Rheinland-Pfalz
Grundsteuer-Reform als juristischer Zankapfel: Bundesfinanzhof stärkt Rechte von Eigentümern
Grundsteuer
Die Grundsteuerreform bleibt ein Zankapfel. Jetzt hat sich der Bundesfinanzhof mit ihr befasst.
Bernd Weißbrod. picture alliance/dpa

Ist die Grundsteuer-Reform verfassungswidrig? Diese Frage beschäftigt bundesweit Gerichte. Jetzt hat der Bundesfinanzhof Zweifel an den Bewertungsregeln geäußert und stärkt Eigentümern den Rücken. Zwei Klagen aus Rheinland-Pfalz führten zu dem Entscheid. Kritiker wie Haus & Grund fordern vom Land, bei der Reform nachzusteuern. Letztlich wird wohl das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben.

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Ist die Grundsteuer-Reform nun verfassungswidrig oder nicht? Mit dieser Frage beschäftigen sich bundesweit bereits Gerichte – auch in Rheinland-Pfalz, wo das Bundesmodell des neuen Gesetzes ab 2025 angewandt werden soll. Eine grundsätzliche Antwort auf diese Frage liefert der Bundesfinanzhof (BFH) als oberstes deutsches Steuergericht in einem bereits am 27. Mai gefallenen, jetzt publik gewordenen Entscheid zwar auch nicht. Das Gericht hat allerdings Zweifel daran, ob Bewertungsregeln, nach denen die neue Grundsteuer erhoben wird, rechtmäßig sind – und hat dies mit seinem Entscheid unterstrichen.

Zwei Klagen aus Rheinland-Pfalz ausschlaggebend

Der Beschluss geht auf zwei Klagen aus Rheinland-Pfalz zurück: Die neue Grundsteuer wird unter anderem anhand von Bodenwerten von den Finanzämtern pauschal berechnet. Gegen dieses Vorgehen – oder vielmehr den vom Finanzamt zugeschickten Grundsteuerbescheiden – hatten zwei Eigentümer aus Rheinland-Pfalz vor dem Finanzgericht Koblenz geklagt. Weil es dort, wie der BFH in einer Mitteilung erläutert, „ernstliche Zweifel“ an der Neuregelung gab, schaltete man von Koblenz aus den Finanzhof in München ein.

Ein Märchen.

Haus & Grund glaubt nicht an die versprochene Aufkommensneutralität der Grundsteuer

Dieser gab nun im Eilverfahren den beiden Klägern aus Rheinland-Pfalz recht und wies die Beschwerde einer Finanzbehörde zurück: Demnach muss Eigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden, nachweisen zu können, dass ihr Grundstück wesentlich weniger wert ist als vom Finanzamt pauschal errechnet. Das BFH hält hier eine Abweichung ab 40 Prozent für angemessen. Im Bundesmodell zur neuen Grundsteuer, das Rheinland-Pfalz wie zehn weitere Bundesländer übernommen hat, war es bislang nicht vorgesehen, dass Eigentümerinnen und Eigentümer gegen die Einstufung Einspruch erheben können.

„Blamage für die Landesregierung“

Der Eigentümerverband Haus & Grund Rheinland-Pfalz, ein scharfer Kritiker der Grundsteuerreform, begrüßt den Entscheid des BFH und fordert, dass das Land unverzüglich Maßnahmen ergreift, um weitere Nachteile für Haus- und Grundeigentümer zu vermeiden, wie der Verband mitteilt. Jurist Ralf Schönfeld, Verbandsdirektor von Haus & Grund, wertet den BFH-Entscheid als „Blamage für die Landesregierung und ihr Festhalten am sogenannten Bundesmodell“.

