Kliniklandschaft der Zukunft
„Es wird sich an jedem Standort etwas ändern müssen“
Rheinland-Pfalz muss einen neuen Krankenhausplan aufstellen. Grundlage dafür ist ein Gutachten des Ist-Zustands. Jetzt beginnt der Diskussions- und Verhandlungsprozess.
Harald Tittel/dpa

Die Krankenhauslandschaft in Rheinland-Pfalz ist in Bewegung – und wird es bleiben. Das Land muss die auf Bundesebene beschlossene Krankenhausreform umsetzen. Im Gesundheitsausschuss wurde ein hierfür wichtiges Gutachten vorgestellt. Was darin steht.

327 Seiten. So dick ist ein neues Gutachten zur Krankenhauslandschaft in Rheinland-Pfalz. E in Liebhaberstück für Kenner der aktuellen Gesundheitspolitik. Das Gutachten wurde vom Beratungsunternehmen Partnerschaft Deutschland im Auftrag des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums erstellt – und am Dienstag im Gesundheitsausschuss des Mainzer Landtags vorgestellt.

Das Dokument ist wichtig und wird in den nächsten Jahren wichtig werden. Denn es bildet die Grundlage für die weitere Krankenhausplanung sowie die Umsetzung der großen Krankenhausreform des Bundes im Land. Was steht im Gutachten, wie steht es um die medizinische Versorgung in Rheinland-Pfalz und wie geht es nun weiter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Warum wurde das Gutachten überhaupt beauftragt?

Rheinland-Pfalz hat einen seit 2019 bis 2025 gültigen Landeskrankenhausplan. Die Landesregierung ist für die Krankenhausplanung im Bundesland zuständig. Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) kündigte Ende des vergangenen Jahres an, den aktuell gültigen Krankenhausplan bis Ende 2026 zu verlängern. Das nun veröffentlichte Gutachten bildet die Grundlage für einen neuen Krankenhausplan in Rheinland-Pfalz.

Um welche Fragen geht es in dem Gutachten?

In dem Gutachten untersuchte das Beratungsunternehmen Partnerschaft Deutschland die stationäre Versorgung der Bevölkerung sowie die Notfall- und Spezialversorgung, aber auch die Auswirkungen des beschlossenen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes, also der geplanten Krankenhausreform des Bundes. Diesen Fragen wurde nachgegangen: Welche Fahrzeiten zu einer medizinischen Einrichtung legen die Bürger zurück? Wo sind zu lange Fahrzeiten? Wo gibt es eine Über- und Unterversorgung? Wo übernehmen angrenzende Bundesländer die Versorgung mit? Welche Effekte werden sich aus der demografischen Entwicklung der Bevölkerung, Stichwort alternde Gesellschaft, ergeben?

Welcher Zeitraum wurde dabei untersucht?

Die Daten des Gutachtens beziehen sich auf die Jahre 2019 bis 2023. Neuere Daten gibt es nach Angaben von Matthias Schatz von Partnerschaft Deutschland (noch) nicht.

Was sind die Ergebnisse des Gutachtens?

Die wichtigsten Ergebnisse lauten: In Rheinland-Pfalz gab es für die stationäre medizinische Versorgung der Bevölkerung im Jahr 2023 105 Krankenhausstandorte und 21 Tageskliniken. Insgesamt standen 2023 im Schnitt rund 23.300 beziehungsweise 23.500 betriebsbereit aufgestellte Krankenhausbetten im Bundesland zur Verfügung. Die Zahl der Krankenhausbetten pro 100.000 Einwohner lag im Land im Jahr 2023 mit rund 559 Betten auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts (564 Betten). Wobei die Anzahl der Betten zwischen den Standorten deutlich variiert. Insgesamt gab es seit 2019 einen leichten Rückgang der Betten (minus 7 Prozent).

Die Bettenauslastung lag dabei bei rund 67 Prozent – und damit unter dem Bundesdurchschnitt von 71 Prozent und bundesweit am niedrigsten. Und: Schaut man auf die Entwicklungen der Fallzahlen im vollstationären Bereich, zeigt sich, dass das Vor-Corona-Niveau bisher nicht wieder erreicht wurde.

Nach Angaben der Gutachter hatten 50 Prozent der Krankenhausstandorte in Rheinland-Pfalz weniger als 150 Krankenhausbetten. Die Schlussfolgerung von Partnerschaft Deutschland lautet: Die teilweise kleinteiligen Bettenstrukturen der Häuser stelle die Krankenhauslandschaft vor wirtschaftliche und qualitative Herausforderungen.

Die teilweise kleinteiligen Bettenstrukturen der Häuser stellt die Krankenhauslandschaft vor wirtschaftliche und qualitative Herausforderungen - sagt das Beratungsunternehmen Partnerschaft Deutschland.
Thomas Frey/dpa

Wie sehen die Ergebnisse zur Notfallversorgung aus?

Laut Gutachter konnten 98 Prozent der Einwohner von Rheinland-Pfalz 2023 einen Krankenhausstandort mit mindestens einer Basisnotfallversorgung in unter 30 Minuten erreichen. Schaut man sich den zweitnächsten Versorger an, erreichten noch immer 91 Prozent der Einwohner innerhalb von 30 Minuten einen Krankenhausstandort mit einer Notfallmedizin. Problematischer sieht die Situation nach Angaben der Gutachter im Rhein-Lahn-Kreis sowie im westlichen Teil des Ahr-Kreises aus. Hier wurden in den vergangenen Jahren die Krankenhäuser in Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis) sowie in Adenau (Kreis Ahrweiler) geschlossen.

