Mainz – Vor dem Verwaltungsgericht Mainz klagt die Dorint-Hotelgruppe gegen das Ring-Betreiberkonzept. Der landeseigenen Nürburgring GmbH gehören die Gebäude und Grundstücke, den Betrieb überlässt sie der Nürburgring Automotive GmbH, die der Lindner-Hotelgruppe und der Firma Mediinvest von Kai Richter gehört.
Jürgen Kühling kennt sich aus mit derartigen Konstrukten. Er ist Professor für Öffentliches Recht und Immobilienrecht an der Universität Regensburg und unterrichtet auch an der IREBS-Immobilienakademie in Eltville. Zudem war er bei diversen Infrastrukturprojekten als Berater tätig, zum Beispiel bei Fußballstadien und Rennstrecken.
Ein Interview.
Herr Kühling, Sie haben die Klage der Dorint-Gruppe angeschaut. Wirtschaftsminister Hering betont, sie gelassen zu sehen. Was meinen Sie?
Ich würde das nicht so locker nehmen. Die rechtliche Bewertung ist ziemlich eindeutig. Die Kläger argumentieren völlig zu Recht, dass ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren stattfinden muss. Die Landesregierung hätte ankündigen müssen, dass sie solch einen Vertrag abschließen will, und mit Interessenten verhandeln müssen. Auch die Kriterien für die Auswahl eines Partners müssen vorab festgelegt und bekannt gemacht werden.
Das Vergaberecht ist ein Thema, das Beihilferecht ein anderes. Wie sieht es da aus?
Da wird es richtig haarig. Die Kläger haben Recht, dass das Land die Spielregeln nicht umgehen kann, indem es eine private Gesellschaft vorschiebt. Die Nürburgring GmbH unterliegt aber auch selbst den Beihilfevorschriften, da sie mit anderen Rennstrecken im Wettbewerb steht. Auch in eine landeseigene GmbH kann man nicht einfach so Geld reinstecken.
Was hätte die Landesregierung tun können?
Es gibt die Möglichkeit eines sogenannten Pränotifizierungsverfahrens, bei dem vorab in informellen Gesprächen mit der EU-Kommission geklärt wird, ob sie beihilferechtliche Bedenken hat. Bei diesem Projekt und der Vorgeschichte ist das ein Muss. Dass solche Gespräche nicht geführt wurden, ist mir unverständlich.
Das Land stand allerdings nach dem Scheitern der geplanten Privatfinanzierung unter Zeitdruck...
Eine Ausschreibung „light“ hätte ja genügt. Es ist mir ein Rätsel, warum die Landesregierung nicht freiwillig ausgeschrieben hat. So hätte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können – sowohl die vergaberechtliche als auch die beihilferechtliche Problematik wären dann gar nicht aufgetaucht. Ich kann mit den mir vorliegenden Informationen nicht nachvollziehen, warum das Land so vorgegangen ist. Es sind keine sachlichen Gründe dafür erkennbar und das Land hat nur Nachteile.
Wie kann die Landesregierung aus dem Schlamassel herauskommen?
Das ist schwierig. Diese Leiche hat sie auf Jahre im Keller liegen. Selbst ein Sieg vor dem Verwaltungsgericht würde keine Rechtssicherheit bringen. Nach einem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Anfang 2010 kann die EU-Kommission noch Jahre nach Abschluss innerstaatlicher Verfahren ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn sie Verstöße gegen Vergaberecht vermutet. So einen Fall erleben wir gerade bei der Kölner Messe. Dort müssen jetzt, wo alles längst in Betrieb ist, noch nach Jahren die Verträge rückabgewickelt werden. Für das Beihilfenrecht greift ohnehin eine Zehn-Jahres-Frist.
Was würden Sie tun?
Ich kann der Landesregierung nur raten, das Konstrukt und die Vertragspartner kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls aus den Verträgen auszusteigen. Sie muss sich die Frage stellen, ob sie ein Ende mit Schrecken nicht einem Schrecken ohne Ende vorzieht.
Das Gespräch führte Florian Zerfaß