Es war in der Zeit um 13 oder 12 vor Chr., als in Mainz ein großes Legionslager an der Mündung des Mains in den Rhein entstand, strategisch günstig und womöglich noch vor der Gründung rheinabwärts gelegener Lager wie Bonn oder Köln. Dass neben dem Römerlager auch eine zivile Siedlung stand, wissen die Archäologen schon lange, „bislang konnten wir das aber nicht einordnen“, sagte Landesarchäologin Marion Witteyer: „Durch die neuen Funde hier können wir das jetzt.“
Im Sommer 2018 fanden die Archäologen beim Neubau der LBBW umfangreiche Siedlungsreste, darunter Fundamente von Gebäuden, aber auch Überreste von Kleidung und Essen, vor allem aber auch Gefäße, Kannen, Schüssel und Teller. Unter den Funden sind Holzlöffel und Schöpfkellen, dies sei ausgesprochen selten – der feuchte Boden in Rheinnähe konservierte die Funde aber besonders gut.
„Das Geschirr zeigt, dass das Essen in einem gehobenen Umfeld stattgefunden hat“, erklärte Witteyer bei der Präsentation der Funde. Entdeckt wurde glänzend rote Tonkeramik aus Südfrankreich, reich verziert, aber auch normierte Trinkgefäße. „Wir hatten hier ein Mischgebiet aus Handwerkern, aber auch von wohlhabenden Bürgern mit ,Schöner Wohnen am Wasser'“, erklärte Witteyer.
Funde wie eine kleine Schnellwaage oder ein gewaltiger Gewichtsstein von 8,2 Kilogramm belegen eine rege Handelstätigkeit. Auch gefundene Schrifttäfelchen zeigen: Hier bewegten sich Menschen mit hoher Bildung und viel Geschäftssinn. Für die hohe Bildung spricht auch der Fund einer kleinen Nase mit schmalem Bärtchen darunter aus Ton, sie stammte wohl von einer Maske. „Solche Masken wurden zwischen Säulen aufgehängt, um Unheil abzuwehren oder um zu zeigen, dass man kultiviert war“, sagte Witteyer. Ein besonderes Schmuckstück ist ein bronzener Delfin, der wohl einst einen Reisewagen zierte.
In den Fundamenten fanden die Archäologen zudem massenweise Amphoren, sie dienten aber nicht etwa der Weinlagerung, sondern stabilisierten die Fundamente im nassen Rheinufer – eine aus dem Mittelmeer stammende Bauweise. Die Originalamphoren werden nun im Innenhof der LBBW gezeigt, das römische Essgeschirr sowie weitere Funde in der Kantine der Bank. Von der Zeit um Christi Geburt bis ins 4. Jahrhundert hinein reichen die Funde, das belege, dass es im Zollhafen von der Römerzeit bis in die Spätantike eine intensive Bebauung gab.
Erfreulich sei auch, dass die Funde künftig der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD) und dankte dafür der LBBW. Die Möglichkeit, „einen archäologischen Fingerabdruck zu hinterlassen, ergreifen wir gern“, fügte Witteyer hinzu: „Dadurch wird unser Netz an römischen Erinnerungsmerkmalen enger und das Römische Mainz für jeden verständlicher.“