Noch ist es zu früh, abschließende Sätze mit Blick auf eine mögliche neue Bundesregierung zu formulieren. Aber der Berliner Freitag gibt zumindest Anlass zur Hoffnung. Hoffnung darauf, dass die maßgeblichen Akteurinnen und Akteure begriffen haben, was immer noch auf dem Spiel steht.
Entgegen allen vorschnellen Einordnungen ist es gut möglich, dass die Herren Merz und Klingbeil gerade bereits etwas von dem liefern, was bei Olaf Scholz vermisst worden ist: Regierungskunst. Dafür braucht es Mut und Kompromissbereitschaft. Joschka Fischer hat dieser Tage einmal gesagt: Die Messlatte für einen Kanzler Merz, sofern er es denn sein wird, wird Konrad Adenauer sein.
Bitte nie wieder alberne Begründungen wegen Trump
Der Alte aus Rhöndorf war moralisch legendär geländegängig. Aber schon für ihn – und erst recht für einen hölzernen Sauerländer – galt und gilt: Übertreiben darf man es damit nicht. Man kann es Merz einmal durchgehen lassen, dass er nach der Wahl in Sachen Schulden etwas völlig anderes erzählt als vorher. Wer glaubt, dass Deutschland die geänderte Sicherheitslage und die Rückstände bei Infrastruktur und Digitalisierung ohne neue Schulden bewältigen könnte, der zieht morgens auch die Hose mit der Beißzange an. Alberne Begründungen, wegen Trumps Geraufe mit dem ukrainischen Präsidenten benötigten wir jetzt mehr Geld für Brücken, wollen wir aber dennoch bitte nie wieder hören. Das hat nichts mit Geländegängigkeit zu tun, sondern mit aktiver Volksverdummung, bei der am Ende doch nur die Demokratiefeinde gewinnen.
Die CDU kann sich bei der SPD bedanken, die ihre Gunst der Stunde begriffen hat, aber noch mehr bei den Grünen. Natürlich holen auch sie jetzt in drei Tagen Getöse mehr für ihre Ziele heraus als in drei Jahren Ampel. Eine weitere ebenso denkwürdige wie bittere Volte, aber auch das ist Politik. Wenn es am Ende dem Land nutzt ... Was es nur kann, wenn bestimmte Regeln weiter Bestand haben.
Ausgabendisziplin ist weiter oberstes Gebot
Als da wären: Schulden müssen zurückgezahlt werden. Deshalb ist Disziplin auf der Ausgabenseite, vor allem für soziale Wohltaten, weiter oberstes Gebot. Und wenn die neuen Kreditrahmen in Anspruch genommen werden sollten, dann nur für die Zwecke, für die sie vorgesehen sind. Deutschland ist trotz all seiner Probleme wirtschaftlich immer noch stark genug, um das zu schultern. Wenn es sich endlich, nach zu vielen Jahren des Merkel’schen Sedierens und Scholz’schen Verweigerns, priorisiert und zusammenreißt.
Zusammenreißen ist auch ein gutes Stichwort für Markus Söder. Wären die von ihm bis an die Grenze des Sagbaren beschimpften Grünen in intellektuell ähnlich seichtem Bierdimpfltum unterwegs wie der Ober-Bajuware, dann bestünde weiterhin kein Anlass zu Hoffnung. Jetzt aber gibt es sie. Alexander Schweitzer formulierte es kürzlich in dieser Zeitung mit deutlich mehr Anstand und Realitätssinn: Die neue Regierung wird zum Erfolg verdammt sein.
Sie stünde zwischen uns und einer Staatskrise mit blau-braunem Durchmarsch. Erfolg wird sie aber nur haben, wenn sie über praktische, lebensnahe Politik für die echten Probleme vor Ort das Vertrauen der Menschen zurückgewinnt. Und die moralische Geländegängigkeit ganz schnell in die politische Abstellkammer packt. Schließlich müssen auch viele bereits abgewählte Noch-Abgeordnete von CDU und SPD noch zustimmen.