Koblenz/Berlin
Die unpünktlichste Linie der Deutschen Bahn fährt über Koblenz: ICE im Schnitt 20 Minuten zu spät
Nach den Warnstreiks in Deutschland - Koblenz
Ein Fernzug hält am Koblenzer Hauptbahnhof - häufig sind die ICs und ICEs verspätet, insbesondere jene der Linie 91. Nur 46 Prozent der zweistündlich verkehrenden Züge rollen pünktlich (nach Bahn-Lesart: Verspätung unter sechs Minuten). Durchschnittlich haben die ICEs auf dieser Strecke 20 Minuten Verspätung.
Thomas Frey. picture alliance/dpa

Wer von Koblenz aus mit dem ICE 91 nach Köln, Dortmund oder in die Gegenrichtung nach Frankfurt oder Wien reisen möchte, braucht viel Geduld. Denn die Hauptlinie 91 via Koblenz ist bundesweit die unpünktlichste Linie im Fernverkehr der Deutschen Bahn.

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Läuft dein Leben stets nach Plan, fährst du selten Deutsche Bahn: Sprüche wie diese müssen Bahnbedienstete auf allen Ebenen nerven. Doch leider liefert der Staatskonzern immer wieder Anlass für Spott. Zuletzt staunten Gäste aus ganz Europa über die Menge an Verspätungen. Die unpünktlichste Hauptlinie im Fernverkehr rollt übrigens durch Koblenz. Pendler dürfte das nicht überraschen.

Wer von Koblenz aus mit dem ICE 91 Richtung Norden über Köln nach Dortmund oder in die Gegenrichtung über Frankfurt bis nach Wien reisen möchte, sollte sich eine Extraportion Stullen einpacken – er wird voraussichtlich viel Geduld brauchen. Denn die Hauptlinie 91 Dortmund–Koblenz–Frankfurt–Wien ist bundesweit die unpünktlichste Linie im Fernverkehr der Deutschen Bahn.

Nur 46 Prozent der zweistündlich verkehrenden Züge rollen pünktlich in die Bahnhöfe (nach Bahn-Lesart: Verspätung unter sechs Minuten). Durchschnittlich haben die ICEs auf dieser Strecke 20 Minuten Verspätung – muss man einen Anschluss erreichen, kann eine solche Zeitspanne kritisch werden. Dies geht aus einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß hervor, die unserer Zeitung vorliegt.

Zug im Bahnhof
Die Bahn hat Probleme mit Verspätungen.
Christoph Soeder. picture alliance/dpa

Ploß hatte nach Erkenntnissen der Bundesregierung zu den durchschnittlichen Verspätungen der Bahn gefragt – bekanntlich ein Dauerthema. Die „Süddeutsche Zeitung” zitierte kürzlich gar ein ungenanntes Mitglied des Bahn-Aufsichtsrats, das von einem „Kontrollverlust” bei den Fahrplänen sprach: “Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt.„

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing scheint das Problem erkannt zu haben. Der FDP-Politiker aus Landau in der Pfalz hat die Bahn aufgefordert, ein Sanierungskonzept vorzulegen. Außerdem solle der Konzern Maßnahmen ergreifen, um auch schon während laufender Infrastruktursanierungen die Pünktlichkeit deutlich zu verbessern – und zwar “kurzfristig„. Die DB Fernverkehr müsse ihre Züge besser auslasten, um wieder in einen wirtschaftlichen und nachhaltigen Betrieb zu kommen. Die Zuverlässigkeit der Bahn sei nicht zufriedenstellend, sagte Wissing laut dpa.

Wo es schlecht läuft – und wo besser

Die Daten, die sein bis Anfang August amtierender Parlamentarischer Staatssekretär Michael Theurer als Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr an den Abgeordneten Ploß schickte, untermauern dies eindrucksvoll. Die durch Koblenz führende ICE-91-Strecke ist nur die Spitze des Eisbergs.

