In Corona-Zeiten kaufen viele seltener ein - Für den Anbieter von "Impulsprodukten" wie Gummibärchen ist das ungünstig
Ein schwieriges Jubiläumsjahr für Haribo: In Corona-Zeiten kaufen viele seltener ein – auch Gummibärchenabsatz betroffen
„Haribo macht Kinder froh“: Den Werbespruch kennt wohl jeder. Die Beschäftigten im sächsischen Werk Wilkau-Haßlau freuten sich allerdings gar nicht, als das Unternehmen mitten im Jubiläumsjahr die Schließung des Standorts ankündigte. Foto: Haribo
picture alliance/dpa/Haribo GmbH

Grafschaft. Rund 160 Millionen Goldbären verlassen Tag für Tag weltweit die Haribo-Werke – und dazu noch zahllose Tüten voller Lakritzschnecken und anderer Süßwaren. Zum 100-jährigen Bestehen ist das am 13. Dezember 1920 in Bonn gegründete Familienunternehmen damit nicht nur Marktführer im Fruchtgummi- und Lakritzsegment in Deutschland. Es ist in diesem Jahr nach eigenen Angaben auch in den USA – den Schokoladenmarkt ausgenommen – zur Süßwarenmarke Nummer eins aufgestiegen.

Haribo feiert den 100. Geburtstag schon seit Jahresbeginn mit einer aufwendigen Werbekampagne. Allerdings erwies sich ausgerechnet das Jubiläumsjahr als nicht ganz einfach für den Konzern. Nicht nur Corona machte dem Süßwarenhersteller zu schaffen.

In Ostdeutschland löste die Ankündigung, das Haribo-Werk im sächsischen Wilkau-Haßlau bei Zwickau zu schließen, Empörung aus. Das Land Sachsen beendete daraufhin seine Werbekooperation mit dem Süßwarenhersteller. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schaltete sich ein und forderte die Geschäftsführung auf, ihre Pläne noch einmal zu überdenken. Haribo hält allerdings an seiner Entscheidung fest. Die Schließung sei mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit und künftige Ausrichtung von Haribo „wirtschaftlich notwendig“, sagte ein Unternehmenssprecher.

Streit um eine von Haribo geforderte Preiserhöhung führte außerdem dazu, dass Lidl-Kunden seit Monaten keine Haribo-Produkte mehr in den Regalen des Discounters finden. Auch Edeka hatte nach Brancheninformationen sein Haribo-Sortiment zeitweise eingeschränkt. Doch scheint dieser Streit mittlerweile beigelegt. „Bei Edeka füllen sich die Regale wieder“, hieß zuletzt bei Haribo.

Auch die Corona-Krise ging an dem Süßwarenhersteller nicht spurlos vorbei. Zwar verzeichnete das Unternehmen nach eigenen Angaben im Lebensmittelhandel im ersten Halbjahr Umsatzzuwächse, doch brachen gleichzeitig in anderen Verkaufskanälen – etwa an Flughäfen und Bahnhöfen – die Umsätze ein. Außerdem macht sich im derzeitigen Teil-Lockdown bemerkbar, dass die Verbraucher viel seltener einkaufen gehen als früher – und dann oft Großeinkäufe tätigen, erklärt ein Haribo-Sprecher. „Oft fehlt die Muße, was für ein Impulsprodukt wie unseres nicht vorteilhaft ist.“

Gegründet wurde das Unternehmen 1920 von dem gelernten Bonbonkocher Hans Riegel in einem Bonner Hinterhof. Das spiegelt sich bis heute im Firmennamen: Er steht für HAns RIegel BOnn. Das Unternehmen wuchs schnell. Schon 1922 tauchten die ersten Fruchtgummibärchen im Angebot auf. 1925 begann Riegel auch mit der Herstellung von Lakritzprodukten. Heute beschäftigt das Familienunternehmen weltweit 7000 Mitarbeiter, hat Produktionsstätten in zehn Ländern und exportiert seine Süßwaren in mittlerweile mehr als 100 Länder.

Allein in Deutschland sind etwa 300 Produkte im Angebot, weltweit sogar rund 1000. Es gehöre zum Erfolgsgeheimnis, die eigenen Produkte geschmacklich auf die landestypischen Vorlieben abzustimmen, erklärt Haribo die Vielfalt. Firmensitz ist seit 2018 nicht mehr Bonn, sondern die nahe gelegene rheinland-pfälzische Gemeinde Grafschaft, wo Haribo eine neue Firmenzentrale bezog.

Trotz Corona blickt Haribo durchaus optimistisch in die Zukunft. „Der US-amerikanische Markt ist für uns sehr wichtig. Hier sehen wir auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen großen Markt und weitere Wachstumschancen für Haribo“, sagt der Firmensprecher. Derzeit entsteht im Bundesstaat Wisconsin das erste Haribo-Werk in Nordamerika.

Zugleich stärkt der Süßwarenhersteller weltweit seine Präsenz im E-Commerce. Weiße Flecken sieht das Familienunternehmen auch noch in Asien. In Deutschland kann davon keine Rede sein: Der Marktanteil von Haribo im Geschäft mit Fruchtgummi und Lakritz schwankt hier zwischen 56 und 60 Prozent.

Die aktuelle Diskussion um den überhöhten Zuckerkonsum in der Bevölkerung sieht der Süßwarenhersteller nicht als Gefahr für seine Zukunft. „Den viel diskutierten versteckten Zucker gibt es bei Haribo nicht“, betont der Unternehmenssprecher. Goldbären, Lakritzschnecken und Co. seien Genussprodukte und keine Grundnahrungsmittel. Das sei den Verbrauchern auch bewusst. Auf die nächsten 100 Jahre blickt Haribo denn auch mit Zuversicht, wie der Firmensprecher sagt: „Genascht wird immer.“

Von Erich Reimann

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