Die verwilderten Ruinen der Burgen und Schlösser verbanden sich mit den steilen Schieferfelsen des Rheintals zu einer dramatischen Szenerie. In Reisenotizen, Gedichten und Zeichnungen schwärmten sie für die romantische Landschaft aus Burgen, Weinbergen, Fluss und Felsen. Ihre romantischen Beschreibungen werden gern zitiert. Besonders die Worte Victor Hugos, der seine Eindrücke von drei Rheinreisen in drei Bänden unter dem Titel „Der Rhein, Briefe an einen Freund“ niederschrieb.
In der Weinstadt Bacharach, dem „heimlichen Zentrum der Rheinromantik“ am Mittelrhein ist der französische Schriftsteller quasi Ehrenbürger für die Ewigkeit, denn er adelte den Ort mit den Worten: „Ich befinde mich in diesem Augenblick in einer der schönsten, angenehmsten und unbekanntesten alten Städte der Welt.“ Mit der Rheinromantikskulptur am Platz der Poesie an Bacharachs Uferpromenade, wo Victor Hugo gemeinsam mit Clemens Brentano und Heinrich Heine in einem Boot sitzt, setzte man ihm sogar ein Denkmal.
Victor Hugos zweite Rheinreise führte ihn 1840 in die Orte des Mittelrheintals. Er reiste mit seiner großen Liebe, der Schauspielerin Juliette Drouet und incognito, denn mit seinem Roman „Notre Dame de Paris“, der ein Bild des spätmittelalterlichen Paris zeichnet, war er längst auch am Rhein berühmt. Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame, hatte in Deutschland einen durchschlagenden Erfolg. Zudem war die Reisekasse nach dem Romanerfolg sehr gut gefüllt und die Laune bestens. Seine Liebe zum Rhein legte sozusagen den ersten Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft: „Er ist ein edler Fluss, feudal und republikanisch, kaiserlich und würdig, französisch und deutsch zugleich.“
Mit dem Rheindampfer erreicht er von Köln aus zuerst Andernach. Standesgemäß steigt er im Hotel „Zum russischen Kaiser“ ab, wo 22 Jahre zuvor Zar Alexander übernachtete: „Die Aussicht von meinem Fenster ist überraschend schön. Vor mir der Fuß eines hohen Berges, der mich kaum einen schmalen Streif des Horizonts sehen lässt, hierauf ein schöner Turm, auf dessen Dach sich, in köstlicher Verbindung, die ich bisher noch nirgends gesehen habe, ein anderer kleinerer, achteckiger Turm mit acht Giebeln und einem kegelförmigen Dach erhebt.“ Victor Hugo beschreibt seine Eindrücke nicht nur detailgenau, sondern füllt auch sein Skizzenbuch mit vielen Bleistift- und Tuschzeichnungen. So entsteht auch vom Andernacher Runden Turm, der ihm so gefallen hat, eine Tuschzeichnung, die er seiner Tochter Didine widmet. Im Hintergrund vergisst er nicht den Krahnenberg, Leutesdorf und die Festung Hammerstein auf der anderen Rheinseite.
Die „Urban Sketchers“ folgen mit Zeichenspaziergängen den Reisestationen und Motiven Victor Hugos entlang des Rheins von Andernach über St. Goar, Oberwesel, Bacharach, Mainz und Worms bis nach Speyer. Dabei geht es darum, sich mit Stift, Pinsel und Muße Zeit zu nehmen, um die Blicke und Eindrücke mit Zeichnungen zu interpretieren. Die Texte Victor Hugos geben den roten Faden des Ausflugs unter ortskundiger Führung vor. Im Mittelpunkt steht allerdings nicht nur der romantische Rhein, den Victor Hugo beschreibt, sondern auch das Rheintal als Kulturlandschaft von heute mit Containerschiffen, Güterzügen und technischen Neuerungen. Aus einem Mainzer Literaturprojekt über den Schriftsteller und Dichter wurde 2019 diese Idee geboren. Die auf den Sketchwalks entstandenen Zeichnungen der Teilnehmer bilden die Exponate von Ausstellungen, die 2021 im Mainzer Stadthaus und 2022 im Museum am Strom in Bingen geplant sind. Die Sketchwalks sind während der Corona-Pandemie auf eine geringe Teilnehmerzahl begrenzt, um den nötigen Abstand einhalten zu können. Die Zeichnungen werden auf Instagram unter #uskvictorhugo und im Archiv der Internetseite www.uskvictorhugo.de gesammelt. Das Projekt wird vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal und vom Kultursommer Rheinland-Pfalz unterstützt.
Der erste Sketchwalk führt am 19. Juni von 11 bis 17.30 Uhr nach Andernach. Die Teilnahme kostet ab 12 Euro. Ein Ticketkauf beziehungsweise eine Anmeldung vor der Veranstaltung auf der Internetseite ist unbedingt erforderlich. Mit dem Ticketkauf können schriftliche Infos zu Victor Hugo und Andernach von der Internetseite heruntergeladen werden. Bei Beginn erhält jeder ein Skizzenbuch. Weitere geplante Ziele sind am 10. Juli Wellmich/ Burg Maus, 11. Juli Lorch, 8. August Bingen, 14. August Fahrradtour von Lorch nach Bingen, 10. und 18. September Mainz, 2. Oktober Speyer, 3. Oktober Worms. Heidrun Braun
Nähere Informationen: Romantischer Rhein Tourismus, An der Königsbach 8, Koblenz, Telefon: 0261/973 84 70, www.uskvictorhugo.de, www.romantischer-rhein.de, www.rlp-tourismus.de/ romantischer-rhein