„Der Blick nach Schult, Ahrweiler und viele andere Orte ist erschütternd“, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering zu Beginn der Kurzsitzung. Schon gestern hätten einige Landtagsabgeordnete während der Sitzung die ersten Schreckensnachrichten aus ihren Heimatorten erreicht, „heute holt uns die Realität vollends ein“, sagte Hering. Menschen seien ertrunken, Häuser eingestürzt, viele Menschen noch vermisst.
„Die Rettungskräfte riskieren in diesen Momenten ihr Leben“, sagte Hering weiter, „wir sind in Gedanken bei allen, die von dieser Katastrophe betroffen sind.“ Es sei zudem angesichts dieser dramatischen Bilder „unverantwortlich, an dem Menschen gemachten Klimawandel zu zweifeln“, fügte der Landtagspräsident hinzu,
Rund 280 Orte betroffen
„So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen, es ist wirklich verheerend“, sagte Ministerpräsidentin Dreyer in einem Lagebericht. Betroffen seien rund 280 Orte in den Kreisen Ahrweiler, Bitburg-Prüm, Mayen-Koblenz, Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich, „die Lage verändert sich minütlich, die Menschen sitzen auf Bäumen, auf ihren Häusern“, sagte Dreyer. In der Verbandsgemeinde Adenau seien mehrere Häuser eingestürzt, „ganze Ortschaften sind überflutet, Häuser schwimmen einfach so weg“, berichtete die Ministerpräsidentin.
In allen betroffenen Landkreisen gebe es überflutete Straßen, vollgelaufene Keller, es werde mit Stromausfällen gekämpft, die Trinkwasserversorgung sei in mehreren orten ausgefallen, weil Pumpstationen keinen Strom mehr hätten. In Maxweiler seien fünf Personen in ihrem Haus eingeschlossen, in Prüm müssten 40 Personen aus einem Gemeindehaus evakuiert werden, weil es vollaufe.
„Wir haben sehr viele Vermisste, wir wissen nicht genau, was mit diesen Menschen ist“, sagte die Ministerpräsidentin weiter: „Wir können nicht genau sagen, wie viele in Gefahr sind, und wie viele nicht.“ In den betroffenen Regionen brächen ständig die Mobilfunknetze zusammen. In Mayen stehe die Innenstadt unter Wasser, in Pellenz und in Bernkastel-Wittlich müssten Altenheime evakuiert werden, auch in Bernkastel stehe die Innenstadt zwei Meter unter Wasser. Betroffen ist auch die Autobahn 61, die in Höhe der Ausfahrt Ahrweiler voll gesperrt werden musste, die Fahrbahn sei von den Wassermassen unterspült worden, sagte Dreyer weiter. Betroffen sind auch Stauseen, die überzulaufen drohen.
Auch Soldaten der Bundeswehr im Einsatz
„Es ist schrecklich, ich bange mit den Menschen vor Ort“, sagte Dreyer, „wir versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen.“ Sämtliche Rettungskräfte der Region seien im Einsatz, Polizeihubschrauber retteten Menschen von Bäumen und Häuserdächern. „Die Einsatzkräfte rackern ohne Unterlass vor Ort, riskieren ihr eigenes Leben“, betonte die Regierungschefin.
Über 200 Soldaten der Bundeswehr seien zudem vor Ort im Einsatz, auch Rettungskräfte aus Hessen seien zur Unterstützung da. Über 1.000 freiwillige Einsatzkräfte würden mit anpacken, es würden „unermüdlich“ Sandsäcke gefüllt. „Aus allen Landesteilen sind Rettungskräfte auf dem Weg in die Region“, sagte Dreyer weiter, „der Innenminister und ich, wir stehen seit heute Nacht in unentwegtem Austausch miteinander.“, das Land habe inzwischen eine Hotline zur psychosozialen Unterstützung eingerichtet.
„Die schlimmen Unwetter haben Rheinland-Pfalz mit erbarmungsloser Wucht getroffen und schon innerhalb weniger Stunden zum Einsturz gleich mehrerer Wohnhäuser im Landkreis Ahrweiler geführt, weitere drohen einzustürzen“, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD) zudem in einer Mitteilung. Bereits seit Mittwochabend werde ein Polizeihubschrauber mit Seilwinde zur Menschenrettung eingesetzt. Feuerwehr, THW, Polizei und Rettungsdienst „haben seit gestern bereits Enormes geleistet“, betonte Lewentz.
Kabinett traf sich im Anschluss zu einer Sondersitzung
Ministerpräsidentin Dreyer sagte allen Betroffenen die Unterstützung des Landes zu, das Kabinett traf sich im Anschluss zu einer Sondersitzung. „Ich werde mir heute zusammen mit dem Innenminister einen eigenen Eindruck von der Lage vor Ort verschaffen“, sagte Dreyer weiter. Sie hoffe, dass die derzeitigen Vorhersagen einträfen und sich die Wetterlage beruhige. „Ich danke allen Einsatzkräften für ihren Einsatz und bitte die Menschen, Ruhe zu bewahren und in Ihren Häusern zu bleiben“, sagte Dreyer: „Wir sind mit dem Herzen bei all den Menschen, die in großer, großer Not sind und werden alles tun, um die Katastrophe in den Griff zu bekommen.“
Sämtliche Fraktionen im Landtag sprachen anschließend den Einsatzkräften ihren Dank aus und äußerten sich fassungslos angesichts der katastrophalen Lage. „Wir sind zutiefst erschüttert“, sagte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf: „Unsere Gedanken sind bei den denen, die ihr Leben gelassen haben, unsere Hoffnungen gelten denen, die in Gefahr und vermisst sind.“ Kollegen aus den Fraktionen seien nach Hause geeilt um zu helfen, andere gar nicht erst nach Mainz zur Plenarsitzung gekommen. „Unser Platz ist heute nicht im Plenum“, betonte der Oppositionschef. „Menschen ringen um ihr Leben, ihre Häuser, ihre Straßen“, sagte Baldauf weiter, „sie haben Angst vor den nächsten Stunden, dem Schlamm, den Wassermassen.“
Allen, die Angehörige verloren hätten, „gilt unser Mitgefühl und unser Beileid“, betonte Baldauf. „unser Dank geht von hier aus an alle Rettungskräfte, unsere Wertschätzung an alle Bürger, die vor Ort tätige Unterstützung leisten.“ Die Politik müsse aber auch überlegen, was man in Zukunft noch mehr für die Sicherheit der Bürger tun könne, bekräftigte Baldauf. Ähnlich äußerten sich der Fraktionschef der Grünen, Bernhard Braun, sowie der Fraktionschef der FDP, Philipp Fernis. „Jetzt ist es aber erst einmal die Stunde, die akute Not zu lindern und zu retten, was zu retten ist“, fügte Fernis hinzu.
„Wie oft wünscht man sich einen guten Morgen, heute ist dieses Wort nicht möglich“, sagte der Fraktionschef der Freien Wähler und frühere Landrat im Kreis Bitburg-Prüm, Joachim Streit, und berichtete: In seiner Heimat seien 75 Straßen unpassierbar und Brücken von den Fluten weggerissen worden. Auch US-Kräfte seien vor Ort helfend dabei, sagte Streit und bat gleich auch die Bundesregierung um Hilfe: „Mein Appell an diejenigen die im Bund Verantwortung tragen: Schauen Sie auf Rheinland-Pfalz!“