Gespräch mit Amy Lopez’ Vater
„Ich wünschte, ich könnte ihrem Mörder vergeben“
Amy Lopez verband eine sehr enge Beziehung mit ihrem Vater Robert Rimbau. Ihre Mutter starb, als sie noch ein Kind war. Rimbau nahm seine Tochter gern mit auf Reisen in alle Welt.
Robert Rimbau

1994 wird die US-Touristin Amy Lopez auf der Festung Ehrenbreitstein ermordet. Seither liegen Trauer und Schmerz wie ein dunkler Schatten über ihrer Familie. 31 Jahre nach dem Verbrechen will ihr Vater Robert Rimbau endlich seinen Frieden finden.

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Es ist ein Anruf im September 1994, der das Leben von Robert Rimbau für immer in ein Vorher und ein Nachher teilen wird. Mit seiner geliebten Tochter Amy Lopez – und ohne sie. Der damals 54-Jährige ist gerade auf einem Geschäftstreffen in New York, als sich sein Chef vom US-Energiekonzern Enron bei ihm meldet. Die Stimme am anderen Ende der Leitung ist belegt. „Er sagte, dass die US-Botschaft ihm eben mitgeteilt hat, dass meine Tochter ermordet worden ist.“ Die Welt des Familienvaters zerbricht.

Rimbau stürzt in ein tiefes Loch. Erst elf Jahre zuvor hat den gebürtigen Argentinier ein schwerer Schicksalsschlag ereilt. 1983 ist seine Frau gestorben. Damals ist Amy noch ein Kind. Deshalb ist die Beziehung zu ihr und ihrem Bruder Walter besonders eng. „Meine Tochter zu verlieren, war noch mal schmerzhafter“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Für einen Moment wird es still am Hörer. Rimbau kämpft mit seinen Emotionen. Erinnerungen kommen hoch. „Das hat mich sehr tief getroffen.“

Wer in Texas aufwächst, hat das Reiten praktisch in seiner DNA. Auch Amy Lopez liebte Pferde. Ihr Vater Robert Rimbau beschreibt sie als kontaktfreudig und weltoffen.
Robert Rimbau

Noch einen Tag vor ihrem grausamen Tod hat er mit Amy telefoniert. Die 24-Jährige übernachtet in einem Hotel in Koblenz-Rauental. Rimbau kann sich fast an jedes einzelne Wort erinnern. Amy ist bestens gelaunt. „Sie sagte mir, dass sie den Trip sehr genießt.“ Sie ist eine fröhliche und weltoffene junge Frau. Rimbau hat ihr die Europareise nach ihrem Medizinstudium geschenkt. „Sie wollte Ärztin werden.“ Das Leben liegt eigentlich noch vor ihr.

Am 25. September 1994 trennt sie sich von ihrer Reisegruppe, zu der auch ein guter Freund der Familie aus Houston gehört. „Amy wollte ihren Bruder in Barcelona besuchen“, sagt der 85-Jährige. Walter kommt gerade mit seiner Frau von seiner Hochzeitsreise aus Costa Rica und besucht Verwandte in Spanien. Die Rückflugtickets in die USA hat Amy schon gekauft. „Sie wollte wohl mit dem Zug nach Barcelona reisen“, vermutet er. Doch dort wird sie nie eintreffen.

Amy Lopez mit ihrem Bruder. Zum Abschluss ihrer Europareise Ende September 1994 wollte die 24-Jährige Walter bei Verwandten der Familie in Barcelona besuchen. Sie kam nie in Spanien an.
Robert Rimbau

Nur wenige Stunden nach dem Telefonat mit ihrem Vater ist Amy Lopez tot. Die 24-jährige US-Touristin wird auf der Festung Ehrenbreitstein ermordet. Jugendliche finden ihre Leiche am Morgen des 26. September im General-Aster-Zimmer. Wenige Tage später reist Rimbau nach Koblenz, um seine Tochter zu identifizieren. „Wir haben auch den Ort, an dem Amy ermordet worden ist, mit der gesamten Familie besucht“, erinnert er sich. Über eine moosbedeckte Treppe steigen sie in den verwahrlosten Raum, dessen Wände mit Graffiti beschmiert sind. Es ist der schlimmste Moment seines Lebens. „Jede Art von Böswilligkeit war ihr fremd“, sagt er. „Sie war so kontaktfreudig.“

