Mainz – Die Kirchenoberen in Rheinland-Pfalz haben die Gläubigen zu Weihnachten zu einem offenen Blick auf die Welt, zur Wahrheitssuche und zum Einsatz für den Frieden aufgerufen. Der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, mahnte, Weihnachten nicht einfach als „ein Welttheater“ zu sehen. „Wenn das Fest zu Ende geht, wird leider alles schnell wieder wie eine Kulisse abgebaut bis zum nächsten Jahr. Dies aber wäre das größte Missverständnis“, sagte er in seiner Predigt am Samstag im Mainzer Dom laut einer Mitteilung. Gegenüber dem intimen Milieu der Weihnachtsgeschichte vernachlässigten die Menschen oft diesen Blick auf die ganze Welt hin. „Wir wollen uns jedoch gerade heute dieser weltweiten Dimension von Weihnachten stellen. Sonst sind wir in Gefahr, Weihnachten romantisch in eine weltabgewandte Ecke zu stellen“, sagte Lehmann. Hinter der Krippe stehe das Kreuz. „Die Heiligen um das Weihnachtsfest herum, allen voran Stephanus, sprechen uns auf unser Zeugnis für diesen Jesus an: in unserem Verhältnis zu Hause untereinander, in unseren Lebenskreisen, zu den Fremden bei uns, zu den leidenden und bedrängten Menschen, nicht zuletzt aber zu denen, die im Schatten dieses Festes leben“, predigte der Kardinal. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann bezog sich in seiner Weihnachtspredigt auch auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. „Gerade als Kirche mussten wir in dem nun zu Ende gehenden Jahr erleben, wie dunkel, wie schmerzlich und wie abstoßend die Aufdeckung der Wahrheit über Situationen und Menschen sein kann“, sagte er laut einer Mitteilung des Bischöflichen Generalvikariats im Trierer Dom. Ackermann lud die Gläubigen dazu ein, sich mit dem sperrigen Begriff der Wahrheit zu beschäftigen. Nicht nur die Aufklärung, sondern auch die „menschenverachtenden Ideologien und totalitären Diktaturen“ des vergangenen Jahrhunderts hätten die Menschen misstrauisch gemacht, wenn jemand behaupte, die Wahrheit in seinem Besitz zu haben. Hinzu komme die Erfahrung, dass die Wahrheit, wenn sie ans Licht komme, meistens „enttäuschend und schmutzig“ sei. Ackermann ist der Sonderbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Zum Einsatz für den Frieden und die Armen rief der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Weihnachtspredigt in Speyer auf. „Unsere Erde ist gezeichnet von Leid und Unfrieden, von Armut dort und Reichtum hier: Gräben der Ungerechtigkeit durchziehen sie“, hieß es in dem vorab verbreiteten Predigttext des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Briefe und Meldungen der Soldaten aus Afghanistan etwa zeigten, dass Krieg mitten im Frieden nicht fern, sondern „bittere Realität“ sei. Der Bischof von Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, betonte in seiner Predigt die Würde jedes einzelnen Menschen und die Unantastbarkeit des Lebens. Gott liebe das Einmalige, das Individuelle, sagte er laut Mitteilung. Das stelle den Glauben manchmal auf eine harte Probe, etwa wenn es gelte, behindertes Leben oder Krankheit genauso anzunehmen wie Gesundheit und Wohlergehen. In der heutigen Zeit vergesse der Mensch oft seine gottgeschenkte Individualität. „Der geklonte, genetisch entschlüsselte Mensch, der künstlich erzeugte Mensch, der keine natürlichen Eltern mehr besitzt; der vollständig geplante, wie ein Baukasten nach eigenen Präferenzen und Nützlichkeiten zusammengesetzte Mensch – all das sind keine wilden Fiktionen mehr“, kritisierte Wiesemann.
Kirchenobere in Rheinland-Pfalz: Weihnachten ist kein "Welttheater"

Kardinal Karl Lehmann.
DPA
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