Pflegeatlas AOK 
Das läuft schief in Pflegeheimen in RLP
In vielen Pflegeheimen werden Bewohner nicht ausreichend versorgt.
Jana Bauch/dpa

Fehlende Prävention, kritische Arzneimittelversorgung: Zahlen der AOK legen Schwächen in Pflegeheimen offen – auch in Rheinland-Pfalz und unserer Region. 

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Zahlreiche Menschen, die in Pflegeheimen in Rheinland-Pfalz leben, erhalten dauerhaft Schlaf- und Beruhigungsmittel. Demenzkranke bekommen in Einrichtungen zu wenig Flüssigkeit, und einigen werden Antipsychotika verordnet, um sie ruhigzustellen. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Qualitätsatlas „Pflege der Krankenkasse AOK“ hervor. Die Landeschefin der Kasse, Martina Niemeyer, sieht dringenden Verbesserungsbedarf in der stationären Pflege.

Als ein anhaltendes Problem in den Einrichtungen sieht die Kassenchefin die Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln bei Pflegeheimbewohnern: So erhielten in Rheinland-Pfalz 7,7 Prozent von ihnen im Jahr 2023 eine Dauerverordnung von beispielsweise Benzodiazepinen. Diese Arzneimittel wirken schlaffördernd, beruhigend und angstlösend. „Allerdings nur kurzfristig, denn nach vier Wochen sind diese Effekte nicht mehr gegeben. Bei langfristiger Gabe drohen dann Abhängigkeiten, eine erhöhte Sturzgefahr sowie das Auftreten von Angst und Depressionen“, warnt Niemeyer. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 7,1 Prozent.

So sieht es im nördlichen Rheinland-Pfalz aus

Im nördlichen Rheinland-Pfalz ist laut den von der AOK ausgewerteten Daten der Anteil der Pflegeheimbewohner, die dauerhaft Beruhigungs- oder Schlafmittel bekommen, sehr unterschiedlich: Im Kreis Altenkirchen lag der Anteil 2023 mit 11,6 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt. Gleiches gilt für die Kreise Birkenfeld (10,5 Prozent) und Mayen-Koblenz mit fast 10 Prozent, Bad Kreuznach (8,6 Prozent) und Rhein-Hunsrück (8,4 Prozent).

Am geringsten ist der Anteil von medikamentös beruhigten Pflegeheimbewohnern im Rhein-Lahn-Kreis – nämlich 3,2 Prozent. Im Westerwaldkreis liegt der Anteil laut AOK bei 4,9, in Ahrweiler bei 5,6 Prozent, gefolgt von der Stadt Koblenz mit 5,8 Prozent. Ebenfalls noch unter Landesdurchschnitt liegen die Kreise Cochem-Zell (6,6) und Neuwied (6,7). Landesweit am häufigsten erhalten Menschen in Pflegeheimen übrigens im Eifelkreis Bitburg-Prüm beruhigende Medikamente: 15,6 Prozent.

Darum erhalten Demenzkranke in Heimen Beruhigungsmittel

Was die Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenzkranken angeht, zeigen die AOK-Daten: Landesweit werden 10,2 Prozent der dementen Pflegeheimbewohner so behandelt, bundesweit liegt der Schnitt bei 9,6 Prozent. Im nördlichen Rheinland-Pfalz ist der Anteil mit je 13,2 Prozent am höchsten in den Kreisen Rhein-Hunsrück und Birkenfeld, am niedrigsten im Rhein-Lahn-Kreis mit 6,9 Prozent, gefolgt vom Westerwaldkreis mit 8,4 Prozent. In der Stadt Koblenz liegt er bei 9,5 Prozent.

Michael Pauken, Krankenpfleger und Leiter eines Pflegeheims im Hochwald, bestätigt, dass Demenzkranke Beruhigungsmittel bekommen. Die dementen Bewohner bedürften oft einer Therapie, dafür seien diese Medikamente gut. Die Herausforderung liege darin, die Mittel gezielt und richtig einzusetzen und dann auch wieder zu reduzieren. Viele Bewohner bräuchten nach vier Wochen deutlich weniger.

Hochbetagte Menschen stürzen leichter. Laut AOK können bestimmte Medikamente das Sturzrisiko erhöhen, ein Pflegeamtsleiter sieht das anders.
Christoph Schmidt/dpa

Anders als von der AOK dargestellt, sieht Pauken die überwiegenden Gründe für Stürze bei Hochbetagten in deren Demenz. Laut den Daten der Kasse erhöht sich durch die Einnahme von Antidepressiva, Antipsychotika oder von Schlafmitteln das ohnehin schon hohe Sturzrisiko von betagten, mehrfach kranken Menschen noch weiter. Im Jahr 2023 habe mit 18,5 Prozent in Rheinland-Pfalz mehr als jede sechste Person, die im Pflegeheim diese Wirkstoffe erhalten habe, sturzbedingt im Krankenhaus versorgt werden müssen.

Wenn die Medikamente nicht überdosiert würden, stürzten die Bewohner nicht, erklärt Pauken. „Sie stürzen oft wegen ihrer Erkrankungen und ihrer Demenz oder auch wegen des eigenen Willens. Sie wollen aufstehen, weil sie Dinge nicht verstehen.“ Um solche Situationen zu verhindern, bedürfe es mehr Personal in den Einrichtungen. „Das will aber keiner finanzieren“, sagt Pauken.

Dehydrierung ist ein Problem

AOK-Landeschefin Niemeyer weist auf ein weiteres Problem in vielen Pflegeheimen hin: Demenzkranke erhalten nicht ausreichend Flüssigkeit. Der Anteil von Heimbewohnern, die bedingt durch Dehydration ins Krankenhaus müssen, liegt bundesweit bei rund 4 Prozent, in Rheinland-Pfalz sind es 5,7 Prozent. Am deutlichsten über diesem Schnitt lagen in unserer Region im Jahr 2023 die Kreise Ahrweiler (8,7 Prozent) und der Rhein-Lahn-Kreis (7,5 Prozent). Am besten sah es im Rhein-Hunsrück-Kreis (2,6 Prozent) und im Kreis Mayen-Koblenz mit 3,5 Prozent aus.

Auffallend hoch ist der Anteil der Pflegeheimbewohner mit Diabetes in Rheinland-Pfalz, die keine jährliche, augenärztliche Vorsorge erhalten haben. Laut Niemeyer liegt der bei 83 Prozent – bundesweit ist es bei 79,1 Prozent der Fall. Im nördlichen Rheinland-Pfalz tritt dies im Kreis Altenkirchen auf 89,9 Prozent der Betroffenen zu, gefolgt von Koblenz mit 88,8 Prozent. Im Rhein-Lahn-Kreis liegt der Anteil mit 81 Prozent am niedrigsten, gefolgt vom Kreis Mayen-Koblenz (81,3 Prozent). Die Kassenchefin verweist auf medizinische Leitlinien, die eine regelmäßige Kontrolle der Augen vorsähen, um frühzeitig Veränderungen der Netzhaut zu erkennen und irreversible Sehstörungen zu vermeiden.

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