Von den 67 Millionen Euro für die Sanierung des gesamten historischen Ensembles entfallen etwa 3 Millionen auf die Fassade – 1,2 Millionen Euro mehr als ursprünglich kalkuliert. „Dafür müssen nicht in zwei bis drei Jahren wieder Baugerüste aufgestellt werden“, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) bei einem Rundgang über die Baustelle. Insgesamt steigen demnach die Kosten voraussichtlich um 7 Millionen Euro, der Einzug ist jetzt Ende des ersten Quartals 2021 geplant und nicht mehr schon Ende 2020.
Fehlender Brandschutz, technische Unzulänglichkeiten, keine Barrierefreiheit und nicht genug Platz für die Besuchergruppen – das waren die vier Hauptgründe für die allererste grundlegende Sanierung des Parlamentsgebäudes. Im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstört, wurde das Deutschhaus Anfang der 1950er-Jahre in nur 150 Tagen zum Parlamentsgebäude hochgezogen. Der Beginn der Grundsanierung war nach der letzten Plenarsitzung im Dezember 2015.
An die 40 Putzer, Restaurateure, Steinhandwerker, Fassadenreiniger und Zimmerleute von fünf Firmen arbeiten derzeit an der Fassade des historisch bedeutenden Ensembles. Die frei gewählte Mainzer Republik tagte einst in den Mauern. Der kurzlebige Freistaat (von März bis Juli 1793) gilt als erste Demokratie auf deutschem Boden.
Fassadengutachter und Restaurator Roger Thamm zählt eine Reihe unerwarteter Probleme auf: Dass die von zwei Atlas-Figuren getragene, vier Tonnen schwere, zweiteilige Balkonplatte am Haupteingang ausgetauscht werden muss, sei vorher nicht klar gewesen, sagt der Fachmann aus der Nähe von Limburg.
„Nach der Gerüststellung und Abnahme der Fassungen zeigte sich, dass früher aufgetragene mineralische Steinergänzungsmassen zum Teil nicht mit Dübeln oder Drähten im Untergrund rückverankert waren“, berichtete Thamm. „An einigen Stellen bestand die Gefahr eines Absturzes.“ Diese alte Ergänzungsmasse müsse daher entfernt und komplett durch eine neue, mit Edelstahldrähten gesicherte und auf den Naturstein abgestimmte Masse ersetzt werden.
An den Sandsteinsockeln der dem Deutschhaus vorgelagerten Kavaliersgebäude sei zudem Zement statt einer mörtelhaltigen Steinergänzungsmasse verwendet worden, erklärt Thamm. Oberhalb der Sockel sei im Laufe der Jahre – aus mehreren Lagen Putz und Anstrichen – eine bis zu acht Zentimeter dicke Schicht entstanden. Diese müsse ausgetauscht werden. „Sonst besteht auch hier die Gefahr eines Absturzes.“
Die Hölzer der Fenster waren auch viel stärker verwittert als erwartet, ergänzt Architekt Martin Hof. Die Holzverschalung müsse ausgetauscht werden, obwohl die neuen Fenster schon drin sind. „Es ist auf die Grundinstandsetzung nur immer wieder draufgearbeitet worden.“ Landtagspräsident Hering sagt: „Dass man die Notsanierung des Landtags über 50 Jahre so intensiv nutzen konnte, ist fast ein Wunder gewesen.“
Die Fassade zum Deutschhausplatz sei stellenweise ein „Problemuntergrund“, schildert Thamm eine weitere Überraschung, die vom Anstrich verdeckt war. Ein Mischmauerwerk aus Kalk, Ziegeln sowie Steinen aus Porenbeton und Bims mache dem Putz zu schaffen. „Der reißt und löst sich.“ Bei der Sanierung wird daher in die erste Schicht ein Edelstahlgewebe eingezogen, und in die zweite Glasfasern. Dann erst kommt der Oberputz mit dem Finish. Insgesamt 40 Millimeter. „Die müssen 40 Tage trocknen.“ Dafür werden sie mit Leinentüchern abgedeckt, die bei Sonne gewässert werden.
„Das Gebäude ist wie ein Auto“, sagt Thamm. „Man repariert und repariert, aber irgendwann geht das nicht mehr.“ Durchschnittlich 30 Jahre hält eine gut gepflegte Putzfassade nach seiner Einschätzung. „Dann muss sie wieder neu gestrichen werden.“