Die Ermittlungen zur Ahr-Flut bleiben ohne strafrechtliche Konsequenzen, hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz am Donnerstag bekannt geben und ihre Entscheidung ausführlich begründet. Der Vorgang wird auch noch den Rechtsausschuss des Landes in einer Sondersitzung beschäftigten, Justizminister Herbert Mertin (FDP) kündigte an, dort am Dienstag (23. April) über die Ergebnisse zu informieren. Zudem erklärte er gegenüber unserer Zeitung, dass er keinesfalls Einfluss auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft hätte nehmen dürfen, wie es Kritiker fordern. Nahezu jedem leuchte ein, „dass es in Strafverfahren nicht von der persönlichen Gunst oder Missgunst des Justizministers abhängen darf, ob es zu einer Anklage kommt oder nicht.“
Betroffene können ihr Recht geltend machen
Auch nach einer Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft können, so erklärt Mertin, Betroffene ihre Rechte geltend machen. Die Möglichkeiten reichten bis hin zu einem Klageerzwingungsverfahren, in dem ein unabhängiges Gericht – in diesem Fall das Oberlandesgericht Koblenz – die Entscheidung der Staatsanwaltschaft überprüft.
Der Koblenzer Rechtsanwalt Christian Hecken, von 2014 bis 2015 selbst Staatsanwalt in NRW, wertet es aber als Justizskandal, dass Mertin nicht von seinem Recht Gebrauch mache, Staatsanwälte auszutauschen. Andere Juristen aber verstehen Mertins Haltung im Gegenteil als Beleg für einen funktionierenden Rechtsstaat.
Das wäre ein Tabubruch.
Justizminister Mertin lehnt es ab, politisch in Entscheidungen von Staatsanwälten einzugreifen.
In der Tat gehört Deutschland noch zu den Ländern, in denen Staatsanwälte weisungsgebunden sind und von Fällen abgezogen werden können. Aber: Dies rügt die Europäische Kommission regelmäßig in Rechtsstaatsberichten. Und: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat deutschen Staatsanwälten wegen mangelnder Unabhängigkeit bereits die Befugnis abgesprochen, einen Europäischen Haftbefehl auszustellen. Daher hat die Bundesregierung eine Gesetzesänderung vereinbart, aber noch nicht umgesetzt. Der Deutsche Richterbund hat die Reform Ende 2023 angemahnt und gefordert, dass Justizminister „ihre aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden Durchgriffsrechte“ aufgeben.
Mertin würde sich kaum dagegen sperren. Er hielte es für einen Tabubruch, in Einzelfällen in Entscheidungen von Staatsanwälten politisch einzugreifen. Ein solches Vorgehen ist aus seiner langen Amtszeit nicht bekannt, würde aber im Grundsatz auch eine große Empörungswelle nicht nur im Land auslösen – egal, wie man eine einzelne Entscheidung von Staatsanwälten persönlich bewertet.
Beschwerde zurückgewiesen
Auf Mertins Linie liegt es daher, dass er die massive Kritik des Anwalts an der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft als Dienstaufsichtsbeschwerde an die Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft als Dienst- und Fachaufsicht weiterleitete. Die hat diese prompt „als unbegründet zurückgewiesen“. Damit konnte die Staatsanwaltschaft Koblenz – bundesweit beachtet – öffentlich begründen, warum sie eine Anklage ablehnt.