Marktführer aus Montabaur
Brain Capital macht den Weg zur teuren Privatuni frei
Geschäftsführerin Elisabeth Rudolf-Sipötz und ihre knapp 30 Mitarbeiter von Brain Capital am ICE-Bahnhof Montabaur vergeben Kredite an Studenten von Privatuniversitäten. Mittlerweile hat sich die WHU-Ausgründung zum deutschen Marktführer entwickelt.
Dirk Eberz

Wer sich an der WHU in Vallendar einschreibt, sitzt bis zum Master auf einem Schuldenberg von rund 75.000 Euro Studiengebühren. Das schreckt viele ab. Brain Capital in Montabaur hat deshalb ein Kreditmodell entwickelt, das bundesweit Schule macht.

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2006 trifft Eike Gerrit Büllingen eine weitreichende Entscheidung. Mit der Immatrikulation an der WHU in Vallendar türmt sich über ihm ein großer Schuldenberg auf. 30.000 Euro Studiengebühren werden damals allein bis zum Bachelor fällig. Bis zum Master kommen noch mal 20.000 Euro obendrauf. Eine gewaltige Hypothek für einen 19-Jährigen. Zumal sich die Begeisterung in der Familie in engen Grenzen hält. „Meine Eltern waren gegen ein Studium an der Privatuni“, erinnert er sich. Sie zahlen die Lebenshaltungskosten. Den Rest muss der junge Mann selbst stemmen.

Aber das schreckt Büllingen nicht ab. „Ich wollte unbedingt an die WHU“, sagt er. Also schaut er sich schon mal nach einem klassischen Bankkredit um. Bis er auf ein neues Finanzierungsmodell der WHU stößt. Bei Brain Capital kann er die Gebühren über zehn Jahre hinweg abstottern. Nach seinem Abschluss zahlt er dazu jeden Monat 7 Prozent seines Einkommens zurück. Verdient er viel, wird es also teurer. Aber eben auch umgekehrt. „Ich fand das Modell sehr gut“, sagt er. Die Raten lassen auch seine Studentenzeit in Vallendar nicht so schnell verblassen. „Die monatlichen Abbuchungen haben mich immer an die WHU erinnert“, sagt er und grinst.

Eike Gerrit Büllingen war 2006 einer der ersten Studenten, der das Kreditmodell von Brain Capital genutzt hat. Knapp 50.000 Euro hat er aufgenommen und nach seinem Abschluss über zehn Jahre hinweg abgestottert.
Dirk Eberz

Die ersten Jahre sind kein gutes Geschäft für Brain Capital. „Meine Karriere ist recht holprig gestartet“, betont er. Aber danach startet Büllingen als Strategieberater in Düsseldorf richtig durch. Die Monatsrate steigt jetzt beträchtlich. „Irgendwann bin ich an die Decke gestoßen“, erinnert er sich. Die ist erreicht, wenn das Doppelte der Kreditsumme zurückgeflossen ist. „Ich habe sicher ein bisschen mehr bezahlt als bei einem klassischen Kredit“, sagt er rückblickend. Bereut hat es der 37-Jährige dennoch nicht. „Keine Sekunde“, betont er. „Ein Kredit hätte mir diese Flexibilität nie ermöglicht.“ Ein Studium dürfe nie an der Finanzierung scheitern. Auch nicht an einer Privatuniversität.

Zukunft von Herkunft entkoppeln: Das ist auch eine Grundidee von Brain Capital, die Marco Vietor zusammen mit seinem Professor Markus Rudolf und einem Kommilitonen vor 20 Jahren ausgetüftelt hat. Ursprünglich nur für WHU-Studenten. Damals sind zwar die Infoveranstaltungen in Vallendar proppenvoll. Wenn es an die Bewerbungen geht, lichtet sich das Feld allerdings deutlich. „Wir haben dann einen Fragebogen entwickelt, um rauszufinden, woran das liegt“, erinnert sich der 45-Jährige. Das Ergebnis: „Bei 90 Prozent waren es die Studiengebühren.“ Kein Wunder: Mit knapp 20 Jahren mit mehreren Zehntausend Euro in der Kreide zu stehen, schreckt viele junge Menschen ab.

