Von unserem Chefreporter Volker Boch
Für den Verbraucher mag es eine positive Entwicklung sein, dass die Discounter zuletzt den Preis für einen Liter Frischmilch auf 59 Cent abgesenkt haben. Im Markt könnte dies allerdings gravierende Folgen haben. Dass Aldi & Co. ihre Preise herunterfuhren, liegt aus dem Blickwinkel des BDM ausschließlich daran, dass die Discounter ihre günstigen Einkaufspreise an den Verbraucher weitergeben. Endkunden profitieren davon, wenn große Ketten extrem günstig einkaufen. Aus Sicht der Milchviehhalter ist der Skandal indes, dass die niedrigen Preise eine „konsequente Folge der katastrophalen Preisergebnisse der Kontraktabschlüsse zwischen Molkereien und Handel“ sind. Der BDM will nicht hinnehmen, dass die daraus entstehenden Probleme auf die Milchviehhalter abgewälzt werden – denn dies gefährdet Existenzen.
Das Problem ist nicht der Liter Milch, der für weniger als 60 Cent verkauft wird. Der Knackpunkt ist vielmehr, dass der Druck im Markt allgemein immer größer wird: Die Nachfrage im internationalen Sektor, beispielsweise aus China, ist niedriger, die Sanktionen gegen Russland wirken sich mit aus und die weltweite Milchproduktion ist hoch. Bereits im Frühjahr hatte es heftige Warnsignale aus der Milchwirtschaft gegeben (wir berichteten), doch laut BDM ist in der Politik nur wenig geschehen.
Runder Tisch gefordert
Die Milchviehhalter fordern deshalb auf Bundesebene einen runden Tisch von Agrarminister Christian Schmidt (CSU). Ihre Sorge: Es könnte zu einer fatalen Krise wie 2009 kommen, als der Auszahlungspreis je Kilogramm Rohmilch nur knapp über 20 Cent lag. Laut Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz lag der regional erzielte Milchpreis im September zwar bei knapp 37 Cent, was gegenüber dem Vorjahresmonat drei Cent weniger sind. Aber im Vergleich zu 2009 sind die Kosten extrem gestiegen – Experten rechnen damit, dass der Preis weiter sinkt.
Bis zum 13. Juni des kommenden Jahres, dem internationalen Tag der Milch, will der BDM mit Großaktionen auf die Probleme hinweisen und die Politik in Bewegung bringen. Am 4. Dezember ist unter dem Titel „Knüppel aus dem Sack“ eine bundesweite Aktion geplant. So hart das Motto lautet, für viele Betriebe geht es um die Existenz.
Johannes Thilmann, Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes Bad Kreuznach, führte als Zuhörer der BDM-Konferenz in Lautzenhausen aus, dass es 1980 noch 20 000 Milcherzeuger in Rheinland-Pfalz gab, heute sind es 2000, in den kommenden zehn Jahren könnte sich die Zahl halbieren. „Wir Familienbetriebe kämpfen bis zum letzten Tropfen“, erklärte ein Landwirt in Lautzenhausen – denn im Familienbetrieb lässt sich eben so lange an der Personalkostenschraube drehen, bis nichts mehr geht.
Kleiner Anteil am großen Markt
Karl-Otto Vollrath aus Spesenroth fragte als Mitglied im BDM-Landesvorstand angesichts der Geiz-ist-Geil-Mentalität der Gesellschaft rhetorisch in die Runde, wer außer den Bauern in unserer Gesellschaft ein Interesse an einem steigenden Milchpreis haben könnte. Fazit: „Wir müssen uns selbst um das Thema kümmern, es wird uns sonst sicher niemand abnehmen.“ Der Produktionsanteil der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland am bundesdeutschen Milchmarkt betrage schließlich lediglich 6 Prozent. In einem Markt, der zurzeit an Überproduktion leidet, würde es folglich überhaupt nicht auffallen, wenn in diesen Bundesländern einige Betriebe verschwänden. Vollrath hatte bereits im März gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass er damit rechnet, dass der „Milchmarkt im Herbst zum Erliegen kommen könnte“.
Im April 2015 wird die Milchquoten-Regelung abgeschafft, dann erwarten viele eine deutliche Zuspitzung der Situation. Von der Politik fordert der BDM deshalb, sich jetzt mit Instrumentarien auseinander zu setzen und Werkzeuge zu entwickeln, die im Krisenfall greifen. Dies könnte eine zeitlich befristete Deckelung der Produktionsmengen sein oder ein Anreizprogramm für die Milchviehhalter. Es müsste auf der Basis einer noch gezielteren und konsequenten Beobachtung des Marktes ein Frühwarnsystem geben, das bei nachhaltig niedrigen Notierungen automatisch ein Krisenszenario auslöst. „Mit den jetzigen Instrumenten werden wir die Zukunft nicht bestehen“, sagte Hans Foldenauer, der als Sprecher des BDM-Bundesverbands als Referent eingeladen worden war. Kommt bald die befürchtete Krise, wird es ernst.