Mit 49 Prozent Pünktlichkeit und durchschnittlich 14 Verspätungsminuten kommt die Linie 19 Köln–Dortmund–Hannover-Berlin auf den unrühmlichen zweiten Platz bei den unpünktlichsten Fernverkehr-Hauptlinien. Auf Platz drei: die Linie 42 Hamburg–Dortmund-München (49 Prozent, 16 Minuten).

Wesentlich pünktlicher geht es dagegen auf der Linie 87 Stuttgart–Singen–Zürich zu (81 Prozent, vier Minuten), außerdem auf der Linie 60 Karlsruhe–Stuttgart–München (79 Prozent, fünf Minuten) sowie der Linie 17 Warnemünde–Berlin–Dresden (78 Prozent, fünf Minuten).

Hauptgrund für die Verspätungen ist nach Angaben der DB AG die Schieneninfrastruktur in Deutschland, die überlastet und störanfällig ist„, schreibt Theurer an Ploß. Und ergänzt: “Zur Modernisierung und Erneuerung wird derzeit – im Schulterschluss mit dem Bund und der Branche – ein umfassendes Sanierungsprogramm umgesetzt.„

2026 wird dieses Programm auch mit Nachdruck im nördlichen Rheinland-Pfalz ankommen: Dann wird die Strecke auf der rechten Rheinseite zwischen Troisdorf und Wiesbaden unter fünfmonatiger Vollsperrung generalsaniert (vom 10. Juli bis 11. Dezember). „Wir streben einen störungsfreien Zustand an und damit mehr Pünktlichkeit“, heißt es seitens der Bahn dazu.

Laut Theurer trägt auch die Überlastung der Top-Knoten im Schienennetz wie Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt, Mannheim oder München zur Unpünktlichkeit der Züge bei: „Der Großteil der Fernverkehrszüge fährt durch mindestens einen dieser Knoten, die wie weite Teile des Netzes zu voll, zu alt und zu störanfällig sind.“

Pro Bahn: Verspätungsproblem ist vor allem ein Infrastrukturproblem

Ein Eindruck, den auch Martin Mendel bestätigen kann – der stellvertretende Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn Rheinland-Pfalz/Saarland nutzt die unpünktlichste Linie 91 „aus privaten oder beruflichen Gründen fast wöchentlich“, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung schildert. „Berufspendlerinnen und -pendler auf dieser Strecke wird die Statistik nicht überraschen“, sagt Mendel, der in der Überlastung der Knotenpunkte in den Regionen Köln/Bonn und Rhein-Main einen Hauptgrund für die Probleme sieht – verstärkt durch die Reduzierung des Fernverkehrsangebots auf der Rheinstrecke.

Strukturelle Probleme, veraltete Technik – und umständliche, langwierige Wege bei der Behebung dieser Probleme: Das sind für Mendel und den Verband die Hauptursachen für die Misere bei der Bahn. „Das Verspätungsproblem ist vor allem ein Infrastrukturproblem. Die dafür zuständige Sparte im Konzert müsste komplett auf neue Füße gestellt werden“, meint der Fahrgastvertreter.

Verspätung bei der Bahn
Auf einer Anzeigetafel werden bei mehreren Zugverbindungen Verspätungen angezeigt.
Fabian Sommer. picture alliance/dpa

Christoph Ploß hatte auch nach besonders pünktlichen und besonders unpünktlichen Verbindungen im Nahverkehr der Bahn (DB Regio) gefragt. Nach Auskunft Theurers sind vorbildliche Strecken in Nordrhein-Westfalen (Unna-Neuenrade; Dortmund-Unna) sowie Mecklenburg-Vorpommern (Warnemünde-Rostock) zu finden. Unpünktliche Regio-Strecken hingegen gibt es zwischen Münster und Möchengladbach sowie Haltern und Wuppertal in NRW sowie zwischen Hamburg und Westerland in Schleswig-Holstein.

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