Lachgas als Partydroge – das ist nicht neu. Distickstoffmonoxid (N2O) ist bereits vor seiner erstmalig dokumentierten Anwendung als Narkosemittel im Jahr 1844 zum Vergnügen konsumiert worden, erklärt Dieter Pöhlau der RZ. „Dabei wurden neben der berauschenden Wirkung häufig Kicherattacken ausgelöst, die dem Gas seinen Trivialnamen gegeben haben“, fügt der ärztliche Direktor der Kamillus-Klinik in Asbach (Kreis Neuwied) hinzu.
Häufig in geringen Mengen in der Medizin verwendet
Bis heute findet Lachgas in der Medizin Anwendung. Da es entspannend und bereits in niedriger Dosierung schmerzlindernd wirke, werde es in der Zahnmedizin eingesetzt. Auch in der Geburtshilfe und Dermatologie werde Lachgas eingesetzt. Es werde aber auch als Treibgas für Milchprodukte wie etwa zum Aufschäumen von Sahne verwendet, erklärt Pöhlau weiter.
„Wenn es als Partydroge verwendet wird, wird reines Lachgas verwendet und damit wird auch eine Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff hervorgerufen“, so der Arzt weiter. Und das ist „in“: Es gebe einen steilen Anstieg der Inzidenz von N2O-induzierten neurologischen Störungen ab 2020, der Mitte 2021 mit 6,15 pro 100.000 Personen seinen Höhepunkt erreichte.
Zudem habe das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) im Jahr 2023 berichtet, dass N2O aktuell als eine der am weitest verbreiteten psychoaktiven Substanzen in Europa gilt. Laut dem European Drug Report der EMCDDA hätten bereits 2,7 Prozent der unter 15- bis 34-Jährigen im Jahr 2021 Erfahrungen mit dem Gas gesammelt, spricht der Neurologe von Zahlen.
Wirkung ähnlich Ketamin
„Während des akuten Rausches können psychische Störungen wie Angstzustände, Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen auftreten. Wenn gleichzeitig Alkohol oder andere Drogen konsumiert werden, steigen die Risiken“, so Pöhlau. Auf neuronaler Ebene liege der Lachgaswirkung vermutlich eine Stimulation der Opioid-Rezeptoren und eine Blockade der N-Methyl-D-Aspartat-Rezeptoren zugrunde; hier bestehe eine Ähnlichkeit mit dem Wirkmechanismus von Ketamin.
„Wenn das Gas direkt aus der Kartusche in die Lunge kommt, gibt entstehen in seltenen Fällen durch die explosionsartige Druckerhöhung in den Atemwegen Risse in der Lunge – medizinisch: Pneumothorax, Pneumoperikard und Schock“, warnt Pöhlau vor weiteren Probleme. Und: Da das Gas pur aus Ballons konsumiert wird, sinke die Sauerstoffversorgung des gesamten Körpers, vor allem des Gehirns, das dadurch geschädigt werden kann. In der Abflutungsphase trete Lachgas aus dem Körper wieder in die Lungen aus und verlängere so die Zeit mit unzureichender Sauerstoffversorgung.
Folgeschäden durch Vitamin-B12-Mangel
„Lachgas wird nicht metabolisiert und unverändert wieder ausgeatmet. Es bewirkt eine irreversible Oxidation und damit Inaktivierung des Kobalt-Ions in Vitamin B12. Damit führt es zu einem Vitamin-B12-Mangel“, so der Ärztliche Direktor. Dabei spiele Vitamin B12 in vielen Systemen eine Rolle. Ein Mangel könne zu Blutarmut führen, es entstehen Eiweiße, die zu Arteriosklerose führen könnten. Die Immunabwehr könne ebenfalls geschwächt werden.
Den Kick, den schnellen Rausch gibt es im Kiosk. Oder beim Lieferdienst. Lachgas ist unglaublich einfach zu bekommen - die Kartuschen, die auch in der Küche zum Einsatz kommen, gibt es in unterschiedlichen Größen, sogar verschiedenen Geschmacksrichtungen.Bis einem das Lachen vergeht: Wie die Partydroge Lachgas einen 19-Jährigen ins Asbacher Krankenhaus brachte
Besonders problematisch seien die neurologischen Ausfälle, die vor allem dadurch entstehen, dass die Isolierung der Nervenfasern geschädigt werde. So entstehen laut Pöhlau Taubheit von Händen und Füßen, Gangstörungen, Gleichgewichtsstörungen – wie im Fall von Lars K. „Auch das Gehirn kann geschädigt werden und Störungen von Gedächtnis und anderen höheren Hirnleistungen können auftreten. Wenn ein solcher Vitamin-B12-Mangel nicht rechtzeitig behoben wird, können dauerhafte Schäden entstehen“, warnt Pöhlau. Zur Behandlung empfiehlt er Sauerstoff und die Injektion von Vitamin B12.