Ist ihr das zum Verhängnis geworden? „Ich verstehe nicht, warum sie diesen Pfad genommen hat, der so weit von dem Hauptweg entfernt liegt“, sagt Rimbau. Die Frage lässt ihn nicht los. „Ob der Kerl sie dahin gelockt hat? Ich weiß es nicht.“ Der Tatort liegt abseits der Touristenroute. 1994 wird das General-Aster-Zimmer oft von Obdachlosen als Schlafplatz genutzt. Durch die Fenster schweift der Blick übers Rheintal. Es sind die letzten Bilder, die Amy Lopez gesehen hat. Die junge Frau wird vergewaltigt und brutal ermordet. Der Täter ist immer noch auf freiem Fuß. Wenn er noch lebt, müsste er heute zwischen 50 und 65 Jahre alt sein. „Ich hoffe, sie kriegen ihn“, sagt der 85-Jährige.

Der Fall Amy Lopez aus dem Jahr 1994 füllt in der Koblenzer Mordkommssion mehrere Aktenordner. Kriminalhauptkommissarin Simone Roeder und ihre Kollegin haben den Cold Case neu aufgerollt.
Gerhold Markus. Jens Weber

Damals mischt sich in Trauer und Schmerz auch Wut. „Als ich meine tote Tochter gesehen habe, war ich unglaublich zornig“, erinnert sich der Texaner. 31 Jahre später fühlt sich Rimbau vor allem traurig und frustriert. „Ich wünschte, ich könnte ihrem Mörder vergeben“, sagt der gläubige Katholik. „Aber ich kann es nicht.“ Was würde er ihm sagen, wenn er ihn treffen würde? Rimbau denkt kurz nach. Er weiß es nicht. „Ich hoffe nur, dass er sonst niemandem Schaden zugefügt oder eine weitere Frau vergewaltigt hat“, sagt er. „Ich wünsche mir Gerechtigkeit per Gesetz.“

Umso wichtiger ist ihm deshalb, dass die Koblenzer Mordkommission den Fall wieder neu aufgerollt hat. Denn in Houston werden alle neuen Entwicklungen in dem Cold Case übers Internet mit großem Interesse verfolgt. „Die machen einen sehr guten Job“, lobt er das Ermittlerteam um Simone Roeder. Die Kriminalhauptkommissarin kennt mittlerweile die DNA von Amys Mörder. Der genetische Code konnte im Labor des Landeskriminalamts Wiesbaden aus einer winzigen Hautschuppe isoliert werden.

Im General-Aster-Zimmer ist die US-Touristin Amy Lopez am Morgen des 26. September 1994 vergewaltigt und brutal ermordet worden. 31 Jahre später ist der Täter immer noch auf freiem Fuß, wenn er noch lebt. Aber die Kripo Koblenz hat jetzt seine DNA.
Jens Weber

Einen Treffer in ihrer Datenbank konnte die Polizei bisher allerdings noch nicht landen. Dennoch vermuten Profiler des Landeskriminalamts Mainz, dass der Täter noch weitere Verbrechen begangen haben könnte. Jetzt hoffen sie auf potenzielle Mitwisser, die ihr jahrzehntelanges Schweigen brechen. Dazu ist der Fall vor wenigen Wochen auch in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ vor einem Millionenpublikum präsentiert worden. Mit Erfolg. Bisher sind mehr als 70 neue Hinweise eingegangen. Einige davon seien recht vielversprechend. Und es werden täglich mehr. Jetzt werden sie in Koblenz von Simone Roeder und ihren Kollegen systematisch abgearbeitet.

Rimbau, der über seinen Enkel Christian auf unsere Berichterstattung zum Fall Amy Lopez aufmerksam geworden ist, wünscht sich jetzt auch Kontakt mit der Mordkommission, um auf den neuesten Stand der Ermittlungen gebracht zu werden. „Wenn die Kriminalpolizei es möchte, komme ich jederzeit nach Koblenz“, betont er. Der Texaner hat ohnehin eine Reise in die Stadt an Rhein und Mosel geplant. Wahrscheinlich im kommenden Frühjahr. Dann wird er mit seiner zweiten Frau und Sohn Walter im gleichen Hotel in Koblenz-Rauental einchecken, in dem auch Amy Lopez ihre letzte Nacht verbracht hat. „Das ist ein sehr nettes, familiäres Hotel“, betont er. Hier fühlt er sich seiner Tochter nah. Die Inhaberin kennt er schon lange. Zuletzt war er 2018 in der Stadt, die auf tragische Weise Teil seines Lebens geworden ist. Und seiner Familie.

