Rheinland-Pfalz
Flut-Untersuchungsausschuss: Scharfe Kritik am Krisenmanagement der ADD
Spuren der Flutkatastrophe an der Ahr: Ein zerstörtes Gebäude steht am Rande der Ahr im Winzerort Rech. Das Krisenmanagement wird weiter aufgearbeitet.
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Rheinland-Pfalz. Mehrere Zeugenaussagen in der 33. Sitzung des Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe an der Ahr werfen kein gutes Licht auf das Krisenmanagement der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Sie hatte am 17. Juli 2021 für das Land die Einsatzleitung vom Landkreis Ahrweiler übernommen.

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Spuren der Flutkatastrophe an der Ahr: Ein zerstörtes Gebäude steht am Rande der Ahr im Winzerort Rech. Das Krisenmanagement wird weiter aufgearbeitet.
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So berichten mehrere Zeugen, dass die ADD nach der verheerenden Flut im Ahrtal Hilfsangebote der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ) abgelehnt hat. Die BABZ ist die zentrale Aus- und Fortbildungseinrichtung des Bundes im Bevölkerungs- und Zivilschutz. Sie hat ihren Sitz in Bad Neuenahr-Ahrweiler – und beherbergte die ADD, als diese die Einsatzleitung übernahm.

ADD-Präsident Thomas Linnertz (SPD) sowie weitere Mitarbeiter hätten nur eine kurze Beratung für zwei Personen gewünscht – und keine umfassende Schulung oder Unterstützung für den Führungs- oder Verwaltungsstab, berichten die Zeugen.

BABZ-Referent Ulf Krüger war am 18. und 19. Juli 2021 in der Akademie und hielt seine Beobachtungen in einem Protokoll fest. Darin heißt es etwa, dass am 19. Juli im Laufe des Tages der Eindruck entstanden sei, dass die Personen „ungeschult sind und nicht wissen, wie die Arbeit in einem Verwaltungsstab funktioniert. Es scheint Unklarheit über die Rolle und Aufgaben des Stabes und die Abgrenzung zur TEL (...) zu existieren“.

ADD-Chef Linnertz steht seit Wochen in der Kritik

Neben der Technischen Einsatzleitung (TEL), die für alle operativ-taktischen Aufgaben zuständig ist, gibt es regulär den Verwaltungsstab. Er übernimmt im Katastrophenfall alle administrativ-organisatorischen Tätigkeiten. Im Kreis Ahrweiler war ein solcher Verwaltungsstab laut Zeugen während der Flutkatastrophe nicht vorhanden. Gesamtverantwortlicher Einsatzleiter war ab dem 17. Juli ADD-Präsident Linnertz. Er steht seit Wochen in der Kritik.

In der Kritik: ADD-Präsident Thomas Linnertz
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Brisant: In dem Protokoll schrieb Krüger außerdem, dass sich in Gesprächen der Eindruck verfestigt habe, „dass es einer grundlegenden Schulung aller Personen bedarf“. Und: Laut Organigramm, angeschrieben an einer Wandtafel, habe Linnertz die Gesamtverantwortung – aber keine Vertretung. Am Freitag sagt der Zeuge, dass Linnertz und der damalige Innenstaatssekretär seine Bedenken hingenommen und akzeptiert hätten. Und weiter: „Es gab keine Veränderungen.“

Es ging um ein “extremes Ereignis"

Der stellvertretende Akademieleiter Frank Meurer gibt an, dass ihm bei der Lektüre von Krügers Protokoll, „sehr viel verständlich war“. Schließlich sei es um ein „extremes Ereignis“ gegangen. In der tagtäglichen Arbeit erlebten die Ausbilder, „dass Verwaltungen wenig trainiert oder gar nicht ausgebildet sind – und das über alle Ebenen“. Dass ein Stab der ADD an einer Schulung teilgenommen habe, sei ihm nicht bekannt.

Feuerwehrfrau Alexandra Römer, eigentlich in München tätig, erklärt ebenfalls, dass sie bei ihrem Einsatz im Krisenstab ab dem 20. Juli den Eindruck gewonnen habe, dass der Verwaltungsstab nicht geschult gewesen sei. Dies habe die Zusammenarbeit „interessant“ gestaltet. Von ihrem eigentlichen Einsatzgebiet in München sei sie anderes gewohnt. Die Zeugin berichtet weiter, dass sich nach Tagen herausgestellt habe, dass einzelne Mitglieder des Verwaltungsstabes gar nicht gewusst hätten, was die einzelnen Stabsbezeichnungen bedeutet hätten. Eine Technische Einsatzleitung gliedert sich nach Aufgaben, es gibt also etwa einen „S2“ (Lage), et cetera.

Wir sind gewohnt, dass die Chaosphase Minuten geht, hier ging sie Tage.

Feuerwehrmann Markus Hauser aus Stuttgart

Römers Kollege Maximilan Schmöller, ebenfalls aus München, schildert, dass der Verwaltungsstab bei seinem Eintreffen mit zwei, drei Personen „relativ dünn“ und nicht rund um die Uhr, sondern nur bis zum frühen Nachmittag besetzt gewesen sei. Er habe Mitglieder vorgefunden, die „von ihrer Mentalität beziehungsweise Vorbildung eher Verwaltungsmenschen waren“. So habe es einen „zähen Prozess“ gegeben. Man habe versucht, „deren Mindset“, also Einstellung, „an unseres anzupassen“. Die Lagebesprechungen seien „extrem überfüllt“ gewesen, das Niveau nicht so, „wie ich es aus meiner Heimat kannte“, sagt Schmöller. Die Verwaltungsstabbesetzung bezeichnet der Zeuge als „ungenügend“.

Feuerwehrkollege Markus Hauser aus Stuttgart spricht zuvor davon, dass der „S2“-Bereich am 18. Juli 2021 nicht so aufgestellt gewesen sei, dass man die Lage hätte bewältigen können. Man sei zu diesem Zeitpunkt immer noch damit beschäftigt gewesen, ein Lagebild zu bekommen. Hauser sagt: „Wir sind gewohnt, dass die Chaosphase Minuten geht, hier ging sie Tage.“ Für eine Führungskraft sei das „unerträglich“, aber auch verständlich.

Ihn habe es dennoch verwundert, dass es vom Nachmittag des 16. bis zur Nacht des 17. Juli gedauert habe, bis seine Mannschaft ins Krisengebiet geschickt worden sei. Das Land Baden-Württemberg habe jedenfalls „mehrfach Unterstützung“ angeboten, so der Zeuge.

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