In einem Seitental des Rheins trainiert die regionale Prepperszene rund um das Netzwerk um „Black Ops Coffee“ mit Sitz im Westerwald für den Untergang der staatlichen Ordnung. Den Tag X. Dabei üben die Teilnehmer einem SWR-Bericht zufolge auch den gewaltsamen Kampf gegen Polizisten. Bei einem verdeckten Dreh empfiehlt der Nahkampftrainer seinen Schülern mit Schlagstock in der Hand: „Visier hoch und rein.“ Sein Anwalt betont später auf Anfrage unserer Zeitung, dass es sich um einen Spaß gehandelt habe. Sicher ist: Der Mann sitzt für die AfD in einem Kreistag im nördlichen Rheinland-Pfalz und gibt Karatetraining.
Wir wollten von Markus Linden wissen, was sich hinter dem regionalen Netzwerk verbirgt und wie gefährlich es ist. „Bei ,Black Ops Coffee’ ist ziemlich sicher eine rechtsextremistische Gesinnung zu erkennen, die dahin geht, dass man sich auf den Tag X vorbereitet, um auch wirklich in Aktion zu treten“, erklärt der Trierer Politikwissenschaftler, der unter anderem zu Rechtsextremismus forscht, im Interview mit unserer Zeitung. Und mit dem Nahkampftrainer gibt es auch eine direkte Verbindung zur AfD. Der Kreisverband weist die Vorwürfe zurück. „Pauschale Vorverurteilungen auf Grundlage medialer Darstellungen lehnen wir grundsätzlich ab“, heißt es in einem Schreiben. Und so sitzt der Mann weiter im Kreistag. Für Linden ist das absolut inakzeptabel. „Eine demokratische Partei hätte ein Interesse daran, dass solche Strukturen bei ihnen nicht Platz greifen“, sagt der Trierer Professor. „Bei der AfD ist es das Gegenteil.“
Die Firma „Black Ops Coffee“, die Teil eines rechtsextremen Netzwerks ist, hat ihren Sitz in Schutzbach (Kreis Altenkirchen). Ist das ein Zufall? Warum passiert so etwas immer wieder im Westerwald?
Im Westerwald haben wir einen klassischen Zentrum-Peripherie-Konflikt. Das wird von extremistischen Strömungen bewusst ausgenutzt, weil es dort enttäuschte Wählerschaft zu gewinnen gibt. Das sehen Sie ja auch an den AfD-Wahlergebnissen. Ich habe mir die Zahlen von Schutzbach und den Gemeinden nebenan mal genau angeschaut. Da haben wir bis zu 37 Prozent für die AfD. Das ist natürlich ein enormes Protestpotenzial. In der Peripherie fühlen sich die Menschen oft abgehängt und vom Zentrum unterdrückt. Und der Westerwald ist eben doch schon weit weg von Mainz. Und dann schließt auch noch das nächste Krankenhaus.

Welche Rolle spielt dabei die Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen?
Dazu muss man wissen, dass die Verfassungsschutzbehörden nach Ländern orientiert sind. Teilweise haben sie sogar unterschiedliche Kriterien, um extremistische Organisationen einzuordnen. Zum Beispiel als Prüffall, als Verdachtsfall oder als gesichert rechtsextrem. Letzteres kennt der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz etwa gar nicht. Man kann also auch ein bisschen davon profitieren, dass man über Ländergrenzen hinweg Strukturen aufbaut. Das konnten wir auch bei einer anderen Organisation sehen, die im Land aktiv war und sich jetzt offiziell aufgelöst hat: die sogenannte Revolte Rheinland. Die kam ja auch aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz. Zwar nicht aus dem Westerwald, aber die haben den Raum zwischen Bonn und Koblenz bis nach Trier bespielt.
Offiziell ist „Black Ops Coffee“ ein ganz normaler Kaffeeversand. Man kann da ja auch wirklich übers Internet einkaufen. Aber was verbirgt sich sonst noch dahinter?
Also, wer die Prepperszene kennt, weiß, dass es da ganz unterschiedliche Herangehensweisen gibt. Die einen betreiben nur Krisenvorsorge. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Andererseits gibt es auch Menschen, die sich in einer verschwörungstheoretischen Blase befinden, in der der Untergang nahe ist und man sich darauf vorbereiten muss. Wieder andere gehen dann aktivistisch vor und haben darüber hinaus auch noch eine politische Gesinnung. Bei „Black Ops Coffee“ ist ziemlich sicher eine rechtsextremistische Gesinnung zu erkennen, die dahin geht, dass man sich auf den Tag X vorbereitet, um auch wirklich in Aktion zu treten.
Was heißt das?
