Wenn diese Karten nun nicht mehr aus Plastik wären, „dann reden wir von einem globalen Einsparpotenzial von 15.000 bis 20.000 Tonnen PVC“, sagt Claudius Pawliczek, Bereichsleiter und Prokurist der Raiffeisendruckerei in Neuwied. Eine große Menge – und genau das ist der Grund, warum hinter einer schmucklosen Fassade am Stadtrand von Neuwied so großes Potenzial schlummert.
Die Raiffeisendruckerei ist nicht nur einer von ganz wenigen Produzenten von Bankkarten in Deutschland und verschickt jährlich 10 bis 14 Millionen von ihnen, unter anderem an alle Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken bundesweit – sie ist auch weltweit das einzige Unternehmen, das seit einigen Monaten maximal nachhaltige Karten aus Holz herstellt.
Karte erfüllt die mechanischen Ansprüche der Lizenzgeber
Es finden sich keinerlei Kunststoffe im Kartenkörper: kein PVC, aus dem die herkömmlichen Karten bestehen, aber auch keine Folien oder Ähnliches. Selbst der Kleber ist biologisch abbaubar. „Die Karte muss den strengen mechanischen Ansprüchen der Lizenzgeber entsprechen, damit sie zugelassen wird, und wir haben das als Einzige ohne Zusätze von Plastik oder Metall im Kartenkörper geschafft“, sagt Marco Rummer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DG Nexolution, die alles vertreibt, was Banken brauchen, vom Bürostuhl bis zum Formular. Oder eben Geldkarten, die die Raiffeisendruckerei, eine Tochter der DG Nexolution, produziert.
Die Schriftzüge auf den Holzkarten – etwa der Name des Karteninhabers oder die IBAN – sind eingelasert, also quasi eingebrannt. Allein die Schriftzüge von Mastercard und Visa sind meistens noch farbig in einem Prägeverfahren aufgebracht. Aber hier laufen bereits Verhandlungen, sagt Pawliczek: „Aktuell sieht es gut aus.“
Auf Maisstärke und recyceltes PVC folgt Holz
„Wir wollten selbst noch nachhaltiger produzieren, und eine Bank wollte eine grundsätzlich nachhaltige Karte auf Basis von natürlichen Rohstoffen“, sagt Rummer. Die Raiffeisendruckerei produzierte zu diesem Zeitpunkt bereits Karten aus Maisstärke oder recyceltem PVC, aber es sollte mehr sein. Gemeinsam suchte man also internationale Partner und wurde in der Schweiz fündig. Und letztlich konnte im Herbst 2022 die erste Holzkarte von Neuwied aus verschickt werden.
Vorausgegangen waren intensive Vorbereitungen, unter anderem mussten Maschinen entwickelt oder angepasst werden, die es noch überhaupt nicht gab, erzählt Rummer. „Der Unterschied ist: Holz ist nicht so homogen, deshalb müssen wir spezielle Schritte machen, die bei PVC nicht nötig sind“, erklärt Stefan Udert, Leiter der Kartenproduktion bei der Raiffeisendruckerei. „Die Karten wölben sich zum Beispiel je nachdem, ob das Holz längs oder quer geschnitten ist“, ergänzt Rummer. „Im Moment lernen wir selbst noch viel dazu.“
Das Prinzip ist aber ähnlich wie bei den herkömmlichen Karten, die in Neuwied 130 Mitarbeiter plus 30 bis 45 zusätzliche Kräfte in der „Hauptsaison“ herstellen, wenn die Banken alle vier Jahre sämtliche Karten ihrer Kunden austauschen. Zig Schritte, zig Räume, zig verschiedene Maschinen sind nötig, um eine Bankkarte herzustellen – und das unter höchsten Sicherheitsstandards, schließlich hat man es nicht nur mit Karten zu tun, sondern mit sensiblen Kundendaten und auch mit den PINs, die ebenfalls von Neuwied aus verschickt werden.
Zunächst wird der Kartenrohling produziert, davon werden im Schnitt 25.000 bis 30.000 am Tag gefertigt, zu Spitzenzeiten bis zu 70.000. Aus großen Bögen, die aus fünf miteinander verklebten Schichten bestehen, wird die Karte ausgestanzt. In der Mittellage etwa befindet sich eine Antenne aus Kupferdraht, die für das kontaktlose Bezahlen nötig ist. Für Holzkarten wird hier Furnier verwendet statt PVC.
60.000 Holzkarten im letzten Jahr – in Zukunft mehrere Millionen?
Dann wird der Chip eingebracht, der zunächst aber noch nicht beschrieben ist. „Diese Rohlinge produzieren wir auf Vorrat und lagern sie in Tresoren. Und aus diesen Beständen bedienen wir uns dann“, schildert Udert. Etwa 3,5 Millionen Rohlinge sind immer auf Lager.
Wenn eine neue Karte angefordert wird – etwa weil der Kunde diese verloren hat oder diese ausgetauscht wird –, wird der Rohling personalisiert. Mit einem Laser wird unter anderem der Name des Inhabers aufgebracht, und der Chip und der Magnetstreifen werden beschrieben. Dann wird noch das Anschreiben gedruckt, die Karte platziert, eine Broschüre oder Ähnliches beigelegt und das Ganze versandt.
Noch sind 99 Prozent der Bankkarten, die in Neuwied auf diese Weise gefertigt werden, aus Plastik, zumeist aber aus recyceltem Plastik. Bislang wurden nur etwa 60.000 Holzkarten produziert. Aber man sieht hier großes Potenzial – und das Interesse steigt stark, auch international, sagt Vorstandsvize Marco Rummer. In Europa sei das Interesse besonders groß, zudem auch in Amerika. Im Dezember erst war er selbst zu Gesprächen in verschiedenen asiatischen Ländern. Über Holzkarten zu wachsen, „das ist das Ziel“, sagt er. In den nächsten Jahren will die Raiffeisendruckerei diese in zweistelliger Millionenhöhe ausgeben.
Bedarf an weiteren Maschinen zeichnet sich ab
Jetzt wurde erst einmal ein Produktionsbereich für die Holzkarten im bestehenden Gebäude der Raiffeisendruckerei geschaffen, gerade erst wurde dafür zum Beispiel eine große Anlage geliefert, um die Bögen zu laminieren, aus denen die Karten ausgestanzt werden. „Wir sehen aber schon jetzt Bedarf an weiteren Maschinen“, sagt Rummer. Am Standort Neuwied sei noch Platz, um zu wachsen, „außerdem werden wir auf internationale Produktionspartner vor Ort zurückgreifen“.
Den Geschäftszweck der Raiffeisendruckerei selbst sieht man schon längst nicht mehr im Namen. 1881 von Raiffeisen selbst gegründet, wird heute zum Beispiel kaum noch mit Papier gearbeitet. Und gerade mit den Holzkarten habe man einen spannenden neuen Weg eingeschlagen. Für Prokurist Claudius Pawliczek ist das Pioniergeist: „Wir wissen, wo die Reise hingeht. Aber wir wissen noch nicht genau, was uns erwartet.“