Ehemaliger Skinhead verpasst Gerichtstermin - War es wirklich eine Autopanne?
Fall Yeboah: Nazis verspotteten das Opfer nach Brandanschlag
Starb beim Anschlag: Samuel Yeboah. Foto: Landespolizeipräsidium Saarland
Landespolizeipräsidium Saarland

Saarlouis/Koblenz. Samuel Kofi Yeboah aus Ghana kommt am 19. September 1991 bei einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Saarlouis-Fraulautern ums Leben – seit Ende November 2022 läuft am Koblenzer Oberlandesgericht (OLG) ein Gerichtsprozess zum „Fall Yeboah“. Am jüngsten Verhandlungstag wurde deutlich, dass rechte Saarlouiser Skins nach dem Brandanschlag immer wieder menschenverachtende Witze über das Opfer gemacht hatten.

Rückblick: Peter S. sitzt seit Ende 2022 in Koblenz auf der Anklagebank – der 52-Jährige soll das Feuer als Skinhead aus rassistischer Gesinnung gelegt haben. Peter S. gibt zwar zu, in der Tatnacht betrunken als passiver Mitläufer dabei gewesen zu sein. Die eigentliche Tat, sprich das Entfachen des Benzins im Gebäude, hat der Angeklagte indes einem alten Kameraden (Heiko S., 51) zugeschoben. Heiko S. wiederum hat die Anschuldigungen seinerseits bereits abgestritten.

In Szene „reingerutscht“

Der am Dienstag gehörte Zeuge war ebenfalls einst Nazikamerad des Angeklagten. Der heute 47-Jährige gab an, dass er 1990 in die rechte Saarlouiser Skinhead-Szene „reingerutscht“ sei. Vier Jahre drauf will der Mann die Gruppe indes wieder verlassen haben, doch sei bis dahin viel passiert. Chef der Gruppe sei laut Ausführungen des Zeugen Peter St. gewesen („An dem haben wir uns orientiert!). Ebenjener Peter St. wurde Anfang Juni ebenfalls festgenommen: Gegen den 54-jährigen mutmaßlichen Anführer der rechten Saarlouiser Skinszene besteht laut Bundesanwaltschaft der dringende Tatverdacht der Beihilfe zu Mord und Beihilfe zu versuchtem Mord zum Nachteil von 20 Menschen.

Gemeint sind damit jene Bewohner des Flüchtlingsheims, die den Flammen 1991 glücklicherweise noch entkommen konnten. Inzwischen wird im „Fall Yeboah“ auch noch gegen einen dritten Mann ermittelt, wie die Bundesanwaltschaft unserer Zeitung auf Anfrage bestätigt hatte: In diesem Zuge sei es zu einer Wohnungsdurchsuchung gekommen.

Zurück zum jüngsten Verhandlungstag im Koblenzer OLG. Der tragische Feuertod von Samuel Kofi Yeboah war in der Skinszene nach Angaben des 47-jährigen Ex-Nazis regelrecht zelebriert worden: Widerlich-menschenverachtende Sprüche sollen sich die rechten Skins dazu ausgedacht haben. Den Angeklagten, so der Zeuge weiter, habe man damals – im Gegensatz zu Peter St. – nicht wirklich ernst genommen: Peter S. sei bloß ein „Mitläufer“ gewesen. Keine drei Meter vom Angeklagten entfernt beschreibt der Zeuge diesen am Dienstag im OLG mit folgendem Satz: „Der war dumm wie ein Stück Brot – wir haben den auch Weichbirne genannt.“

Glaubt man den Ausführungen des Zeugen, so hatten sowohl Peter S. als auch „Chef“ Peter St. fremdenfeindliche „Aktionen“ bei Skintreffen stets gutgeheißen. Der Zeuge unterstrich indes, dass er selbst nicht gewusst habe, wer das Feuer damals in der Flüchtlingsunterkunft gelegt hatte. Gleichwohl sei allen Kameraden klar gewesen, dass der Täter aus der Saarlouiser Skinszene stammen müsse.

Der Zeuge war Anfang der 90er-Jahre im Teenageralter, hatte eigenen Aussagen zufolge mehrfach nachgebohrt, wer genau das Feuer gelegt hatte. Eine Antwort will er nicht erhalten haben, denn „den Jüngeren“ seien derartige Fragen nicht gestattet gewesen, berichtete der heute 47-Jährige.

Auf Anerkennung aus?

Interessant: Peter St. soll den angeklagten Peter S. laut Einschätzung des Zeugen zumindest „gefühlt“ mutmaßlich bereits bei so manchem Saufabend vor sich selbst geschützt haben. Es habe oft so gewirkt, erklärte der Zeuge, als habe Peter S. – vielleicht um Anerkennung zu gewinnen – nur so in die Welt „hinausposaunen“ wollen, auf wessen Kappe der Brandanschlag gehe. Und Peter S. sei damals wirklich ständig besoffen gewesen („Ich kannte den eigentlich nur mit einer Bierdose in der Hand.“)

Eigentlich sollte noch ein weiterer Ex-Skin im OLG aussagen. Dieser entschuldigte seine Abwesenheit indes mit einer Autopanne. Der Vorsitzende Richter Konrad Leitges hatte instruiert, dass der Zeuge dann eben anders anreisen solle. Offenbar gab es hier aber wieder Probleme, denn der Zeuge erschien am Ende nicht, soll also an einem anderen Tag aussagen. Leitges kündigte an, dass er noch prüfen wolle, ob wirklich ein Abschleppdienst zum Einsatz gekommen war.

Von Johannes Mario Löhr

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