Koblenz – Bislang ist es ein zartes Pflänzchen, das in Brüssel wächst. Die Europäische Union befasst sich mit einer neuen Sieben-Jahres-Periode der Agrarpolitik, die 2014 beginnt. Die Frage ist dabei, ob sich die Diskussion um die Rahmenbedingungen für Landwirte zur strahlenden Pflanze oder zur Distel entwickelt. Während Konsens herrscht, dass die europäische Landwirtschaft den Bürger sicher und ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen hat, gibt es bei anderen Themen reichlich Diskussionsbedarf.
Klaus-Dieter Borchardt stellt beim Bauerntag in Koblenz die Konzeption der EU-Kommission für die Jahre 2014 bis 2020 vor. Der Generaldirektor Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der EU-Kommission skizziert drei wesentliche Säulen des Agrarmodells. Die Landwirtschaft muss durch eine hohe Qualität und eine ausreichend hohe Menge für Versorgungssicherheit sorgen. Zudem haben die Bauern die Aufgabe, die natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft zu schützen und erneuerbare Energien zu gewinnen. Die dritte Säule ist der Schutz der ländlichen Räume, die Betriebe bilden das kulturlandschaftliche Rückgrat der Gesellschaft. „Dieses Modell erhalten zu wollen, heißt, eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft zu schaffen“, sagt Borchardt.
Wettbewerbsfähigkeit bedeutet für die Bauern vor allem, verlässliche Rahmenbedingungen zu haben – und in diesem Punkt gehen die Meinungen auseinander. Der grüne EU-Politiker Martin Häusling handelt sich in Koblenz wütende Proteste ein, als er sich klar für die Deckelung von Fördergeldern ausspricht. „Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung“, sagt der hessische Landwirt, der ab einer Summe von 100 000 Euro pro Betrieb ein Limit sieht. Albert Deß, sein CSU-Kollege im Europaparlament, winkt klar ab: „Davon profitieren nur Notare, denn dann werden die Betriebe geteilt.“
Bereits heute gibt es in der EU ein massives Ungleichgewicht bei den Direktzahlungen. In den baltischen Staaten erhalten Bauern pro Hektar zwischen 50 und 150 Euro, in Belgien sind es 470 Euro, in Deutschland etwa 320 Euro. Selbst auf nationaler Ebene gehen die Summen auseinander: Deß spricht von 50 Euro pro Hektar, die es in Südtirol gebe, und von 700 Euro in der Lombardei. Auch Deutschland kennt das Problem: In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 280 Euro pro Hektar, in Schleswig-Holstein rund 360 Euro. In Staaten wie Ungarn ist die Situation im Europa-Vergleich so verheerend, dass sich manche Bauern den Sozialismus zurückwünschen.
Die Direktzahlungen werden zum massiven Problem. Ein weiteres ist die Frage, wie die Bauern in Situationen wie der Ehec-Krise abgesichert sind. Schwierig wird zudem, eine einheitliche Nachhaltigkeit zu erreichen. Das sogenannte Greening, die Schaffung ökologischer Flächen zum Schutz des ländlichen Raums, soll verpflichtend werden und über die Höhe der Direktzahlungen entscheiden. Knifflig: Deutsche Landwirte betreiben längst freiwillig Greening, EU-Kollegen nicht. Nicht nur in dieser Frage muss bald ein Kompromiss gefunden werden.
Von unserem Redakteur Volker Boch