Die Demokratie soll sich als wehrhaft erweisen: Die Landtagsfraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP wollen mit einem Gesetzentwurf die Grundlage schaffen, um verfassungsfeindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten und Fraktionen von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Darüber verständigte sich am Dienstag (3. Juni) der Ältestenrat des Parlaments. Die Gesetzesvorlage soll schon in der nächsten Woche in das Landesparlament eingebracht werden, wie Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) mitteilte.
„Ich halte es für einen unerträglichen Zustand, dass die Feinde der Demokratie von der Demokratie – und damit durch staatliche Gelder – bezahlt werden.“
Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD)
Hering sagte nach der Ältestenrat-Sitzung in Mainz: „Ich halte es für einen unerträglichen Zustand, dass die Feinde der Demokratie von der Demokratie – und damit durch staatliche Gelder – bezahlt werden.“ Dies müsse geändert werden. Rheinland-Pfalz betrete damit Neuland. Der rheinland-pfälzische Landtag ist laut Hering das erste Parlament, das sich mit einer solchen Gesetzesvorlage beschäftigt.
Der mögliche Entzug von staatlichen Geldern ist nun der zweite Schritt zur Verteidigung der parlamentarischen Demokratie: Im vergangenen Juni hatte Hering die Hausordnung des Landtags überarbeiten lassen. Demnach sollte Mitarbeitern der Fraktionen, die nachweislich einen extremistischen Hintergrund haben, der Zugang zum Plenarsaal und anderen sensiblen Bereichen des Parlaments entzogen werden. Die Angestellten konnten sich freiwillig einer Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen. Geprüft wurde etwa, ob jemand bereits wegen Straftaten verurteilt wurde, die den demokratischen Rechtsstaat gefährden. Dazu zählt beispielsweise das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Hering erklärte am Dienstag, dass 116 Mitarbeiter überprüft worden seien. Es habe allerdings keine Auffälligkeiten gegeben. Wie viele Personen die Fraktionen insgesamt beschäftigen, ist dem Landtag nicht bekannt. Allerdings habe die AfD gemessen an ihrer Fraktionsgröße relativ wenige Mitarbeiterausweise beantragt, berichtete Hering. Der SPD-Politiker hatte außerdem im vergangenen Jahr den Wissenschaftlichen Dienst des Landtags gebeten, zu prüfen, ob erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen von der staatlichen Finanzierung ausgeschlossen werden können. Das Ergebnis des Wissenschaftlichen Dienstes lautet nun: Ja, das ist (verfassungs-)rechtlich möglich, erklärte der Westerwälder. Bislang überweist der Landtag zwar das Gehalt, weiß aber nicht, wer genau vom Steuergeld profitiert.
Als nächsten, neuen Schritt sieht der Gesetzentwurf eine sogenannte parlamentsspezifische Zuverlässigkeitsüberprüfung vor. Das bedeutet: Mitarbeiter von Landtagsmitgliedern oder Landtagsfraktionen werden daraufhin überprüft, ob von ihnen ein Risiko für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die Arbeits- und Funktionsfähigkeit, die Sicherheit sowie die Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Landtags ausgeht. Die Überprüfung wird nur mit Zustimmung des Mitarbeiters durchgeführt. Da die staatliche Finanzierung allerdings an die Feststellung der Zuverlässigkeit geknüpft wird, müssen sich die Beschäftigten quasi überprüfen lassen – ansonsten fließt kein Geld mehr.
Worauf der Landtag bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung zugreift
Bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung soll der Landtag auf eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister, Auskünfte beim Landeskriminalamt (LKA) sowie beim Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz zurückgreifen können. Die Verfassungsschutzbehörde habe auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangte Erkenntnisse mitzuteilen, so Hering.
Wann fällt aber nun ein Mitarbeiter bei einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch? Als „unzuverlässig“ gelten demnach Personen, die zum Beispiel wegen eines Staatsschutzdeliktes rechtskräftig verurteilt worden sind – wenn seit der rechtskräftigen Verurteilung noch nicht fünf Jahre verstrichen sind. Dazu gehören außerdem Personen, die Mitglied in einem Verein waren oder sind, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation verboten wurde. Betroffen sind außerdem Personen, die Mitglieder von Parteien waren oder sind, deren Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. Und: Darunter fallen auch Personen, bei denen Tatsachen die Annahme stützen, dass sie in den vergangenen fünf Jahren einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt haben. Die Prüfung soll spätestens alle zwei Jahre stattfinden.
Letzte Entscheidung liegt beim Landtagspräsidenten
Eine Entscheidung über die Zuverlässigkeit eines Mitarbeiters trifft am Ende der Landtagspräsident, wie Hering erläuterte. Da es sich um einen Verwaltungsakt handele, könne dagegen seitens des betroffenen Beschäftigten gerichtlich vorgegangen werden. Der SPD-Politiker erklärte, dass im Falle einer drohenden Unzuverlässigkeit der Mitarbeiter angehört werde und die Gelegenheit habe, sich zu den Tatsachen zu äußern. Zur Befragung könne er auch einen Rechtsanwalt hinzuziehen. Um Denunziantentum zu verhindern, sehe der Gesetzentwurf eine systematische Überprüfung aller von Abgeordneten und Fraktionen beschäftigten Mitarbeiter vor. 340 seien allein bei Parlamentariern angestellt, informierte Hering. Der Westerwälder rechnet künftig mit rund 500 Überprüfungen. Erste Erkenntnisse beziehungsweise Ergebnisse könnten nach der Sommerpause im Herbst vorliegen. Wie viele Mitarbeiter bei der Zuverlässigkeitsüberprüfung durchfallen könnten, konnte Hering nicht sagen.

Was im geheimen AfD-Gutachten über RLP steht
Völkische Gesinnung, rassistische Tiervergleiche, Kontakte zu rechtsextremen Gruppen: Der Verfassungsschutz hat die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Führende AfD-Politiker aus RLP spielten eine wesentliche Rolle.
Die Parlamentsgeschäftsführer der Fraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP sprachen am Dienstagnachmittag von „einem starken Zeichen des Parlaments für eine wehrhafte Demokratie“. Die Fraktionen seien entschlossen, „die verfassungsrechtliche Möglichkeit zur Bekämpfung von Extremismus als erstes Parlament in Deutschland entschlossen und konsequent zu nutzen“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung. Die AfD nannte das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes ein „Gefälligkeitsgenossenstück“, den Landtagspräsidenten bezeichnete die AfD als „eine Schande für dieses Amt“.
Anfang Mai stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung ein. Die AfD selbst hat dagegen juristische Schritte eingeleitet. Seitdem liegt die Einstufung zunächst auf Eis. In einem Gutachten mit mehr als 1000 Seiten hatte die Bundesbehörde analysiert, warum die AfD aus ihrer Sicht verfassungsfeindlich agiert. Rheinland-Pfalz spielte dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Der Bayerische Rundfunk hatte im Frühjahr des vergangenen Jahres berichtet, dass die AfD im Bundestag mehr als 100 Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Spektrum beschäftigt haben soll.

Wer überzeugen will, muss überzeugen
Das AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes liegt auf dem Tisch – und mit ihm die Frage nach einem Verbot der Partei. Auch für Rheinland-Pfalz zeigt sich ein ungutes Bild. Chefredakteur Lars Hennemann hielte ein Verbot dennoch für den falschen Ansatz.