Rheinland-Pfalz/Meudt
Expertinnen für Schwangerschaft und Geburt: Welchen Herausforderungen Hebammen im Alltag begegnen
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Katja Knautz setzt ihrer Patientin spezielle Akupunkturnadeln, die die Wehentätigkeit fördern sollen.
Lara Kempf

Sie sind ganz nah dran an der Entstehung des Lebens und helfen neuen Erdenbürgern auf die Welt: Hebammen. Wie aber sieht der Berufsalltag einer freiberuflichen Geburtshelferin genau aus, welche Hürden gilt es zu meistern? Unsere Zeitung hat Hebamme Katja Knautz aus dem Westerwald ein paar Stunden bei ihrer Arbeit begleitet.

Lesezeit 7 Minuten

„Hallo, na, wie geht's dir?“, begrüßt Katja Knautz ihre erste Patientin an diesem Tag, als diese ihre Praxis „Die kleine Hebammerei“ in Meudt-Dahlen (Westerwaldkreis) betritt. Die 42-Jährige ist Hebamme – und das schon seit über 20 Jahren. Obwohl sie, anders als einige ihrer Kolleginnen, nicht schon als Jugendliche wusste, dass sie den Hebammenberuf ergreifen will, kann sie sich nun nichts Schöneres mehr vorstellen. In ihrer eigenen Praxis, die sie vor rund zwei Jahren zusammen mit einer Kollegin gegründet hat, betreut sie Frauen vor und nach der Geburt.

Es herrscht eine ständige Rufbereitschaft

Am heutigen Samstag stehen vier Termine an – zwei Vorsorgeuntersuchungen und zwei Wochenbettbesuche. „Ja, wir arbeiten auch am Wochenende. Und abends vor dem Schlafen gehen schaue ich auch immer nochmal auf mein Handy, falls etwas ist“, gibt Knautz einen Einblick in ihren Arbeitsalltag. Durch eine Küche führt die Hebamme ihre erste Patientin an diesem Tag in ihr Behandlungszimmer. Hier sorgt das gelblich-warme Licht kleiner Lampen und der Geruch von ätherischen Ölen für eine entspannte Atmosphäre. Unterstrichen wird die gemütliche Stimmung durch ein Bett, das mit zahlreichen Kissen bedeckt ist.

Die werdende Mutter befindet sich noch in einem relativ frühen Stadium der Schwangerschaft. Sie ist erst in der elften Woche. Die Hebamme erkundigt sich zunächst nach dem allgemeinen Wohlergehen der Schwangeren. Da sie schon seit einigen Wochen mit starker Migräne und Erbrechen zu kämpfen hat, gibt Knautz ihr Tipps, wie sie die Beschwerden lindern könnte. Zudem kontrolliert sie den Urin der jungen Frau und misst ihren Blutdruck. „Hier ist alles gut, nichts Auffälliges zu sehen“, gibt die 42-Jährige Entwarnung.

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Diese Patientin ist noch in einem relativ frühen Stadium der Schwangerschaft. Hebamme Katja Knautz versucht trotzdem, die Herztöne des Kindes zu erfassen.
Lara Kempf

Dann wird es spannend: Die werdende Mutter darf sich aufs Bett legen, und die Hebamme tastet ihren Bauch ab. Noch ist es schwierig, das Baby zu fühlen. Mit einem speziellen Ultraschall-Gerät versucht Knautz, die Herztöne des Embryos einzufangen. Es ertönt ein pochendes Geräusch – der Puls der Mutter. Doch bei genauem Hinhören schwingt immer wieder ein etwas leiserer Ton mit – die Herztöne des Kindes. „Das Kleine versteckt sich noch etwas, aber da war es jetzt kurz zu hören“, sagt die Westerwälder Hebamme. Die werdende Mutter lächelt erleichtert. Der nächste Termin wird direkt ausgemacht – passend zwischen den Vorsorgeterminen des Frauenarztes.

Das Miterleben einer Geburt förderte den Berufswunsch

Für Knautz ist der regelmäßige und enge Kontakt zu ihren Patientinnen wichtig. Ihr war schon früh klar, dass sie beruflich etwas mit Menschen machen möchte. Dabei verschlug es sie zuerst zum Rettungsdienst. Als sie dann eine Geburt im Rettungswagen miterlebte und zudem zufälligerweise die Hebamme, die sie selbst auf die Welt gebracht hatte, bei einem Krankentransport begleitete, war für sie klar: Sie will auch Hebamme werden. Nach einer dreijährigen Ausbildung im Kemperhof in Koblenz arbeitete die 42-Jährige rund zehn Jahre im Diezer Krankenhaus als Beleghebamme. „Bis die Geburtsstation im Jahr 2015 geschlossen wurde“, erzählt Knautz. Dann folgten zwei Jahre in der Vor- und Nachsorge sowie fünf Jahre in der außerklinischen Geburtshilfe. Seit 2022 ist sie nun freiberufliche Hebamme und kümmert sich in ihrer Praxis vor allem um die Schwangerenvorsorge sowie Wochenbettbetreuung und bietet verschiedene Kurse an.

