Der nächste Montag wird ein wichtiger Schicksalstag für das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM). Die Gesellschafterversammlung will dann darüber entscheiden, mit dem Klinikverbund in jenen groß angelegten Sanierungsprozess einzusteigen, der seit Monaten im Raum steht. Der Koblenzer Stadtrat und der Kreistag Mayen-Koblenz – Kreis und Stadt sind die Hauptgesellschafter des GKM – haben bereits ihre Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen gegeben.
Am Ende soll das Gemeinschaftsklinikum finanziell saniert und, in kommunaler Trägerschaft, zukunftsfähig gemacht worden sein. Grundlage für Sanierung und Umbau des GKM ist ein Gutachten der Unternehmensberatung Roland Berger. Es wurde im Frühjahr erstellt, nachdem bekannt wurde, dass die Sana Kliniken GmbH, ein privater Gesundheitsdienstleister, nicht wie geplant Mehrheitseigner des Klinikverbundes wird. Das Gutachten ist nicht öffentlich, die Inhalte sind unserer Zeitung teilweise bekannt, wobei sie wohl bereits an einigen Stellen angepasst worden sind. Was bisher bekannt ist:
1. Die finanzielle Lage: Kurz gesagt: Ständig fehlt dem Gemeinschaftsklinikum flüssiges Geld. Es ist in finanzieller Schieflage, seit Jahren springen Kreis und Stadt immer wieder in die Bresche, um die Liquidität des angeschlagenen Klinikverbundes etwa über Darlehen zu sichern. Zuletzt beschlossen die Gremien der beiden Hauptgesellschafter, zusätzlich zu weiteren kurzfristigen Mitteln Bürgschaften in Höhe von je 25 Millionen Euro übernehmen zu wollen. Diese Maßnahme ist bereits ein Vorgriff auf die Zukunft.
Laut Gutachten klafft beim Gemeinschaftsklinikum offenbar eine „Liquiditätslücke“ von bis zu 106 Millionen Euro bis Ende 2027. Allein für das laufende Jahr fehlten 26 Millionen Euro, hieß es im März, bevor die Gesellschafter erneut Zusicherungen machten – die immer auch darauf abzielen, dass die Banken weiter mitziehen.
Die Bürgschaften wären ein „möglicher Finanzierungsbaustein“, heißt es im Gutachten, um diese Lücke in den kommenden Jahren zu schließen. Generell verzeichnete das Klinikum offenbar 2023 ein negatives Jahresergebnis von rund 4 Millionen Euro, in den vergangenen Jahren war das Defizit teils noch höher (2020: 5,8 Millionen; 2021: 11,4 Millionen). Die Defizite am Standort in Boppard (Heilig Geist) beliefen sich im vergangenen Jahr auf 2 Millionen Euro, die in Nastätten (Paulinenstift) auf 2,4 Millionen Euro.
Während der Recherchen rund um das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein (GKM) hörten die Reporterinnen und Reporter unserer Zeitung in den vergangenen Monaten immer wieder in unterschiedlichen Ausprägungen folgende Gedanken von Gesprächspartnern: Unternehmen teilen Zahlen und Strategien nicht einfach ...Kommentar zur anstehenden Sanierung des GKM: Wer öffentliche Debatten meidet, fördert die Demokratieverdrossenheit
In den vergangenen Jahren sollen die beiden Standorte insgesamt rund 13 Millionen Euro Verluste eingefahren haben. Auch das evangelische Stift verzeichnete zuletzt ein negatives Ergebnis (0,5 Millionen Euro), während in Mayen (St. Elisabeth) immerhin zuletzt 2023 mit 1,6 Millionen Euro und am Kemperhof durchgängig (2023: 1,8 Millionen Euro) positive Jahresergebnisse erzielt werden konnten. Immer wieder ist zudem zu hören: Der Investitionsstau, etwa in der Gebäudestruktur, ist enorm. Begründet wird die schwierige Lage unter anderem mit ineffizienten Prozessen und teils zu geringen Auslastungen.
2. Die mögliche Zukunft: Ab 2028 soll der Klinikverbund wieder in der Lage sein, selbstständig und ohne dauernde Finanzspritzen der öffentlichen Hand zu wirtschaften und seine Schulden zu bedienen. Die Hoffnung ist, dann wieder unterm Strich ein positives Jahresergebnis von mehreren Millionen Euro und laut Gutachten eine „branchenübliche Rendite“ von mehr als 6 Prozent einfahren zu können. Dieser Weg wird allerdings nicht ohne Schmerzen zu beschreiten sein.
Und: Generell führt er in Richtung Zentralisierung. Auch sollen Sachkosten gesenkt, Leistungen verbessert und die „Verweildauer“ der Patienten optimiert werden. Wenig umstritten, wenn auch teuer, ist die Zusammenlegung von evangelischem Stift und Kemperhof in Koblenz zu einem großen Krankenhaus, die sogenannte Einstandortlösung.
Hinter verschlossenen Türen diskutieren Kreistag Mayen-Koblenz und Stadtrat Koblenz seit Wochen ein nicht öffentliches Sanierungsgutachten, das harte Einschnitte an den verschiedenen Standorten des Gemeinschafsklinikums Mittelrhein vorsieht.St.-Elisabeth-Krankenhaus in Mayen: Welche Abteilungen könnten schließen?
