Von unserer Redakteurin Claudia Renner
So sieht es der unter Federführung des Umweltministeriums erarbeitete Entwurf für ein Verbandsklagerecht vor. Und: Verbände können Behörden-Entscheidungen künftig daraufhin überprüfen lassen, ob diese mit Tierschutzrecht vereinbar sind. Doch kurz bevor der Landtag am heutigen Mittwoch endgültig über das neue Tierschutzgesetz abstimmt, haben SPD und Grüne die Tierschützer wieder gegen sich aufgebracht: mit einer nachgeschobenen Ausnahmeregelung für wissenschaftlich geführte Zoos wie in Neuwied und Landau.
Bisher ist nur geplant, dass die neuen Mitwirkungs- und Verbandsklagerechte sich nicht auf Tierversuchsanlagen und private Hobbytierhaltung erstrecken dürfen. Heute legen die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen einen Antrag vor, wonach auch im Zusammenhang mit Zoos keine Verbandsklage möglich sein soll.
Die Initiative geht offenbar auf die Bedenken des Zoos Neuwied zurück. Direktor Mirko Thiel hatte in seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren vor einer Klagewelle von Vereinigungen gewarnt, die aus ideologischen Beweggründen und ohne Fachkenntnisse über Wildtierhaltung die Gerichte beschäftigen würden. „Es leuchtet nicht ein, worin der Gewinn für den Tierschutz liegen soll, wenn Vereinigungen wie zum Beispiel ,Peta', ,EndZoos', ,Born free“, deren einziges Ziel unter anderem unterschiedslos die Schließung aller Zoos ist, ein Klagerecht eingeräumt wird„, schrieb Thiel. Dabei seien gerade die Zoos in Neuwied und Landau die am stärksten reglementierten und kontrollierten tierhaltenden Einrichtungen, nicht zuletzt durch mehr als eine halbe Million Besucher pro Jahr.
SPD-Abgeordnete schließen sich dem an. “Gerade die zoologischen Einrichtungen in Landau und Neuwied haben in der Vergangenheit bereits viel für den Tierschutz getan und mit Blick auf das Wohl der Tiere in moderne Anlagen investiert„, sagt Marcel Hürter, umwelt- und tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion, zusammen mit dem Neuwieder Landtagsabgeordneten Fredi Winter.
Tierschutzvereine reagieren empört. Rot-Grün betreibe “Klientelpolitik gegen den Rechtsstaat„, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Tierschutzbunds Rheinland-Pfalz und des Vereins “Menschen für Tierrechte – Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz„. Beide hatten den ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung ausdrücklich begrüßt. “Mit Entsetzen müssen wir feststellen, dass die Regierungsfraktionen die Zoos hofieren und den Entwurf der eigenen Landesregierung angreifen„, erklärt die Bad Sobernheimer Tierärztin Christiane Baumgärtl-Simons, Landesvorsitzende von “Menschen für Tierrechte„. “Wer für Zoos einen Sonderstatus fordert, hat unseren Rechtsstaat nicht verstanden.„
Andreas Lindig, Vorsitzender des Landesverbandes des Deutschen Tierschutzbundes, fügt hinzu: “Es schockiert, dass SPD und Grüne einen Zweiklassentierschutz vertreten.„ Eine Ausnahmeregelung für Zoos würde das bestehende Ungleichgewicht festschreiben, sagt Lindig: Die Zoos könnten weiterhin gegen Tierschutzauflagen der Behörden, die ihnen zu hoch erscheinen, gerichtlich vorgehen. “Aber niemand kann gegen zu niedrige Tierschutzauflagen zugunsten der Tiere klagen. Genau das will und muss die Tierschutz-Verbandsklage ohne Ausnahme ändern.„
Die CDU-Fraktion lehnt das Gesetz als überflüssig ab. “Der Entwurf schafft nur unnötige zusätzliche Bürokratie", erklärten die tierschutzpolitische Sprecherin Marion Schneid und Arnold Schmitt, Vorsitzender des CDU-Arbeitskreises für Umwelt und Landwirtschaft. Deutschland habe die höchsten Tierschutzstandards in Europa. Im Anhörungsverfahren hatten Vertreter aus Wissenschaft und Forschung sowie von Industrie und Landwirtschaft erhebliche Bedenken geäußert. Die Bauernverbände lehnen den Entwurf vollständig ab.
Ein Klagerecht für Tierschutzvereine gibt es bisher in Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. Die Landtage von Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt beraten zurzeit, und die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Niedersachsen haben die Einführung in ihren Koalitionsverträgen vereinbart.