Bildung in Rheinland-Pfalz
Immer mehr Kinder bleiben schon in Grundschule sitzen
Viele Grundschüler haben Probleme beim Lesen und Schreiben.
Sebastian Gollnow. picture alliance/dpa

Die Defizite bei rheinland-pfälzischen Grundschülern scheinen immer größer zu werden. Die Zahl der Wiederholer in den ersten bis vierten Klassen steigt auf ein Rekordhoch.

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In Rheinland-Pfalz müssen immer mehr Kinder bereits in der Grundschule eine Klasse wiederholen. Mit Beginn des Schuljahres 2024 blieben deutlich mehr Kinder sitzen als in den sechs Schuljahren zuvor. Das geht aus neuen Zahlen des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums hervor, die unserer Zeitung exklusiv vorliegen. Demnach mussten 2024 von insgesamt 161.463 Grundschülern mehr als 4803 Kinder eine Klassenstufe zwischen eins und vier wiederholen. Zu Beginn des Schuljahres 2023 waren es noch knapp 350 weniger, 2018 sogar mehr als 1800 weniger.

Der Trend erklärt sich teilweise aus der stark gestiegenen Schülerzahl. Knapp 23.000 Kinder mehr als vor sechs Jahren gehen heute in die rheinland-pfälzischen Grundschulen. Das liegt vor allem an der großen Zahl geflüchteter Kinder, die das Land etwa aus der Ukraine aufgenommen hat. Aber auch verhältnismäßig war die Zahl der Wiederholer in Grundschulen in den vergangenen Jahren nie so hoch wie derzeit: 2024 blieben 3 Prozent aller Grundschüler sitzen, 2023 waren es 2,8, 2022 lag die Zahl bei 1,8 Prozent.

Auffällig sind die Werte in den ersten Klassen. Allein dort wiederholten dieses Schuljahr 3,6 Prozent der Kinder die Klasse. Vor allem die Gräfenau-Grundschule in Ludwigshafen hat als Extrembeispiel immer wieder für Aufsehen gesorgt. Nach Angaben der Schulleiterin könnten dort in diesem Jahr allein 35 Erstklässler sitzenbleiben. Dabei ist das Wiederholen der ersten Klasse in Rheinland-Pfalz eigentlich gar nicht vorgesehen. Die Klassenstufen eins und zwei werden laut Grundschulordnung als Einheit betrachtet – Sitzenbleiben gilt daher eigentlich nur als theoretische Option.

Der rheinland-pfälzische Philologenverband hatte die Ampel-Landesregierung bereits im vergangenen Jahr scharf für die Entwicklung kritisiert. Die Zahlen zeigten, dass im Bildungssystem etwas nicht in Ordnung sei, sagte deren Vorsitzende, Cornelia Schwartz, unserer Zeitung. Sie sieht ein Hauptproblem darin, dass die Kinder nicht richtig Deutsch sprechen können, wenn sie aus der Kita in die Schule kommen. Das betreffe vor allem zugewanderte Kinder. Aber zunehmend seien es auch Deutsche, die mit großen Defiziten in die Schule kämen.

Das zuständige Bildungsministerium sieht sich trotz der seit Jahren steigenden Zahl an Wiederholern in den Grundschulen auf dem richtigen Weg. Die Situation sei „nicht von einem Tag auf den anderen veränderbar“, sagte ein Sprecher. Allerdings zeigten die Maßnahmen Erfolg, was man im Bildungsministerium an den langsamer steigendenden Zahlen der Wiederholer in den dritten und vierten Klassen fest macht. Laut Ministerium sollen die Kinder besser langsamer die erste und zweite Klasse absolvieren und dafür gut vorbereitet in die Stufen drei und vier wechseln.

Land will mit „First Class“ gegensteuern

Dass Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) die Probleme beim Übergang von der Kita in die Grundschule sieht, hat er mehrfach kundgetan. Bei seinem Amtsantritt kündigte er an, das Aufstiegsversprechen erneuern zu wollen. Seine Landesregierung will etwa mit dem neuen Programm „First Class“ an Schulen „in herausfordernden Lagen“ gegensteuern. Zunächst gibt es das Programm allerdings nur an 30 Standorten – mit jeweils einer halben Stelle zusätzlichem Personal. seb

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