Zur Diskussion steht laut Gutachten des Weiteren offenbar, das St. Elisabeth in Mayen umzustrukturieren. Hier könnte zwar die Psychosomatik aus Boppard Einzug halten, dafür würden Gastroenterologie und die Viszeralchirurgie geschlossen und nach Koblenz verlegt. Abgewickelt werden – als Option wird im Gutachten ein Insolvenzverfahren genannt – könnten die medizinischen Versorgungszentren. 17 dieser eng ans Klinikum angegliederten und teils stark spezialisierten Praxen gibt es in der Region, sie liegen in Koblenz, Mayen, Boppard und Nastätten. Die Seniorenhäuser von Seniocura, ein weiteres Tochterunternehmen des GKM, könnten verkauft oder an die Stiftungen gegeben werden.
3. Schmerzhafte Einschnitte: Besonders schmerzhaft wäre eine komplette Schließung des Paulinenstiftes Nastätten und der Heilig-Geist-Klinik Boppard. Diese Option wird ebenfalls im Gutachten benannt, und seit Mitte April wurde sie öffentlich intensiv diskutiert. Die Lage in Nastätten ist dabei eine andere als in Boppard. Das Paulinenstift ist für den Rhein-Lahn-Kreis versorgungsrelevant. Im Rhein-Hunsrück-Kreis gibt es indes ausreichend Krankenhauskapazitäten. Verzichten würden der Rhein-Hunsrück-Kreis und die Stadt Boppard dennoch ungern auf das Haus. Sie haben deswegen gemeinsam mit der Stiftung „Hospital zum Heiligen Geist“ ihre Bereitschaft erklärt, bis Ende des Jahres finanziell für Defizite in die Bresche zu springen, um das Bopparder Krankenhaus zu retten.
Die Atempause währte nur kurz. Der Koblenzer Oberbürgermeister David Langner (SPD) hat derzeit den Vorsitz der Gesellschafterversammlung inne, aus dem Rathaus der Rhein-Mosel-Stadt war mittlerweile zu hören, finanzielle Zusagen für Heilig Geist müssten bis ins Jahr 2025 reichen, um den Standort gegebenenfalls zu erhalten. Die aktuelle Beschlusslage aus Boppard sei nur „ein schönes Signal, das aber nicht viel bringt“, hieß es zuletzt aus Gesellschafterkreisen gegenüber unserer Zeitung. Wie es mit dem Paulinenstift und Heilig Geist weitergeht, ist derzeit daher noch offen.
4.Verhandlungen mit den Stiftungen: Neben Stadt und Kreis sind die bereits genannten Stiftungen Teil der Gesellschafterversammlung, neben der Stiftung „Hospital zum Heiligen Geist“ in Boppard sind das die Stiftung des Evangelischen Stiftes St. Martin, die Stiftung Seniorenhaus zum Heiligen Geist Boppard und die Diakoniegemeinschaft Paulinenstift Wiesbaden.
Boppard/ Koblenz. Am kommenden Montag, 15. Juli, soll die Gesellschafterversammlung des Gemeinschaftsklinikums Mittelrhein (GKM) unter anderem über die Zukunft der Krankenhausstandorte in Nastätten und Boppard entscheiden.Heilig Geist Krankenhaus Boppard: GKM steht vor Entscheidung über Zukunft des Hauses
Auch mit ihnen laufen komplizierte Verhandlungen, an deren Ende ein Rückzug der Stiftungen und damit ein rein kommunales Klinikum stehen sollen. Wie aus gut informierten Kreisen zu hören ist, befinden sich die Hauptgesellschafter mittlerweile nun auch mit der Stiftung Paulinenstift in Verhandlungen um einen Ausstieg. Nach Informationen unserer Zeitung werden diese auch Thema während der nicht öffentlichen Sitzung des Koblenzer Stadtrats am heutigen Freitag sein, in der das Gremium einmal mehr über das GKM reden wird.
5.Wechsel in der Geschäftsführung: Unterdessen gab es wohl einen Wechsel in der Geschäftsführung des Gemeinschaftsklinikums. Wie die Pressestelle des GKM auf Nachfrage bestätigte, ist am 1. Juli Florian Distler als designierter Geschäftsführer eingestiegen, im Rahmen der Gesellschafterversammlung soll er bestellt werden. Distler stammt aus dem Umfeld der Paracelsus Kliniken, einer großen privaten Klinikgruppe mit Sitz in Osnabrück.
Er trete, so heißt es seitens der Pressestelle, die Nachfolge von Klaus Goedereis an, der im April 2023 als „Interimsgeschäftsführer für einen kurzen Übergangszeitraum eingeplant“ gewesen war. „Nach fast anderthalb Jahren war aufgrund weiterer beruflicher Verpflichtungen von Dr. Goedereis eine weitere Verlängerung leider nicht möglich, sodass es zu diesem Wechsel kommt. An der Seite von Geschäftsführer Christian Straub wird sich Herr Distler den aktuellen Herausforderungen im GK-Mittelrhein widmen.“