Es war eine der spektakulärsten Beschlagnahmungen in der Geschichte der Region Trier: Im März 2019 stellte ein Großaufgebot von Polizei und Behörden in einem Haus in Kordel (Landkreis Trier-Saarburg) mehr als 800 Waffen und tonnenweise Sprengstoff sicher. Die Beamten trugen bündelweise Gewehre und körbeweise Munition heraus. Ein damals 59-jähriger Mann hatte diese in seinem Haus und auf dem Grundstück gelagert. Dafür muss er sich ab Freitag vor dem Trierer Amtsgericht verantworten.
Denn all das durfte er nicht. Die Waffen- und Sprengstoffgenehmigungen waren dem Waffenhändler zuvor allesamt entzogen worden. Freiwillig wollte er das Material aber nicht abgeben. Deswegen kam es zur Razzia. Grundlage dafür war seine politische Einstellung. Der Kordeler gehört laut Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz zur sogenannten Reichsbürgerszene. Angehörige dieser Gruppe erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als souveränen Staat an.
66-Jähriger lagerte mehr als acht Tonnen Pyrotechnik
Die Trierer Staatsanwaltschaft ermittelte fünf Jahre gegen den heute 66-Jährigen. Nun kommt es zum Prozess. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, 2019 an insgesamt drei Orten – zwei im Landkreis Trier-Saarburg, einer im Saarland – insgesamt 824 Schusswaffen beziehungsweise Waffenteile ohne Erlaubnis aufbewahrt zu haben. Darunter befanden sich Pistolen, Gewehre und Revolver. Außerdem soll der nicht vorbestrafte Mann in einem weiteren Lager im Kreis knapp 8.400 Kilogramm Pyrotechnik gehortet haben.
Das Trierer Amtsgericht hat vier Termine im Juni und Juli für das Verfahren angesetzt. Los geht es am Freitag um 9 Uhr. Dem ehemaligen Waffenhändler drohen laut Gesetz wegen unerlaubtem Waffenbesitz eine Freiheitsstrafe von einem halben Jahr bis zu fünf Jahren. Der Strafrahmen für die Sprengstofflagerung spannt sich von einer Geldstrafe bis zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe.

Schon seit Jahren versucht das Land, Reichsbürgern ihre Waffenerlaubnis zu entziehen. „Keine Waffe in Reichsbürgerhand“, hatte der ehemalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) seinerzeit als Ziel ausgegeben. Vielfach ist das nach Angaben der Regierung auch gelungen. Mitte 2022 hatten noch in 86 Fällen Reichsbürger eine waffenrechtliche Erlaubnis, Ende vergangenen Jahres waren es nur noch acht.
In der Szene herrsche ein hohes Maß an Aggressivität und eine ausgeprägte Waffenaffinität, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) vergangene Woche. Deshalb hat auch der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz die Beteiligten seit 2016 im Blick. Und wie aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervorgeht, haben Reichsbürger und sogenannte Selbstverwalter das größte Personenpotenzial unter allen extremistischen Strömungen. Dazu zählen alleine in Rheinland-Pfalz insgesamt 1100 Personen.
So denkt die Gruppe der Reichsbürger und Selbstverwalter
Reichsbürger sind nach Angaben des Verfassungsschutzes kaum organisiert. Die heterogene Gruppe bestehe hauptsächlich aus Einzelpersonen. Diese teilten keine gefestigte Ideologie, sondern bedienten sich an diversen Verschwörungsfantasien. Gemeinsamer Nenner ist die Ablehnung der Rechtsordnung der Bundesrepublik, die es aus ihrer Sicht nicht gibt – daher der Name Reichsbürger. Deutschland wird von vielen als Unternehmen betrachtet, Behörden wie die Polizei gelten im Weltbild als Firmen.
„Die meisten von ihnen fallen vor allem durch ein konfrontatives Handeln gegenüber der öffentlichen Verwaltung und deren Mitarbeitern auf“, schreibt der Verfassungsschutz. Die Szene wähne sich permanent im Recht zum Widerstand. Deshalb wolle man weiter zur „konsequenten Entwaffnung der Szene“ beitragen, sagt Innenminister Ebling.
„Vereinte Patrioten“ wollten damaligen Gesundheitsminister entführen
Extremstes Beispiel: In den vergangenen Monaten war eine Gruppe, die ebenfalls zum Reichsbürgermilieu gezählt wird, vom Oberlandesgericht Koblenz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Zur Gruppe mit dem Namen „Vereinte Patrioten“ zählte auch ein Mann aus dem Kreis Trier-Saarburg. Die terroristische Vereinigung hatte den Umsturz der Bundesrepublik unter anderem durch einen länger andauernden, flächendeckenden Stromausfall geplant. Auch wollte sie den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen.

Urteil: Hohe Haftstrafen für „Vereinte Patrioten“
Vier der fünf Angeklagten im Koblenzer Reichsbürger-Prozess sind am Oberlandesgericht nun zu langen Haftstrafen verurteilt worden. 106 Verhandlungstage lang ging es dort um Blackout-Pläne und eine geplante Entführung von Karl Lauterbach.