In Gesprächen über das Deutschlandticket ist viel von Verunsicherung die Rede – immer wieder wird über die Finanzierung der deutschlandweit gültigen Pauschalfahrkarte zum aktuellen Preis von 49 Euro gestritten, es erscheint manchen sogar unsicher, ob es das Ticket auf mittlere Sicht überhaupt noch gibt. Seit der jüngsten Verkehrsministerkonferenz (VMK) scheint klar: Voraussichtlich vom kommenden Jahr an wird die Fahrkarte teurer. Um wie viel? Unklar – und genau das fördert Verunsicherung beim gemeinen Bus- und Bahn-Passagier.
Dennoch spricht die rheinland-pfälzische Umwelt- und Mobilitätsministerin Katrin Eder (Grüne) in Bezug auf die VMK, an der sie teilnahm, von einem wichtigen Signal gegenüber dem Bund, seiner eigenen Verpflichtung zur hälftigen Finanzierung des D-Tickets nachzukommen: „Das Ticket ist ein Meilenstein für die Attraktivität des Öffentlichen Nahverkehrs. Bürgerinnen und Bürger sollten durch die zögerliche Haltung des Bundes nicht bei der Verkehrsmittelwahl pro Klimaschutz verunsichert werden“, hat auch Eder gegenüber unserer Zeitung das Wort der Stunde im Mund. Es sei rege diskutiert werden, gibt die Ministerin einen Eindruck von der Konferenz wieder.
Pro-Bahn-Landeschef fordert klare Strategie
Dass das Ticket teurer werden soll, überrascht Noah Wand kaum. Für den rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden des Fahrgastverbands Pro Bahn war es „absehbar und auch nachvollziehbar“, wie er gegenüber unserer Zeitung erklärt. „Problematisch ist hingegen der regelmäßige Streit um die Finanzierung des Deutschlandtickets“, sagt er. Denn: Menschen, die das Ticket etwa für ihre Pendelstrecke einsetzen, benötigen langfristige Planungsperspektiven, um zuverlässig kalkulieren zu können. „Wenn die Entscheidung zwischen Bahn und Auto gefällt wird, scheint ein Auto kalkulierbarer – beim Deutschlandticket muss der Verbraucher befürchten, dass es nächstes Jahr signifikant teurer oder gar nicht mehr existent ist. Deshalb fordern wir eine klare Finanzierungsstrategie, beispielsweise mit einer klaren Preisdynamik.“ Pro Bahn hat kürzlich ein ganz eigenes, sehr einfaches Tarifsystem vorgeschlagen – es passt auf einen Bierdeckel.
Die Verkehrsminister von Bund und Ländern gehen also davon aus, dass der Preis für das am 1. Mai 2023 gestartete Deutschlandticket im kommenden Jahr steigen wird. Über die genaue Höhe soll im Oktober entschieden werden. „Dann ist klar, ob der Bund zu seinen finanziellen Zusagen steht oder nicht. Ferner werden dann neuere Zahlen über die Nutzung des Deutschland-Tickets als Grundlage für den künftigen Ticket-Preis vorliegen“, so Eder, die sich nicht auf einen Maximalbetrag festlegen lassen will. Noah Wand hält 59 Euro für eine Schallgrenze – wenn das Ticket in seinem Leistungsumfang so bleibt wie bisher jedenfalls.
VRM-Chef fordert „Preisfestigung“ auf zwei Jahre
Pro-Bahn-Landeschef Wand weist in der Preisdiskussion außerdem auf die soziale Komponente hin – der Bürgergeld-Regelsatz sieht für Verkehr beispielsweise nur 50,49 Euro vor. „Ein Deutschlandticket wäre bei einer Preiserhöhung somit nicht mehr finanzierbar“, sagt Wand, der beim Sozialaspekt weitere Stellschrauben sieht: „So darf die Bonitätsauskunft nicht dafür sorgen, dass ein Ticket für manche Gesellschaftsgruppen gar nicht mehr erwerblich ist. Und auch die Kündigungsfrist muss so gestaltet werden, dass jemand, der ein Deutschlandticket erst am 15. des Monats kauft, nicht direkt für einen zweimonatigen Kauf verpflichtet wird.“
„Andauernde und auch enervierende öffentliche Diskussion“
Insbesondere mit der Bundesregierung geht Stephan Pauly derweil hart ins Gericht. Deren Haltung zur Zukunft des Deutschlandtickets könne er „hinsichtlich der offenen Finanzierungsfragen vor allem aus Sicht unserer Kunden und Kundinnen im ÖPNV nicht nachvollziehen“, erklärt Pauly gegenüber unserer Zeitung. Er sieht ähnlich wie Noah Wand eine Verunsicherung bei den Kunden durch die andauernde öffentliche Diskussion um die Finanzierung und Preisgestaltung des D-Tickets: „Viele Kunden und Kundinnen im VRM fragen sich auch weiterhin, wie die vielbeschworene Verkehrswende gelingen soll, wenn der Bund sich nicht ohne Wenn und Aber hinter die dafür erforderlichen Maßnahmen wie eine auskömmliche und zukunftsorientierte Finanzierung von SPNV/ÖPNV und D-Ticket stellt.“
Die Kommunen im Verbundgebiet jedenfalls wären mit ihren ohnehin angespannten Haushalten keinesfalls in der Lage, etwaige Finanzierungslücken aufzufüllen. „Sollte das Geld für die Finanzierung des D-Tickets nach 2025 tatsächlich nicht mehr ausreichen, steht nach wie vor der Beschluss der am VRM beteiligten Landkreise sowie der Stadt Koblenz, dann gegebenenfalls aus dem D-Ticket vollkommen auszusteigen“, stellt Pauly klar. Schon jetzt werden die Verluste für den VRM aus der Anwendung des D-Tickets für 2024 mit 44 Millionen Euro prognostiziert.
Ticket gesetzlich verankern?
Auch deshalb lautet Paulys Forderung: „Das D-Ticket und dessen Finanzierung müssen endlich und schnellstmöglich gesetzlich fest verankert werden. Die Aufrechterhaltung dieses sehr erfolgreichen Tarifangebotes darf zukünftig nicht mehr nach Kassen- oder Haushaltslage von Bund und Ländern erfolgen.“ Die Kunden brauchen Verlässlichkeit, so Pauly: „Wenn diese Planungssicherheit nicht gewährleistet wird, schafft auch niemand seinen Zweit- oder Drittwagen ab.“
Die Debatten um die Finanzierung des Deutschlandtickets empfindet er als enervierend, die Nutzer von Bus und Bahn werden immer wieder aufs Neue verunsichert: Stephan Pauly Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Mosel in Koblenz wünscht sich in Sachen D-Ticket vor allem Planungssicherheit.VRM-Chef zur Debatte um Preissteigerung beim Deutschlandticket: „Ich wünsche mir endlich Planungssicherheit“
Also braucht es Geld vom Bund. Wie viel wollen oder brauchen die Länder aus Berlin? „Wir fordern keinen Betrag, wir fordern, dass die Zusage der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz vom letzten November eingehalten wird“, sagt Katrin Eder. Ihr wie ihren Kolleginnen und Kollegen geht es offenkundig genau um dasselbe wie Noah Wand und Stephan Pauly: dass die Verunsicherung der Kunden abgebaut wird. „Wir fordern daher, dass getroffene Vereinbarungen eingehalten werden. Das schafft Sicherheit und Vertrauen.“