Aus einem Partisanenkampf heraus soll quasi die Macht übernommen werden. Dass Black Ops Coffee recht eindeutig dieser Kategorie zuzuordnen ist, sieht man ja auch schon am Logo. Da findet sich die Formulierung: no coffee, no fight. Also übersetzt: kein Kaffee, kein Kampf. Da geht es um die Vorherrschaft innerhalb eines Systems und nicht um reinen Überlebenskampf. Dazu muss man sich nur die Kommentare auf dem Blog der Firma durchlesen. Das ist Gedankengut, das wir aus der rechtsextremen Szene kennen. Übrigens auch aus den USA. Die bekanntesten dort sind sicher die Proud Boys und die Oath Keepers. Ob man die Verschwörungstheorien bei „Black Ops Coffee“ tatsächlich glaubt, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall sammeln sie aber Geld.

Lehrte AfD-Politiker, wie man Polizisten verprügelt?
In einem Seitental des Rheins übt die regionale Prepperszene regelmäßig den Untergang der Ordnung. Ein Kampftrainer soll dazu laut SWR-Recherchen gezeigt haben, wie man auf Polizisten einschlägt. Pikantes Detail: Er sitzt für die AfD im Kreistag.
Wofür denn konkret?
Dem Macher Andre S. zufolge, der ja in der Szene einschlägig durch seine Verbindungen zu Uniter und dem Hannibal-Netzwerk bekannt ist, ist das Geld dazu bestimmt, um Kameradinnen und Kameraden aus sicherheitsrelevanten Berufen mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu unterstützen. Also insbesondere aus Bundeswehr und Polizei. Da wird die Legende aufgebaut, dass diese quasi vom Staat verheizt worden sind. Das ist die offizielle Erzählung. Über die andere Verwendung von gesammeltem und erwirtschaftetem Geld kann ich natürlich nur mutmaßen. Und das will ich hier nicht tun.
Kommen wir noch mal zu Andre S. Der war ja vorher Elitesoldat. Welche Rolle spielt die Verbindung zur Bundeswehr bei diesen Netzwerken? Gibt es da ein Muster?
Für Leute mit einer solchen rechtsextremen Gesinnung, die eine Niedergangsdiagnose für den Staat stellen, ist es natürlich wichtig, an Sicherheitspersonal zu kommen, das im Umgang mit Kampftechniken und Waffen geschult ist. Zudem herrscht bei vielen Mitarbeitern in Sicherheitsbehörden eine große Frustration. Dort fühlen sich viele nicht hinreichend wertgeschätzt. Das hören wir immer wieder. Und gerade bei der Polizei sind sie ja oft mit Gewalt konfrontiert, woraus manche möglicherweise die falschen Konsequenzen ziehen. Das gilt natürlich nicht für das Gros der Polizei. Aber das ist das Becken, aus dem Andre S. fischt.
Und dann bereitet man sich auf den Tag X vor. Wie muss man sich das vorstellen?
In der rechtsextremen Szene gibt es da spezielle Codewörter, die immer wieder fallen. Wenn die Wolfszeit beginnt etwa. Dann versucht man, seine Ziele auch mit kämpferischen, teils sogar militärischen Mitteln zu erreichen. Und das wäre ein autoritärer Staat.
Für wie gefährlich halten Sie solche Netzwerke? Reden und trainieren die nur?
Also, ich könnte die Frage mal umdrehen und sagen: Sie sind nicht ungefährlich. Es hat sicher nicht die Dimension wie in den USA. Der Marsch auf den Reichstag in Deutschland, der von einer Heilpraktikerin aus der Eifel ausgelöst worden ist, hatte natürlich bei Weitem nicht die Ausmaße wie der gewalttätige Marsch aufs Kapitol in Washington. Aber die Bundesrepublik ist auf dem Weg dorthin.

AfD-Politiker lädt zur „Messe des Vorfelds“: Ein bisschen Dunkeldeutschland in Koblenz
Sie nennen sich Lukreta, Thymos, Tannwald Media, Schattenmacher, Krautzone, Miró Unblogd oder Boris von Morgenstern. Sie bedienen die braunen bis dunkelbraunen Seiten des rechten Medienspektrums und sind gern gesehene Gäste beim Koblenzer AfD-Politiker Joachim Paul.
Wie sieht es Ihrer Ansicht nach bei „Black Ops Coffee“ aus?
Wenn man bei der „Black Ops“-Community ein bisschen weiter geht, gibt es deutliche Hinweise darauf, dass dort klassische Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten mitmachen. In dem SWR-Beitrag ist zum Beispiel eine Frau genannt, aus meiner Perspektive müsste das Melanie Dittmer sein, die in der Prepperszene bekannt ist. Das geht tief in die rechtsextreme Szene rein.
Und ein Mitglied dieser Szene sitzt für die AfD in einem Kreistag im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Ja. Und was ist die Reaktion, wenn die AfD erfährt, dass einer ihrer Politiker dort involviert war? Keine. Stattdessen schickt man einen Anwalt und spricht von unbelegten Behauptungen. „Lassen Sie uns in Ruhe.“ Das war’s dann auch schon. Die Reaktion einer demokratisch gesinnten Partei wäre es, das direkt aufzuklären. Eine demokratische Partei hätte ein Interesse daran, dass solche Strukturen bei ihnen nicht Platz greifen. Bei der AfD ist es das Gegenteil.