Katja Knautz ist seit über 20 Jahren Hebamme. Auch wenn es im Alltag einige Hürden zu überwinden gilt, kann sie sich keinen schöneren Beruf vorstellen.
Lara Kempf

Die nächste Patientin an diesem Samstagmorgen ist bereits fünf Tage über ihrem errechneten Entbindungstermin. Bis jetzt hatte sie nur leichte Übungswehen. Sie ist nervös. Von der Hebamme ist nun Sensibilität gefragt. Knautz tastet ihren Bauch ab und schreibt zusätzlich ein CTG, damit die Herzschlagfrequenz des Kindes sowie die Wehentätigkeit der werdenden Mutter kontrolliert werden können. Dabei wird deutlich: Das Baby ist sehr aktiv, und auch einige Wehen sind schon sichtbar. Mit einfühlsamen Worten versucht die 42-Jährige, die junge Frau zu beruhigen: „Alles ist startklar. Das Baby kann kommen.“

Um die Geburt auf natürliche Weise anzuregen, setzt die Hebamme der Schwangeren einige spezielle Akupunkturnadeln in Hände und Arme. Danach untersucht sie die werdende Mutter noch einmal vaginal. „Auch hier sieht alles nach Geburt aus“, macht sie ihrer Patientin Mut. „Ich hoffe, wir sehen uns erst wieder, wenn das Baby da ist“, verabschiedet Knautz die Schwangere schließlich mit einem Lächeln.

Richtlinien der Krankenkassen sind oft ein Problem

Neben vielen positiven Erlebnissen birgt der Alltag der Geburtshelferin allerdings auch einige Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Besonders das Finanzielle spielt eine erhebliche Rolle. „Die Vergütung der Wochenbettbesuche berechnet die Krankenkasse zum Beispiel mit einem Zeitfenster von rund 25 Minuten. Das ist aber oft nicht schaffbar. In Wirklichkeit dauert ein Besuch auch mal ein bis eineinhalb Stunden“, erklärt die Hebamme.

Frauen zu betreuen, die durch eine Geburt bereits traumatisiert worden sind, belastet Knautz ebenfalls manchmal. „Das ist aber ein Problem im System und nicht beim Personal“, betont die Westerwälderin und führt weiter aus: „Es wäre ein Traum, wenn in Kliniken eine 1:1-Betreuung stattfinden könnte und nicht immer mehr Kliniken ihre Geburtshilfe schließen würden.“ Hebammenzentralen, die bei der Suche nach einer Hebamme unterstützen und den Frauen somit ermöglichen, eine Betreuung zu finden, bewertet Knautz in der momentanen Situation als gute Lösungen.

Familien zeigen Dankbarkeit und Wertschätzung

Weiter geht es im Berufsalltag: Bei einer jungen Familie steht der letzte Wochenbettbesuch an. Das kleine Mädchen ist fast drei Monate alt und entwickelt sich prächtig, doch die junge Mutter kämpft damit, selbst Zeit zum Essen zu finden. Die 42-Jährige gibt ihr Tipps, wie sie auch mit Neugeborenem regelmäßige und nahrhafte Mahlzeiten zu sich nehmen kann. Danach wiegt Knautz das Baby und zeigt sich zufrieden: „Die Kleine hat gut zugenommen. Das ist super.“ Da es der vorerst letzte Besuch der 42-Jährigen ist, gibt es von der Familie noch Pralinen als Dankeschön. Die Hebamme ist sichtlich gerührt und verabschiedet die Mutter mit den Worten: „Du kannst dich immer melden, wenn Fragen sind.“

Das Wiegen der Babys gehört bei einem Wochenbettbesuch dazu. Dieser kleine Mann hat in den vergangenen Wochen schon ordentlich an Gewicht zugelegt.
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Beim zweiten Wochenbettbesuch an diesem Tag wird Knautz bereits an der Haustür von der großen Schwester des Neugeborenen freudestrahlend empfangen. Der kleine Bruder ist rund zehn Wochen alt. Auch hier fragt die 42-Jährige zuerst nach dem Wohlergehen von Mutter und Kind und, ob es irgendwelche Probleme gibt. Außer einer kleinen Erkältung ist alles in Ordnung, sagt die Mutter. Dann wird das Baby gewogen. Es hat ordentlich zugelegt seit Knautz neulich da war. Mutter und Hebamme freuen sich. Als Knautz anspricht, dass ihr nächster Besuch der letzte sein wird, zeigt sich die junge Mutter traurig. Wie die meisten Frauen, hat auch sie eine Verbindung zu ihrer Hebamme aufgebaut. „Wir werden dich vermissen, wenn du nicht mehr kommst“, sagt sie zum Abschied.

