Koblenz
Doppelmord-Prozess: Angeklagte wurde beim Einkauf festgenommen

Koblenz - Als ihr vorerst letzter Tag in Freiheit endete, erzählte sie plötzlich von Schützenvereinen und Reitställen – und hörte nicht mehr auf. Es war der 22. Mai 2012: Der Koblenzer Kriminalpolizist Thomas Lauxen (42) verdächtigte Henrike Schemmer (46), eine Doppelmörderin zu sein, ihre Schwiegereltern erstochen zu haben.

Koblenz – Als ihr vorerst letzter Tag in Freiheit endete, erzählte sie plötzlich von Schützenvereinen und Reitställen – und hörte nicht mehr auf. Es war der 22. Mai 2012: Der Koblenzer Kriminalpolizist Thomas Lauxen (42) verdächtigte Henrike Schemmer (46), eine Doppelmörderin zu sein, ihre Schwiegereltern erstochen zu haben.

Er erklärte ihr an jenem Tag vor einem Edeka-Markt im emsländischen Haren: Sie sind festgenommen. Henrike Schemmer reagierte mit einem Monolog. Auf der rund 45-minütigen Fahrt zum Polizeirevier plauderte sie über Pferde und das Leben als Nicht-Emsländer im Emsland.

So schilderte der Kriminalpolizist am 13. Verhandlungstag im Doppelmordprozess vor dem Landgericht Koblenz die Festnahme von Henrike Schemmer. Laut Anklage fuhr sie am 7. Juli 2011 von ihrem Wohnort Haren 350 Kilometer nach Koblenz, drang ins Haus ihrer Schwiegereltern Waltraud (68) und Heinrich (75) Schemmer ein und erstach beide. Sie bestreitet die Tat.

Eigentlich wollte die Angeklagte am Tag ihrer Festnahme wohl mit ihrer Familie grillen, im Supermarkt noch schnell einkaufen. Doch es kam anders. Der Koblenzer Kriminalpolizist und seine Kollegin haben sie an dem Tag sieben Stunden lang vernommen – von 18.23 Uhr bis 01.40 Uhr. Die 46-Jährige verstrickte sich in Widersprüche, widerrief nach mehreren Stunden den Großteil ihrer Aussage und erklärte: „Ich habe kein Alibi.“ Schließlich ließ sie den Kopf hängen und sagte: „Ich kann nicht mehr.“ Die Polizisten beendeten die Vernehmung.

Zwei Gutachter – eine Psychologin und ein Psychiater – haben untersucht, ob die Angeklagte während der sieben Stunden überhaupt aussagetüchtig und vernehmungsfähig war. Ihr Fazit: Ja, sie war es. Die Gutachter konnten die Vernehmung vom Mai 2012 gut nachvollziehen, da sie mit Zustimmung der Angeklagten auf Video aufgenommen worden war. Die Psychologin erklärte, die Angeklagte war die ganze Zeit über aufmerksam, gedanklich geordnet und verständlich in der Sprache – auch als ihr die Polizisten klarmachten, dass sie ihrer Aussage nicht glaubten. Der Psychiater betonte, er habe bei der Angeklagten keine Anzeichen für Müdigkeit beobachtet, kein Gähnen, keinen Sekundenschlaf. Beide Gutachter resümierten: Henrike Schemmer war in der Vernehmung nicht übermüdet.

Die Angeklagte hatte während der sieben Stunden keinen Rechtsbeistand. Sie versuchte ihren Anwalt anzurufen, erreichte ihn aber nicht. Jetzt kritisierten ihre Verteidiger im Prozess, dies liege daran, dass die Vernehmung erst um 18.23 Uhr begann. Da seien Anwaltsbüros eben geschlossen. Die beiden Polizisten erwiderten: Eigentlich hätte die Vernehmung früher beginnen sollen, aber die Angeklagte machte an jenem Tag spontan einen Ausflug in die Niederlande und kam erst spät zurück. Außerdem hätte sie einen anderen Anwalt anrufen können, habe dies aber abgelehnt. Der Prozess geht am Mittwoch weiter.

Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

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