Neun Wochen danach steht Ahrweinprinzessin Linda Trarbach auf der Bühne des Saalbaus in Neustadt an der Weinstraße und bringt mit einem sensationellen Auftritt Publikum und Jury zum Staunen. Ja, sie habe gezögert, ob sie zur Wahl der Deutschen Weinkönigin antreten solle oder nicht, bekennt Linda Trarbach im Gespräch mit Moderator Holger Wienpahl: „Ich habe überlegt: Wen soll ich denn noch repräsentieren?“
Trarbach selbst bangte in der Flutnacht gemeinsam mit ihrer Familie um Haus, Leben und Zukunft. Als die Flut sank, waren Keller und Erdgeschoss ihres Elternhauses komplett zerstört, das Stammhaus der Dagernova in Dernau stark beschädigt. Von ihren 600 Genossenschaftsmitgliedern habe es nur eine Handvoll nicht getroffen, berichtete Trarbach nach der Sendung im Gespräch mit unserer Zeitung. Und doch habe sie sich entschlossen anzutreten: „Ein Grund, warum ich hier stehe, ist, um Danke zu sagen für all die Hilfe“, sagte Trarbach – sie würde gern das Jahr als Deutsche Weinkönigin nutzen, um der Ahr Hoffnung zurückzugeben.
Die junge Tourismusexpertin punktete danach auch noch mit Souveränität, Weinwissen und einer unglaublichen Bühnenpräsenz und verband scheinbar mühelos Ernsthaftigkeit mit Charme – in das Finale am Freitag geht sie fraglos als Favoritin. Doch auch die übrigen jungen Frauen legten die Latte hoch: Elf Kandidatinnen aus den deutschen Weinanbaugebieten stellten sich in diesem Jahr zur Wahl, darunter waren eine Bildungsmanagerin und eine angehende Medizinerin, die Archäologin Saskia Teucke aus der Pfalz, Marketingfachfrau Valerie Gorgus aus dem Rheingau und sogar eine Polizistin.
Nach der Flutkatastrophe an der Ahr könnte eine alte Institution neue Hoffnung ins Ahrtal bringen: Linda Trarbach aus Dernau steht im Finale zur Wahl der deutschen Weinkönigin – und das mit einem unglaublich berührenden Auftritt am Samstag.Wahl zur 73. Deutschen Weinkönigin: Diese sechs Kandidatinnen sind noch im Rennen
Marie Jostock aus Köwerich an der Mosel bezauberte mit strahlendem Auftreten und löste elegant auf Englisch die Aufgabe, eine Trockenbeerenauslese anzupreisen: „Wenn du je eine probiert hast, willst du nicht mehr ohne leben“, versprach die 21 Jahre alte Polizistin in flüssigem Englisch. Drei Fachfragen einer Masterjury musste jede Kandidatin beantworten, eine wichtige Rolle spielt dabei die englische Frage – die Deutsche Weinkönigin absolviert im Jahr rund 200 Termine im Inland, aber eben auch auf internationaler Bühne.
Für manch eine Kandidatin erwies sich das Englische als zu hohe Hürde, andere punkteten gerade mit ihrer Internationalität: Henrike Heinicke aus Württemberg hat schon deutsche Weine in Mallorca, Südtirol, Kalifornien und sogar in Alaska verkauft. Die 25-Jährige spielte sich mit einem souveränen Auftritt ins Finale, während ihre Kollegin Sina Erdrich aus Baden vor allem mit Reaktionsschnelle und Fachwissen bei den Spielrunden punktete, bei denen es „Fake News“ in Weinnachrichten zu erkennen galt.
Für den Zuschauer waren die Runden durchaus kurzweilig, auf lockere Weise erfuhr man viel über Federweißen, Bukettrebsorten, Weingeschichte oder die Absatzmenge für alkoholfreien Wein: Es sind weniger als 1 Prozent. Schon zum zweiten Mal muss die Wahl indes unter Pandemiebedingungen stattfinden, im Saalbau in Neustadt waren deshalb nur 350 Zuschauer zugelassen – das Deutsche Weininstitut und der SWR überließen die Tische den Fans und Familien der Kandidatinnen. Die 70-köpfige Jury saß derweil am Livestream und gab ihr Votum digital ab, was anstandslos klappte.
Am Ende standen die sechs Finalistinnen aus Baden und Württemberg, dem Rheingau, der Pfalz und von der Mosel fest – und eben Linda Trarbach von der Ahr. Würde Trarbach tatsächlich die 73. Deutsche Weinkönigin werden, sie würde die Krone von ihrer Nachbarin Eva Lanzerath übernehmen: Auch die scheidende 72. Deutsche Weinkönigin kommt von der Ahr. „Es wäre für mich das Allergrößte, die Krone von Eva übernehmen zu können“, sagte Trarbach denn auch: „Es wäre ein Riesenzeichen für die Ahr.“