Rheinland-Pfalz
Drittes Geschlecht berücksichtigen: Piraten monieren Kommunalwahlgesetz

Rheinland-Pfalz. Ein Kernstück des umstrittenen rot-grünen Kommunalwahlgesetzes hatte der Verfassungsgerichtshof (VGH) noch vor den Wahlen im Juni gestoppt: Den Stimmzettel mit aufgedruckten Frauenquoten erklärte er für verfassungswidrig, weil jeder in der Wahlkabine die Freiheit und das Recht hat, von Belehrungen in Ruhe gelassen zu werden - auch vom Hinweis, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind.

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Von unserer Redakteurin Ursula Samary

Jetzt überprüft der VGH auf Antrag der Piraten die Rechte von Parteien und Wählergruppen. Dabei geht es um die Frage, ob der Staat von ihnen verlangen darf, dass sie dokumentieren, von wie vielen Frauen und Männern die Kandidaten jeweils aufgestellt wurden. Außerdem muss öffentlich bekannt gemacht werden, wie viele Frauen und Männer auf der Liste zum Zuge kamen. Die Parität ist für Rot-Grün ein Prüfstein, wie frauenfreundlich Parteien sind.

Piraten des dritten Geschlechts

Von den Regelungen fühlt sich die Piratenpartei in ihren Chancen eingeschränkt, ebenso die Freiheit ihrer Mitglieder. Sie befürchtet Nachteile in der Wählergunst, weil sie vor allem männliche Kandidaten in ihren Reihen hat. Zudem sehen sich die Piraten in ihrem Profil eingeengt, weil sie das klassische Rollenbild von Mann und Frau überwinden wollen, wie ihr Generalsekretär Ingo Höft sagt. Deshalb öffne man sich wie keine andere Partei den Menschen mit drittem Geschlecht – wie das Mainzer Stadtratsmitglied Xander Dorn vor dem VGH erklärt. Dazu gehören auch sogenannte Transgender: Menschen, die beispielsweise als Mann geboren werden, sich aber weder männlich noch weiblich fühlen. Er sei nicht der einzige Pirat, für den es schwierig ist, ein Geschlecht zu benennen.

„In Bretzenheim zur Frau gemacht“

In offiziellen Mainzer Wählerlisten wurde Dorn “in Bretzenheim zur Frau gemacht„, bei der Wahl zum Mainzer Stadtrat “zum Mann". In Koblenz kam, so Rechtsanwalt Uwe Lipinski (Heidelberg), wegen des Problems, dass sich Mitglieder nicht klar einem Geschlecht zuordnen wollten, erst gar keine Wahlliste zustande. Deshalb fordert er: Beim Wahlrecht soll nicht nur nach Mann und Frau unterschieden werden, sondern auch das dritte Geschlecht berücksichtigt werden. Eine solche Regelung schade der Frauenförderung nicht.

Ziel des in der Republik einmaligen Gesetzes ist es, dass mehr Frauen in die kommunalen Parlamente gewählt werden. Für den Landtag weist der Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes, Paul J. Glauben, denn auch darauf hin, dass es ein Verfassungsauftrag ist, der Benachteiligung von Frauen entgegenzuwirken. Mit Prof. Siegfried Jutzi (Justizministerium) macht er verteidigend deutlich, dass das Gesetz für alle Parteien gleich ist: Es benachteilige keine Partei und schränke auch deren Freiheit nicht ein. Die Hinweise auf die Geschlechterparität seien wertneutral und ergänzen die amtlichen Wahlinformationen.

Problematik geht über das Kommunalwahlrecht hinaus

Wann der VGH in Koblenz zu seinem Urteil kommt, hat Präsident Lars Brocker am Ende offen gelassen. Er macht aber deutlich, dass die gesamte Transgender-Problematik weit über das zu prüfende Kommunalwahlrecht hinausgeht.

Der Frauenanteil ist seit der Wahl im Juni in den kommunalen Parlamenten im Vergleich zu 2009 leicht gestiegen: in den Räten kreisfreier Städte und Kreise von 26,5 auf 28 Prozent, in Verbandsgemeinderäten von 17,9 auf 20,3 Prozent und in den Stadt- und Gemeinderäten von 16 auf 20,8 Prozent. Der Landesdurchschnitt liegt bei 21,3 Prozent. Damit ist die Parität längst nicht erreicht. Gemessen an 1974 ist der Fortschritt enorm: Damals saßen nur 2,3 Prozent Frauen in den Stadt- und Gemeinderäten. Die Piratenpartei kam 2014 auf 0,4 Prozent und stellt sieben Ratsmitglieder.

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