Kriminalhauptkommissarin Simone Roeder ermittelt in dem Fall Amy Lopez, der jetzt neu aufgerollt worden ist. Bei der Ermittlerin sind nach ihrem Auftritt bei "Aktenzeichen XY... ungelöst" mehr als 70 Hinweise eingegangen.
Jens Weber

Mehr als zehn Stunden dauert der Flug über den Atlantik nach Frankfurt. 8500 Kilometer liegen zwischen Houston und Koblenz. Doch trotz seiner 85 Jahre fühlt er sich fit genug für seine Zeitreise in die Vergangenheit. „Ich habe zwei neue Knie“, scherzt er. „Ich bin in sehr guter Verfassung.“ In seinem Leben hat er schon viel Zeit in Fliegern verbracht. Als Ingenieur ist er viel rumgekommen. Europa, Kanada, Lateinamerika. „Ich habe Projekte gemanagt – den Bau von Kraftwerken etwa“, sagt er. Und oft nahm der damalige Witwer seine Kinder mit. „Ich bin mit Walter und Amy rund um die ganze Welt gereist“, erinnert er sich.

Die Familie ist Rimbau heilig. Das gilt auch für seine Enkel, die Amy nie kennenlernen durften. „Oh ja, sie wäre eine tolle Tante gewesen“ – da ist er sich sicher. Walters Tochter hat den gleichen beruflichen Weg eingeschlagen und ebenfalls einen der begehrten Plätze an der Medical School ergattert. „Sie erinnert mich sehr an Amy“, schwärmt der stolze Großvater. Enkel Christian ist Biologe an der Universität Houston. Amys tragischer Tod liegt wie ein dunkler Schatten über der Familie. „Er hat mich aber nicht zerstört“, betont Rimbau. „Man kann in der Vergangenheit verharren oder sich eine neue Zukunft aufbauen.“ Aber alle Wunden heilen nie.

Deshalb hofft er, dass der Koblenzer Festungsmord doch noch zu seinen Lebzeiten aufgeklärt wird. Dass das Verbrechen auch nach 31 Jahren noch ungesühnt ist, quält den 85-Jährigen. Und seinen Sohn Walter. In ihrer Verzweiflung hat die Familie zeitweise sogar einen Privatdetektiv auf den Fall angesetzt. Vergeblich. Jetzt hat er wieder Hoffnung, dass die Gerechtigkeit doch noch siegen wird.

„Ich könnte Frieden finden, wenn sie den Kerl haben, der Amy ermordet hat“, sagt er. Dann wird auch er in seine Heimat Argentinien zurückkehren, damit sich der Kreis schließen kann. „Im Paraná ist die Asche meines Vaters und die meiner Mutter“, sagt er. Auch Amys Asche hat er kurz nach ihrem Tod in dem Fluss verstreut. „Und wenn ich sterbe, wird auch meine Asche dort ruhen.“

An der B42 in Höhe des Felsenwegs zur Festung Ehrenbreitstein wird Amy Lopez am Morgen des 26. September 1994 zum letzten Mal lebend gesehen. Wenig später finden Jugendliche ihre Leiche im General-Aster-Zimmer.
Mordkommission Koblenz

Amy Lopez: 10.000 Euro Belohnung ausgesetzt

Die Ermittlungen der Mordkommission Koblenz haben folgendes Täterprofil ergeben: Bei dem Mann handelt es sich demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Einzeltäter zwischen 18 und 35 Jahren, der keinen persönlichen Bezug zum Opfer hatte. Die Kripo vermutet, dass er schon zuvor mit Gewalt- oder Sexualdelikten auffällig geworden ist. Der Mann hatte vermutlich einen starken regionalen Bezug zum Tatort. Vielleicht wohnte oder arbeitete er in Koblenz. Die Polizei Koblenz sucht weiter Zeugen: Wer hat Amy Lopez am 26. September 1994 zwischen 9 und 10.15 Uhr in Koblenz gesehen? Wer machte rund um die Festung Ehrenbreitstein verdächtige Beobachtungen? Gibt es weitere Personen, die an der Festung Ehrenbreitstein oder in Koblenz Opfer von Sexualstraftaten geworden sind? Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, wurde eine Belohnung in Höhe von 10.000 Euro ausgesetzt. Zeugen können sich bei der Kripo Koblenz unter Tel. 0261/103390 oder bei jeder anderen Polizeidienststelle melden. de

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