Über die verdächtige Post konnten die Landeszentralstelle Cybercrime (LZC) der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und die Kriminalinspektion Betzdorf jetzt ein Dealer-Netzwerk zerschlagen, dass mit den Drogen vermutlich 2,5 Millionen Euro kassierte: In zwei kleinen Orten im Kreis Altenkirchen wurden zwei 29- und 38-jährige Männer verhaftet, die zu den Hauptdrahtziehern gehören sollen. In U-Haft kamen auch zwei Hauptverdächtigte aus Duisburg und Oberhausen. Bei einer Razzia mit 139 Polizisten in Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen durchsuchten Fahnder 12 Objekte von 10 Verdächtigen.
13 Online-Shops betrieben
Die Beamten stellten Handys, Computer sowie große Mengen der sogenannten Designerdrogen fest. Allein in einem Objekt in Nordrhein-Westfalen standen etwa 50 Umzugskartons mit fast 30.000 verpackten Portionen mit jeweils mehreren Gramm „Kräutermischungen“ schon bereit, wie Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer berichtet. „Die Bande vertrieb ihre Drogen zu Grammpreisen zwischen 12 und 30 Euro über 13 Oneline-Shops im offenen Internet“.
Für Brauer ist das ganze Ausmaß der Betäubungsmittelgeschäfte der Bande noch gar nicht abschätzen. Er ließ sicherheitshalber knapp 25.000 Bargeld sowie Bankguthaben, Grundstücke und teils teure Autos im Wert von etwa 2,5 Millionen Euro pfänden.
Die Konsumenten, darunter vermutlich auch viele Jugendliche, konnten die Drogen bestellen. Brauer geht von mehreren Tausend Kunden aus: Sie bestellten die Drogen mit ein paar Klicks im Internet, bezahlten per Vorkasse oder Nachname auf Konten im In- und Ausland. Zuletzt sollen die Dealer täglich weit über 100 Päcken und Pakete per Post verschickt haben. Eine schlampige Verpackung wurde ihnen zum Verhängnis. Die Bande flog samt ihrer Kunden auf, die ebenfalls zumindest deutschlandweit mit Strafverfolgung rechnen müssen.
CDU fordert mehr Fahnder
Der erneute Drogenfall zeigt wie schon der schwunghafte Online-Rauschgiftversand „Chemical love“: Cybercrime wird immer mehr zur Massenkriminalität, wie das Landeskriminalamt (LKA) und das Innenministerium in Mainz erklären. Das LKA rechnet für 2017 mit mehr als 10.000 aufgedeckten Straftaten. Tendenz steigend. Der Drogenhandel, der sich früher auf Straße ablief, verlagert sich immer mehr ins Internet. Das Netz dient auch immer mehr für Betrügereien oder Erpressungen, die längst nicht alle angezeigt werden. Deshalb spricht das Innenministerium auf Anfrage der CDU-Fraktion von sogenannter „Holkriminalität“ – sprich Straftaten, die nur durch zähe Ermittlungsarbeit aufgespürt werden können. Da mit zunehmender Digitalisierung die Internetkriminalität zunimmt, wirft der CDU-Fraktionsvize Christian Baldauf der Landesregierung vor, „die Bekämpfung der Cyberkriminalität zu vernachlässigen“. Sie habe zwar die Landeszentralstelle bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz personell aufgestockt, nicht aber das Fachdezernat beim LKA. Dort stehen, so Baldauf, vier Staatsanwälten „ganze fünf Polizeibeamte und zwei IT-Spezialisten“ gegenüber. „Das ist viel zu wenig.“ Aufhorchen lässt den CDU-Politiker auch der Hinweis des Innenministeriums, dass eine Verstärkung „perspektivisch beabsichtigt ist“, aber derzeit der Kampf gegen die terroristische Bedrohung im Mittelpunkt steht. Baldauf hält es aber für eine „höchst fragwürdige Personalpolitik“, wenn Mangel nicht behoben, sondern nur einigermaßen gerecht verteilt werden soll.