Schatz sprach im Gesundheitsausschuss dennoch von einer „sehr guten Versorgungssituation“, viel mehr gehe gar nicht. Kritiker dürften das anders sehen.

Was steht sonst noch im Gutachten?

Spannend ist etwa das Ergebnis zur Vernetzung bei der Versorgung zwischen Rheinland-Pfalz und seinen angrenzenden Nachbarbundesländern. Der sogenannte Pendlersaldo betrug im Jahr 2023 rund minus 64.000 Fälle. Das bedeutet, dass mehr Personen mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz zur Behandlung ein Krankenhaus in einem anderen Bundesland aufsuchten – als Personen mit Wohnadresse in einem anderen Bundesland nach Rheinland-Pfalz zur Behandlung kamen. Die meisten Auspendler fuhren zur Behandlung nach NRW und Baden-Württemberg.

„Wir wollen auch in Zukunft eine medizinische Versorgung an allen 126 Krankenhausstandorten anbieten.“
Gesundheitsstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD) im Gesundheitsausschuss des Landtags.

Welche Erkenntnisse lieferte das Gutachten für unsere Region?

Matthias Schatz von Partnerschaft Deutschland erklärte, dass die medizinische Versorgung regional sehr differenziert betrachtet werden müsse. Den Raum Koblenz bezeichnete er „am interessantesten“. Hier gebe es „erstaunlich viele Krankenhäuser auf erstaunlich engem Raum“. In der Region könne man sicher konzentrieren, also Angebote zusammenführen. Sprich: Die Kliniken im Raum und vor allem der Stadt Koblenz dürften und müssen sich wandeln.

Gesundheitsstaatssekretärin Nicole Steingaß (SPD) kündigte im Ausschuss an, dass man an jedem der insgesamt 126 Krankenhausstandorte im Bundesland – die Tageskliniken mit eingerechnet – „auch in Zukunft eine medizinische Versorgung anbieten will“ – also auch nach der großen Krankenhausreform des Bundes. Wie diese genau aussehen wird, ließ Steingaß offen. Sie erklärte, dass auf die Kliniken Veränderungen zukommen würden. „Es wird sich auch an jedem Standort etwas ändern müssen“, sagte die SPD-Politikerin, die Gesundheitsminister Hoch im Ausschuss vertrat.

Staatssekretärin Nicole Steingaß (SPD)
Thomas Frey/dpa

Was heißt das konkret?

Ein neuer, wesentlicher Baustein könnten sogenannte Regiokliniken sein. Sie sollen einen Mix aus ambulanten und stationären Versorgungsleistungen anbieten, eine Anlaufstelle für „Alltagsnotfälle“ sein – aber nicht für schwere Notfälle, so Steingaß. Zu viele Patienten kommen laut Staatssekretärin mit eher harmlosen Beschwerden in die Notaufnahmen. An den Regiokliniken könnten also ambulante Operationen, Kurzzeitpflege, geriatrische Leistungen, also altersheilkundliche Leistungen, und eine Medikamentenabgabe angeboten werden. Sie könnten sich laut Steingaß auch aus Medizinischen Versorgungszentren (weiter-)entwickeln.

Wie viele Regiokliniken es geben wird, sei noch unklar. Wobei es laut Experten eher auf ein halbes Dutzend hinauslaufen könnte. Zudem solle die Telemedizin intensiviert werden, erklärte Steingaß. Sie könne den Fachärztemangel ein wenig beheben – gerade in einem Flächenbundesland wie Rheinland-Pfalz.

Wie geht es nun weiter?

Staatssekretärin Steingaß erklärte, man führe aktuell bereits Gespräche mit den Krankenhausträgern. Am Mittwoch begannen sogenannte Regionalkonferenzen – die erste für die Regionen Bad Kreuznach und Mainz. Die Tagung für das gesamte nördliche Rheinland-Pfalz rund um Koblenz ist für den 31. März terminiert.

Bei den Regionalkonferenzen kommen Kommunen, Träger, die Kassenärztliche Vereinigung sowie das Gesundheitsministerium zusammen. Steingaß sagte, es gehe darum, die Träger zu sensibilisieren, das Gutachten vorzustellen und Transparenz über die aktuelle Situation herzustellen. Das große Ziel dürfte sein, möglichst einvernehmliche Lösungen für die Krankenhauslandschaft sowie medizinische Versorgung und zur Frage, wo künftig welche Leistung erbracht werden soll, zu finden. Ausgang? Ungewiss! Beschlüsse soll es jedenfalls nicht geben.

Wann tritt die Krankenhausreform im Land in Kraft?

Ab dem 30. September soll der Medizinische Dienst überprüfen, ob die Kliniken die Vorgaben der Krankenhausreform, insbesondere mit Blick auf die Vorgaben bei Leistungsanforderungen und Personal, erfüllen können. Ende 2026 muss der Plan für Rheinland-Pfalz stehen. Inkrafttreten soll die Reform in Rheinland-Pfalz dann zum 1. Januar 2027. Andere Bundesländer wie NRW sind übrigens schon deutlich weiter.

Was sagt die Opposition?

Die CDU-Opposition erklärte, dass sie die Krankenhausreform grundsätzlich für notwendig halte. Sie forderte aber erneut eine Überbrückungsfinanzierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christoph Gensch, sagte, man könne auf „einer Trümmerlandschaft“ keine neue Krankenhauslandschaft aufbauen.

Top-News aus der Region

Weitere regionale Nachrichten