Der Verband wie auch der Bund der Steuerzahler Rheinland-Pfalz kritisieren seit Langem, dass Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) dem Bundesmodell folgt, statt ein eigenes Bewertungsmodell anzuwenden. In der aktuellen Mitteilung bekräftigt Haus & Grund seine generelle Kritik an der Reform: Es zeige sich zunehmend, dass das Versprechen, die Grundsteuer-Reform werde aufkommensneutral gestaltet, „ein Märchen“ sei. Zudem zeichne es sich ab, dass in Rheinland-Pfalz Eigentümer privater Grundstücke mit der neuen Grundsteuer stärker zur Kasse gebeten werden als jene von gewerblich genutzten Grundstücken. Ahnen möge gegensteuern und nachbessern, fordern deshalb die beiden Verbände. Der Ausgang ist bislang offen.

Prüfung auf Bund-Länder-Ebene

Vom Bund aus wird es jedenfalls keine Nachbesserung beim Grundsteuermodell geben, hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang April erklärt – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Länder genügend Spielraum hätten, um die Vorschriften auf regionale Bedürfnisse auszurichten. Ob und wie das Problem der Schieflage zwischen der privaten und gewerblichen Grundsteuer in Mainz angepackt wird, ist derzeit offen. Eine Sprecherin des Finanzministeriums hatte Anfang April gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass geprüft werde, „welche Schlüsse wir aus der neuen Situation ziehen werden“.

Eingehend prüfen will man nun auch, wie mit der aktuellen BFH-Entscheidung zu der Bewertungsregel der Grundsteuer umzugehen ist, teilt die Sprecherin jetzt auf Anfrage unserer Zeitung mit. Diese Prüfung soll auf Bund-Länder-Ebene erfolgen. Zudem betont die Sprecherin, der BFH führe aus, dass die „pauschalierenden und typisierenden Bewertungsvorschriften nicht verfassungswidrig sind, wenn die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung besteht“.

Bundesverfassungsgericht wird wohl das letzte Wort haben

Verbandsdirektor Schönfeld weist darauf hin, dass Haus & Grund von Anfang an auch die nun vom BFH gerügte Bewertungsregel für die Grundsteuer kritisiert hat – „in aller Deutlichkeit“. Die Landesregierung täte gut daran, fordert Schönfeld, die Angelegenheit nicht weiter auszusitzen. „Vielmehr sollten sofort Maßnahmen für ein verfassungskonformes Landesgrundsteuergesetz ergriffen werden.“ Ähnliche Töne stimmen die Freien Wähler in einer aktuellen Pressemitteilung an. Der Landtags-Fraktionsvorsitzende Joachim Streit erklärt: „Einfachere, nachvollziehbarere und gerechtere Berechnungen sowie eine wirkliche Aufkommensneutralität muss das Ziel einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sein.“

Es kann erst in einem Hauptsacheverfahren entschieden werden, ob das Steuergesetz verfassungswidrig ist.

Christoph Schöll, Vorsitzender von Haus & Grund

Doch was bedeutet der Beschluss des Bundesfinanzhofs eigentlich für Eigentümerinnen und Eigentümer? Im Moment noch nichts Konkretes, erklärt Christoph Schöll, Vorsitzender von Haus & Grund. Zwar bleiben wegen des getroffenen Entscheids verfassungsrechtliche Bedenken an dem Grundsteuergesetz bestehen, eine eindeutige Aussage zur Verfassungswidrigkeit hat das Steuergericht in München aber nicht getroffen. „Es kann erst in einem Hauptsacheverfahren entschieden werden, ob das Steuergesetz verfassungswidrig ist“, sagt Schöll.

Letztlich werde das Bundesverfassungsgericht wohl das letzte Wort haben, prognostiziert er. Bis dahin sei es offen, ob versandte Bescheide zur Grundsteuer Bestand haben oder ob die Finanzämter sie aufheben müssen – dies gelte zumindest für die Bescheide, gegen die Einspruch bei den Finanzämtern erhoben wurde. Das haben – Stand Ende April – bislang 370.000 Menschen in Rheinland-Pfalz getan.

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