Da die Hebamme aus dem Westerwald freiberuflich tätig ist, ist der Arbeitstag nach den Hausbesuchen jedoch keineswegs vorbei. „Es muss ja auch noch abgerechnet und Rechnungen geschrieben werden. Und die Zeit bezahlt uns keiner“, hebt Knautz eine weitere Herausforderung ihres Berufes hervor. Trotzdem kann sich die 42-Jährige keine andere Tätigkeit vorstellen. Ihre eigene Praxis stellt für sie aber noch nicht die Endstation dar. Irgendwann will sie auch wieder Geburten begleiten. „Denn das ist schon etwas ganz Besonderes“, sagt die Hebamme. Zudem wagt die Westerwälderin ab Juni den Schritt in die Berufspolitik und wird Schatzmeisterin beim rheinland-pfälzischen Hebammenverband.

Die Ausbildung zur Hebamme
Seit Anfang 2020 ist die Hebammenausbildung in Deutschland akademisiert. Das bedeutet, wer Hebamme werden will, muss den dualen Bachelor-Studiengang Hebammenwissenschaft absolvieren. In Rheinland-Pfalz wird das Studium an den Universitäten Ludwigshafen und Mainz angeboten. In der Landeshauptstadt sogar erst seit Kurzem, seit Herbst 2023. Dort wurden zum Wintersemester 2023/2024 19 Studierende eingeschrieben. Insgesamt standen 30 Plätze zur Verfügung. „Wir gehen davon aus, dass die zur Verfügung stehenden Plätze in den kommenden Jahren vollständig ausgeschöpft werden“, heißt es von der Pressestelle der Universität Mainz auf Nachfrage. Der Praxisanteil des Studiengangs wird in Kliniken abgeleistet. Dort sind entsprechend den Vorgaben des Hebammengesetzes 2250 Stunden zu erbringen. Voraussetzung für die Einschreibung an der Uni Mainz ist der Abschluss eines Ausbildungsvertrags mit einem der Praxispartner. Zukünftig wird für das hebammenwissenschaftliche Studium eine jährliche Aufnahmekapazität von 76 Plätzen zur Verfügung stehen. Damit wird sich in Rheinland-Pfalz die Anzahl der Studienplätze im Vergleich zu der Anzahl der Ausbildungsplätze erhöhen, gibt das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium auf Nachfrage an. kel

Hebammenzentralen und ihre Aufgaben
In Rheinland-Pfalz gibt es bereits vier bestehende Hebammenzentralen – in Daun/Vulkaneifel, Trier-Saarburg, Mainz-Bingen und Asbach. Die ersten drei Standorte werden durch Gelder des Landes Rheinland-Pfalz unterstützt. Die Hebammenzentrale Asbach steht auf eigenen Beinen und finanziert sich selbstständig, beziehungsweise wird von anderen Geldgebern gefördert, teilt das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium auf Nachfrage mit. Bei den Zentralen handelt es sich um Zusammenschlüsse freiberuflicher Hebammen. Sie unterstützen Schwangere vor Ort bei der Suche nach einer Hebamme, agieren in akuten Fällen aber auch als Ambulanz – führen also medizinische Untersuchungen durch. Zudem finden dort auch Beratungstätigkeiten, Kurse für Schwangere und eine Betreuung nach der Geburt statt. Die Initiativen von Hebammenzentralen entstehen aus den Regionen heraus. Derzeit gibt es auch im Westerwald weitere Initiativen zur Etablierung einer Hebammenzentrale, heißt es vonseiten des Gesundheitsministeriums. Dass die Hebammenzentralen einen positiven Effekt haben, ist sich das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium sicher. Hebammenzentralen bieten – zum Beispiel durch eine koordinierte, zentrale Vermittlung von Hebammen – eine organisatorische Entlastung der schwangeren Frauen oder Wöchnerinnen, teilt das Ministerium weiter mit. Zudem müssten sich werdende Mütter durch eine Hebammenvermittlung nicht mehr selbst an die Hebammen in der Region wenden, was in vielen Fällen mit einem hohen Zeitaufwand verbunden sei. Und auch die Hebammen würden dadurch entlastet, heißt es vonseiten des Gesundheitsministeriums. kel

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