Nach Aussagen des heute 48-jährigen Ex-Nazis soll Peter S. 1996 mit einem randalierenden Prügelmob in die Wohnung seiner damaligen Freundin eingefallen sein; ein anderthalbjähriges Kind war nach Angaben des Mannes während des Vorfalls mit im Apartment. Es folgt ein Abriss der Schilderungen des Zeugen: Es klingelt, der Aussteiger sagt zu seiner Freundin, dass sie nicht aufmachen solle – doch es kommt anders. Eine Bande saufender Nazi-Skins betritt die Wohnung, einer von ihnen packt sofort eine Flasche Apfelkorn auf den Tisch. Eine Weile wird getrunken, anschließend das Kind ins Bett gebracht – und dann eskaliert die Lage.
Laut den Schilderungen des Aussteigers soll die Bande das Telefon aus der Wand gerissen, Möbel kurz und klein geschlagen sowie Geld und Haustürschlüssel eingesteckt haben. Ferner sei es zu einer brutalen Attacke auf ihn gekommen: Peter S., so der 48-jährige Zeuge inzwischen unter Tränen, soll versucht haben, ihn im obersten Stock von der Balkonbrüstung zu stoßen. Nur durch den Einsatz massiver Willens- und Muskelkraft habe er das verhindern können. Der Mob, allen voran Peter S., habe ihn im Anschluss in der Wohnung am ganzen Körper mit Springerstiefeltritten eingedeckt, führte der Mann weiter aus. Der Angeklagte habe ihm zudem in den Schritt gepackt – und mit voller Kraft zugedrückt.
Aussteiger erstattete keine Anzeige – aus Angst
Der Zeuge mutmaßte im Prozess, dass der Mob ihn vermutlich aus Rache für seinen Ausstieg aus der rechten Saarlouiser Skinheadszene aufgesucht hatte. Italienische Nachbarn, die Zeugen des mutmaßlichen Kampfes auf dem Balkon geworden waren, hatten damals offenbar die Polizei gerufen. Beim Eintreffen der Beamten war der Mob indes längst über alle Berge, wie der Zeuge berichtete. Der Aussteiger hatte die Sache bei der Polizei im Anschluss nicht zur Anzeige gebracht – aus Angst. Auf Nachfrage des Senats, ob die Polizei sich danach wirklich nicht mehr bei ihm gemeldet habe, sagte der 48-Jährige: „Nein, das ist ja das Kuriose: Da ist nie mehr was gekommen.“ Der Mann leidet nach eigenen Angaben bis heute unter nächtlichen Schrei- und Panikattacken.
Gleich zwei Ex-Nazis weinen im Koblenzer OLG
Dass die Angaben des Aussteigers stimmen könnten, scheint nicht unwahrscheinlich. Sie wurden am Dienstag im OLG jedenfalls von einem zweiten Zeugen bestätigt – einem 46-Jährigen, der der Saarlouiser Nazi-Skin-Szene offenbar kurz nach dem Vorfall ebenfalls den Rücken gekehrt hatte. Der Mann gab im OLG weinend zu, beim Überfall auf seinen Ex-Kameraden dabei gewesen zu sein. Der von Peter S. Attackierte habe auf dem Balkon „herzzerreißende“ Schreie von sich gegeben, so der 46-Jährige. Peter S. habe unfassbarerweise bis kurz vor der Attacke noch „ganz herzlich“ mit dem ebenfalls in der Wohnung anwesenden anderthalbjährigen Kind gespielt.
Nach Informationen unserer Zeitung ist der mutmaßliche Vorfall in der Wohnung der Staatsanwaltschaft Saarbrücken bereits bekannt.
Der Stand der Dinge im Yeboah-Prozess
Der 48-jährige Zeuge, der in der Wohnung attackiert worden sein soll, belastete Peter S. am Dienstag auch im Kontext des Brandanschlags, den der ghanaische Flüchtling Samuel Kofi Yeboah 1991 nicht überlebt hatte: Peter S. soll Mitte der Neunziger einmal grinsend einen Zeitungsartikel über den Brandanschlag aus seiner Geldbörse gezogen haben. Der Angeklagte hatte während des seit Ende 2022 in Koblenz laufenden Prozesses zwar selbst zugegeben, in der Tatnacht betrunken als passiver Mitläufer im Flüchtlingsheim anwesend gewesen zu sein. Das Entfachen des Benzins im Gebäude hat er indes einem alten Kameraden (Heiko S., 51) zugeschoben, der die Anschuldigungen seinerseits abstreitet.
Im Fall Yeboah war es Anfang Juni zu einer weiteren Verhaftung gekommen: Gegen den mutmaßlichen Rädelsführer der Saarlouiser Skinszene, Peter St. (54), besteht laut Bundesanwaltschaft der dringende Tatverdacht der Beihilfe zu Mord und Beihilfe zu versuchtem Mord zum Nachteil von 20 Menschen. Gemeint sind jene Bewohner des Flüchtlingsheims, die den Flammen 1991 entkommen konnten. Auch gegen einen dritten Mann wird ermittelt – seine Wohnung wurde bereits durchsucht.