahin obertägig zwischengelagert werden müssen. Das ist zwar sicher, aber nicht über sehr lange Zeiträume. Deshalb müssen wir diese hoch gefährlichen radioaktiven Abfälle so schnell wie möglich in ein sicheres Endlager bringen. Dafür müssen wir den politischen Druck aufrechterhalten. John F. Kennedy hatte 1961 prophezeit, dass die Amerikaner bis zum Ende des Jahrzehnts einen Menschen sicher zum Mond bringen. Da haben ihn alle ausgelacht. Jetzt müssen sich alle Politiker anstrengen, um bis zur Mitte des Jahrhunderts eine Lösung für diese hoch radioaktiven Abfälle zu haben. Und wir müssen bedenken, dass die Genehmigungen für Zwischenlager auf 40 Jahre befristet sind. Eine Verlängerung wäre sehr aufwendig.
Was ändert sich denn bei den Zwischenlagern?
Die Kommission hat eine Konzentration auf wenige Zwischenlagerstandorte vorgeschlagen. Es sollte solche Zwischenlager nicht an allen Kraftwerken über einen so langen Zeitraum geben.
Sie sprechen von einer weißen Landkarte. Das heißt, Rheinland-Pfalz ist nicht aus dem Spiel?
(schmunzelt) Grundsätzlich sind alle Wirtsgesteine in Deutschland denkbar. Aufgrund meiner Fachkenntnisse weiß ich aber, dass es in Rheinland-Pfalz keine geeigneten geologischen Verhältnisse für ein Endlager gibt.
Es werden also schnell Regionen wie die Stadtstaaten ausscheiden?
Sicherlich wird niemand auf die Idee kommen, unter der Millionenstadt Berlin ein Endlager zu bauen. Aber es wird nichts von vornherein ausgeschlossen. Konzentrieren wird sich die Suche aber auf Salz-, Ton- und Kristallinvorkommen. Salzvorkommen befinden sich im Wesentlichen in Norddeutschland, Ton gibt es in Baden-Württemberg und Bayern sowie in einem Streifen von NRW bis Mecklenburg-Vorpommern. Neu hinzugekommen sind interessante Erkenntnisse der Uni Duisburg: Die Forscher haben vorgeschlagen Kristallinvorkommen unter einer dichten Ton- und Salzschicht in Thüringen, Hessen und Bayern zu untersuchen. Der Vorteil von Kristallin ist, dass man relativ stabile Hohlräume schaffen kann. Kristallin ist jedoch brüchig. Wenn sich darüber aber eine abdichtende Ton- und Salzschicht befindet, könnte man die Vorteile aller Wirtsgesteine zusammenführen.
Ist Gorleben aus dem Spiel?
Gorleben wird aufgrund unserer Kriterien ausscheiden. Gorleben hat große Symbolwirkung. Deshalb wollten einige den Standort bereits in unserem Bericht ausschließen. Das wäre aber falsch, weil es zur Legendenbildung beigetragen hätte. Ich bin der Meinung: In einem wirklich fairen Verfahren, das auf rein wissenschaftlichen Kriterien basiert, wird Gorleben ausscheiden. Man wird feststellen, dass es besser geeignete Standorte gibt. Für mich ist Gorleben verbrannt.
Symbolisiert Gorleben das Gegenteil von dem, was jetzt geschieht?
Ja. Wir haben sehr viele Kontroll- und Überprüfungsinstanzen in das Verfahren eingebaut. Außerdem ist das System selbsthinterfragend. Wir brauchen auch im Wissenschaftsbereich Kontrollen. Die Ergebnisse sollen in Kolloquien öffentlich diskutiert werden. In Gorleben gab es nur kleine Zirkel, wo man sich auf die Schultern geklopft hat. Es wird ein nationales Begleitgremium geben, in dem anerkannte Persönlichkeiten vertreten sind, vom Bundestag ernannt, und Bürger nach dem Zufallsprinzip. Das Gremium hat eine Wächterfunktion und soll sicherstellen, dass das Verfahren fair, transparent und offen zugeht.
Was ist noch geplant?
Ab Phase zwei sollen in allen Standortregionen permanente Konferenzen eingerichtet werden, die alle Ergebnisse diskutieren. Diese Regionalkonferenzen haben auch ein Nachprüfrecht. Sie können in Phase zwei und drei jeweils einmal einfordern, dass Informationen überprüft werden. Die Konferenzen sollen sich zu je einem Drittel aus Vertretern der Gebietskörperschaften, gesellschaftlicher Gruppen sowie Bürgern zusammensetzen. Es ist ein sehr basisdemokratisches Verfahren.
Hält sich die Politik wirklich raus?
Natürlich wird die Endlagerfrage immer eine sehr politische sein. Um den Standort wird man ringen. Deshalb ist es so wichtig, dass das Verfahren wissenschaftsbasiert und für jeden nachvollziehbar ist. Nur dann wird die Entscheidung auch akzeptiert werden. Und natürlich wird es eine Kompensation für die betroffene Region geben müssen.
Das Gespräch führte Christian Kunst