Vietor nutzt eine Arbeit des berühmten US-Wirtschaftswissenschaftlers Milton Friedmann als Grundlage. Dann rechnet er alles durch. Die zentrale Frage: „Wie viel verdient ein WHU-Absolvent im Schnitt in den ersten zehn Jahren?“ Eine Wohlfahrtsorganisation ist Brain Capital dann eben doch nicht. Gewinne soll das Unternehmen schon abwerfen. Man holt zur Finanzierung auch die Sparkassen Koblenz und Montabaur mit ins Boot. Ein Selbstläufer ist das Start-up dennoch nicht. „Das Start-up stand praktisch immer Spitz auf Knopf“, sagt Mitgründer Markus Rudolf, der lange WHU-Rektor war. In den ersten Jahren habe auf jeder Sitzung der Tagesordnungspunkt „Auflösen?“ gestanden.

Das ist Geschichte. Mittlerweile hat sich Brain Capital zum deutschen Marktführer in der Branche gemausert. Nicht weniger als 12.000 Studenten haben in den vergangenen 20 Jahren Kredite über insgesamt rund 400 Millionen Euro erhalten. Übrigens ohne Schufa-Eintrag. Eike Gerrit Büllingen ist einer der ersten. Das Modell ist speziell auf Privatuniversitäten zugeschnitten. „Das Feuer des Ehrgeizes lodert immer noch“, betont Rudolf zum Firmenjubiläum in den neuen Büroräumen am ICE-Bahnhof in Montabaur mit Schlossblick.

Brain Capital am ICE-Bahnhof in Montabaur hat in den vergangenen 20 Jahren Kredite über 400 Millionen Euro an rund 12.000 Studenten von Privatunis vergeben.
Dirk Eberz

In Vallendar ist es für die rund 30 Mitarbeiter um die heutigen Geschäftsführer Elisabeth Rudolf-Sipötz und Markus Hüren längst viel zu eng geworden. Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum. Fast alle deutschen Privatuniversitäten kooperieren mittlerweile mit Brain Capital. So erweitern sie den Bewerberkreis, aus dem sie sich die besten Studenten rauspicken können. So wie die WHU in Vallendar auch, bei der mittlerweile rund 75.000 Euro Gebühren bis zum Master anfallen. Und so ganz nebenbei macht das Unternehmen auch noch ganz ordentliche Gewinne. Die Ausfälle seien minimal, heißt es.

Unterdessen hat sich für das Montabaurer Unternehmen noch ein weiteres spannendes Geschäftsfeld aufgetan. Auch der Lufthansa-Konzern ist auf Brain Capital aufmerksam geworden. Seit Sommer 2024 bieten die Frankfurter das Geschäftsmodell auch für ihre Piloten an. Denn die sitzen nach ihrer Ausbildung ebenfalls auf stolzen 120.000 Euro Schulden. 150 bis 300 junge Menschen werden pro Jahr von Lufthansa zu Flugkapitänen ausgebildet. Ein lukrativer Markt also für die Westerwälder, die gerade mal 25 Zugminuten vom Frankfurter Flughafen entfernt sind.

So funktioniert das Modell bei Piloten der Lufthansa

Lufthansa-Piloten müssen im Geschäftsmodell von Brain Capital für ihre Ausbildung ein Basiskapital von 10.000 Euro mitbringen. Die verbleibenden Schulungskosten von 110.000 Euro werden von einer Fördergesellschaft zur Verfügung gestellt. Nach der Ausbildung starten die Zahlungen an die Fördergesellschaft ab einem jährlichen Brutto-Mindesteinkommen von 30.000 Euro. Über elf Jahre wird dann ein fester Prozentsatz des Bruttoeinkommens an Brain Capital fällig, der bei der Maximalförderung 11 Prozent beträgt. Auch hier gilt somit das Solidaritätsprinzip: Je besser Piloten verdienen, desto höher ist der Zahlungsbetrag – und umgekehrt. Spätestens nach 20 Jahren gibt es keine Verpflichtungen mehr. Der Zahlungsbetrag ist zudem nach oben gedeckelt.

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