Zahl der Einrichtungen hat sich im Land seit 1991 mehr als halbiert - Woran die Kliniken kranken
Geburtshilfe steckt in der Krise: Zahl der Einrichtungen hat sich im Land seit 1991 mehr als halbiert – Woran die Kliniken kranken
Immer mehr Kinder werden geboren, doch die Bedingungen, unter denen sie zur Welt kommen, werden immer schwieriger.
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Berlin/Rheinland-Pfalz. Die Lage der rheinland-pfälzischen Geburtskliniken hat sich infolge von Corona-, Finanz- und Fachkräftekrise dramatisch verschlechtert. Während die Zahl der Geburten zwischen 2009 und 2019 von 30.881 auf 37.173 gestiegen ist, schrumpfte die Zahl der Geburtskliniken deutlich von 52 auf nur noch 31. Noch dramatischer ist die Entwicklung zwischen 1991 und 2021: Von damals mehr als 60 Geburtskliniken existieren heute nur noch 29, wobei zwei Geburtshilfen offiziell nur vorübergehend wegen der Corona-Pandemie geschlossen haben – die im Städtischen Klinikum in Ludwigshafen und die am Standort Trier-Ehrang des Mutterhauses der Borromäerinnen.

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Sollte die Politik nicht bald gegensteuern, könnte sich die Lage angesichts der Finanzkrise vieler Träger noch weiter zuspitzen. So geht Dr. Dennis Göbel, Krankenhausvorstand der Bad Kreuznacher Diakonie, davon aus, dass nur noch Geburtskliniken mit mehr als 1000 Geburten wirtschaftlich tragfähig sind. Doch nur 13 der 29 rheinland-pfälzischen Geburtskliniken liegen über diesem Schwellenwert. Alle anderen halten sich meist nur über Wasser, indem sie durch andere Abteilungen querfinanziert werden. Dies wird aber in Zeiten, in denen viele Krankenhäuser rote Zahlen schreiben, immer schwerer.

Doch vielen der verbliebenen 29 Geburtskliniken fehlt es nicht nur an Geld, sondern auch an ausreichend Hebammen und Ärzten, die sich rund um die Uhr um werdende Mütter und eine sichere Geburt kümmern. Eine Umfrage unserer Zeitung zeigt, dass nur zwölf (41,4 Prozent) der 29 Geburtskliniken im Land mindestens so viele Hebammen haben, um eine Eins-zu-eins-Betreuung von Müttern gemäß einer medizinischen Leitlinie annähernd zu gewährleisten. Zwölf weitere Kliniken, darunter auch große Häuser wie die Unimedizin Mainz, können das nicht gewährleisten. Bei fünf weiteren Häusern lässt sich dazu keine Aussage machen. Kinderärzte, die rund um die Uhr in den Kliniken verfügbar sind, fehlen in mindestens 52 Prozent der Geburtskliniken. Allerdings gibt es in 90 Prozent der Kliniken ausreichend Anästhesisten und in 83 Prozent genug Gynäkologen.

„Es muss mehr Geld ins System“, fordert Ingrid Mollnar, Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Hebammenverbandes. „Die Geburtshilfe sitzt am Katzentisch. Es ist ein Zuschussgeschäft, das häufig nur aufrechterhalten werden kann, weil andere Abteilungen Überschüsse erwirtschaften. Das Gleiche gilt für Kinderkliniken.“ Die Folge seien Schließungen. Ähnlich sehen das Ärzte wie Prof. Dr. Richard Berger, Chefarzt der Frauenklinik am Marienhaus Klinikum St. Elisabeth in Neuwied: „Kleine Geburtskliniken werden finanziell ausgehungert. Das ist eine reine Ökonomisierung der Medizin, die auf Kosten der Patientenversorgung knallhart umgesetzt wird.“

Berger sagt aber auch: „Das Land muss einen Fahrplan machen, wo es geburtshilfliche Abteilungen braucht. Wir brauchen nicht alle kleinen Geburtskliniken, aber die, die wir brauchen, müssen wir qualitativ so fit wie möglich machen. Dann werden ein paar kleinere Kliniken übrig bleiben, die dann allerdings finanziell so gestärkt werden müssen, dass sich eine gute Geburtshilfe rentiert.“

Christiane Rübenach, Vizechefin des Hebammenverbandes und früher leitende Hebamme in der 2018 geschlossenen Dauner Geburtsklinik, wehrt sich gegen weitere Schließungen: „Die Geburtshilfe muss zur Grundversorgung gehören wie Feuerwehr, Polizei, Schulen, Kindergärten. Daher brauchen wir bei der Geburtshilfe eine auskömmliche Finanzierung.“ Sie verlangt eine Abschaffung der Fallpauschalen bei Geburten. „Die Fallpauschalen finanzieren die Behandlung von Krankheiten. Eine Geburt ist aber keine Krankheit.“

Laut einer Iges-Studie von 2019 sind mindestens 18 Prozent der Hebammenstellen bundesweit unbesetzt. Das wären in Rheinland-Pfalz 90 Stellen. Statt 40 Studienplätzen, die ab Oktober geplant sind, braucht es laut Mollnar 70 bis 80 Plätze, um den Personalbedarf zu decken. Sie fordert: „Sobald es eine neue Landesregierung gibt, brauchen wir eine Versorgungsstudie. Und am Runden Tisch Geburtshilfe muss darüber gesprochen werden, wie Geburtskliniken künftig finanziert werden können.“

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