Trier
Die letzte Ansage des Trierer Amokfahrers: Nach dem Lieblingsessen geht’s in den Knast
Drei Jahre nach der Amokfahrt gedenkt Trier der Opfer
Eine Gedenkplatte erinnert in Trier an die Amokfahrt im Dezember 2020. Ein Mann war mit seinem Geländewagen durch die Fußgängerzone gerast. Fünf Menschen starben, zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt und traumatisiert.
Harald Tittel. picture alliance/dpa/Harald Titt

Im Trierer Amokprozess haben am dritten Verhandlungstag mehrere Zeugen von „komischen Anwandlungen“ des Angeklagten berichtet. Und der 54-Jährige hat offenbar kurz vor der Todesfahrt durch die Innenstadt ziemlich konkrete Andeutungen gemacht.

Der Trierer Amokfahrer litt offenbar seit den 90er-Jahren unter psychischen Auffälligkeiten und Verfolgungswahn. Das sagte die Schwester des 54-Jährigen nach Angaben einer Polizistin in einer früheren Vernehmung. Danach hatte sich der Mann schon vor Jahren sämtliche Zähne ziehen lassen, weil er Sensoren darin vermutet habe. Aus dem gleichen Grund habe er auch die Blumenkübel in seiner Wohnung ausgetauscht.​

Drei Jahre nach der Amokfahrt gedenkt Trier der Opfer
Eine Gedenkplatte erinnert in Trier an die Amokfahrt im Dezember 2020. Ein Mann war mit seinem Geländewagen durch die Fußgängerzone gerast. Fünf Menschen starben, zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt und traumatisiert.
Harald Tittel. picture alliance/dpa/Harald Titt

Ähnliche Angaben hatte am vorausgegangenen Verhandlungstag auch eine ehemalige Nachbarin des Amokfahrers gemacht, bei der der zuletzt wohnsitz- und arbeitslose Mann häufiger übernachtete. Ihr Bekannter habe unter Verfolgungswahn gelitten, wähnte die Wohnung verwanzt und fühlte sich von einem ehemaligen Kumpel beobachtet, berichtete die Frau.​

Gutachter: Amokfahrer leidet an bizarren Wahnvorstellungen​

Der Prozess gegen den 54-jährigen Amokfahrer muss neu aufgerollt werden, weil der Bundesgerichtshof das erste Urteil teilweise aufgehoben hatte. Bei der vergangene Woche gestarteten Neuauflage des Prozesses vor einer anderen Kammer des Landgerichts geht es insbesondere um die Frage, ob der Angeklagte zum Zeitpunkt des Gewaltverbrechens möglicherweise schuldunfähig war. Dann könnte er für die Tat nicht verurteilt werden, käme aber wohl für den Rest seines Lebens in eine geschlossene Klinik.​ Im ersten Prozess hatte ein Gutachter festgestellt, dass der 54-Jährige Amokfahrer an einer paranoiden Schizophrenie mit bizarren Wahnvorstellungen leide.​

Im Tresor liegen angeblich mehrere Hunderttausend Euro

​Polizisten, die den Angeklagten unmittelbar nach dem Gewaltverbrechen vernommen hatten, berichteten am Mittwoch von häufigen Wechseln zwischen rationalen und irrationalen Schilderungen. So habe der Zewener mehrmals davon erzählt, dass er als Kind Opfer eines medizinischen Versuchs gewesen sei. Damals sei ihm ein radioaktiver Stoff injiziert worden. Dafür habe sein Vater mehrere Hunderttausend Euro bekommen, die nun bei einem Trierer Notar im Tresor lägen. Der Jurist rücke das Geld allerdings nicht heraus.​

Für diese Geschichte gibt es keinerlei Belege. „Er glaubt aber daran“, sagte am Mittwoch der als Zeuge geladene Chef der Mordkommission, Christian Soulier. Der Angeklagte habe in der Vergangenheit auch erzählt, dass er ein Freund der Eiskunstläuferin Katarina Witt sei und mit einer Dame aus der luxemburgischen Thronfolge liiert gewesen sei.​

Polizistin spricht von einer Henkersmahlzeit​

Nach Ansicht Souliers gibt es mehrere Indizien, die darauf hindeuteten, dass der 54-Jährige „im Vorfeld Gedanken für die Tat hatte“. So habe er sein Auto und den Fernseher unmittelbar vor der Amokfahrt einer Bekannten anvertraut, seine Schulden zurückgezahlt und seine Arbeitskleidung abgegeben.​ Nach Aussage einer anderen Polizistin soll er seiner ehemaligen Nachbarin unter Verweis auf eine Portion seines Lieblingsessens Rinderrouladen gesagt haben: „Die esse ich noch, und dann gehe ich in den Knast!“ Die Kriminalbeamtin sprach in diesem Zusammenhang von einer „Henkersmahlzeit“.​

Prozess um tödliche Amokfahrt in Trier
Der Angeklagte steht beim Prozessauftakt um die tödliche Amokfahrt in Trier erneut vor Gericht.
Harald Tittel. picture alliance/dpa/Harald Titt

Mehrere Kumpels des gelernten Elektrikers berichteten von der Trinkfestigkeit ihres als hilfsbereit, zuverlässig und freundlich beschriebenen Freundes. „Wenn andere morgens eine Tasse Kaffee tranken, hat er ein Fläschchen Schnaps konsumiert“, brachte ein Zeuge die Trinkfestigkeit des Angeklagten auf den Punkt.​

Grinsen und Kopfschütteln

Der zwischen seinen beiden Verteidigern sitzende 54-Jährige „kommentierte“ die Zeugenaussagen mal mit Grinsen, mal mit Kopfschütteln, oder er redete auf seine Anwälte ein. Äußern wolle er sich vorerst aber noch nicht in der Verhandlung, sagte einer der beiden Verteidiger auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Armin Hardt. ​

Dafür sprach der derzeit im Wittlicher Gefängnis sitzende Angeklagte auch am Mittwoch wieder hinter verschlossenen Türen zwei Stunden mit psychiatrischen Gutachter Professor Jürgen L. Müller. Auf dessen Expertise wird es am Ende des Prozesses ankommen. ​

Der Amokfahrer war im ersten Prozess vom Trierer Landgericht wegen mehrfachen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbringung des 54-Jährigen in einer geschlossenen Klinik an und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.​

Der Prozess wird fortgesetzt.​

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