Würden Sie denn sagen, dass Netzwerke wie „Black Ops Coffee“ Vorfeldorganisationen der AfD sind? Oder geht das Ihrer Meinung nach zu weit?
Ich würde sagen, dass die Identitäre Bewegung eine Vorfeldorganisation der AfD ist. Und die Identitäre Bewegung spaltet sich auf in verschiedene Unternetzwerke, die sich auch immer wieder neu gruppieren. Bei „Black Ops Coffee“ sehe ich durchaus eine Nähe zur AfD, aber ich kann noch keine organisatorische Verstrickung erkennen. Das ist eine lose, angekoppelte Gruppe, der man aber offensichtlich vonseiten der AfD mit Wohlwollen begegnet, da man ja keine Maßnahmen ergreift, um zur Aufklärung dieses Sachverhalts beizutragen.
Sie haben Rheinland-Pfalz sehr gut im Blick. Welche Rolle spielt da der Koblenzer AfD-Politiker Joachim Paul?
Joachim Paul ist einer der wichtigsten AfD-Politiker in Rheinland-Pfalz. Ich würde sogar sagen, dass er mit Herrn Münzenmaier der wichtigste ist. Letzterer ist ein reiner Netzwerker, der aus der Hooliganszene kommt und wenig ideologischen Background hat. Ideologen haben wir vor allem zwei im Land. Das ist zum einen Stefan Scheil, einer der bekanntesten deutschen Geschichtsrevisionisten. Der spielt eine Rolle. Und Joachim Paul. Er ist sowohl Ideologe als auch theoretisch geschulter Netzwerker. Joachim Paul ist der, der die AfD in Rheinland-Pfalz sehr stark mit der sogenannten alternativen Medienszene rund um das „Compact“-Magazin und andere Medienkanäle vernetzt, die aktiv-kämpferisch gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehen. Er hält auch den Draht zur Identitären Bewegung und ihren Ablegern, indem er zum Beispiel für das Internetportal „GegenUni“ arbeitet und dort Vorträge hält. Das ist ein identitärer Ableger. Auch die Leute um die „Revolte Rheinland“ gehörten zu seinem direkten Umfeld. Ich kann allerdings keinen Bezug zwischen Paul und der Prepperszene um „Black Ops Coffee“ finden.
Der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz hat „Black Ops Coffee“ im Blick, wie uns das Mainzer Innenministerium auf Anfrage bestätigt hat. Wie muss man sich so eine Beobachtung konkret vorstellen?
Der Verfassungsschutz schaut sich genau an, wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also der Kernbereich der Verfassung, in irgendeiner Form angetastet und verletzt wird. Sei es durch einen ethnischen Volksbegriff oder durch die Verletzung des Demokratieprinzips, indem man etwa Gruppen aus dem demokratischen Spektrum ausschließt, die eine andere Gesinnung als die eigene haben. Fremdenfeindlichkeit wäre auch ein Kriterium. Aber es gibt da ein großes Missverständnis in der Bevölkerung: Der Verfassungsschutz kann allein nichts machen. Er berichtet nur. Das Ergebnis bietet er der Politik an, und die entscheidet dann am Ende, ob ein Verbotsverfahren gestartet wird oder nicht. Das gilt auch für Vereine. Diese Entscheidung kann der Verfassungsschutz der Politik und den Ministerien nicht abnehmen.
Und wenn Gewalttaten vorliegen?
Dann geht natürlich die Staatsanwaltschaft dagegen vor. Der Verfassungsschutz hingegen ist an sich eigentlich ein zahnloser Tiger. Deshalb kann die AfD auch nicht von ihm verfolgt werden, wie sie so oft behauptet. Die Partei bewegt sich ja seit dem Wechsel von Bernd Lucke zu Frauke Petry in einem rechtsradikalen bis rechtsextremen Spektrum. Und seitdem ist nichts passiert. Gar nichts. Es gab keine Aktion des Staates gegen die Partei, die in irgendeiner Form nennenswert wäre.
Das Gespräch führte Dirk Eberz
Markus Linden erforscht Rechtsextremismus
Markus Linden lehrt Politikwissenschaft an der Universität Trier. Neben seinenArbeiten zur Demokratietheorie und empirischen Demokratieforschung forscht der Professor seitvielen Jahren zum Bereich Rechtsextremismus und Verschwörungstheorien. Er hatdabei vor allem über neurechte Ideologie und zu sogenannten „alternativen“Öffentlichkeiten publiziert. Linden gilt als wissenschaftlicher Kenner der nationalenund internationalen Szene und ihrer ideologischen Bezugspunkte. Zuletzt erschienetwa auf „Zeit online“ eine Analyse der Gedankenwelt von J. D. Vance. de