Ohne See- und Binnenhäfen wird der Ein- und Umstieg auf Wasserstoff als künftiger Energieträger nicht gelingen. Importe gelangen zu den Seehäfen, die Orte für die Weiterleitung ins Binnenland und für die Produktion sind. Das rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Verkehrsministerium will die Wasserstoff-Infrastruktur im Land fördern. Im Bereich der Binnenschifffahrt sehen die Mainzer Potenziale, Wasserstoff als Schiffsantrieb zu nutzen, und auch die Häfen als Umschlagplätze für Wasserstoff, sogenannte „Hubs“, zu entwickeln. Jetzt liegen die Ergebnisse einer Studie vor, die sich mit der zukünftigen Rolle der Binnenhäfen als Drehscheiben der Wasserstoffwirtschaft beschäftigt. Eine wichtige Rolle kommt dabei auch dem Bendorfer Rheinhafen zu.
Mehr als 80 Prozent des zukünftigen Wasserstoffbedarfs von Rheinland-Pfalz müssen zukünftig importiert werden. Gerade in der Übergangszeit, bis ein vollständiges Wasserstoffnetz über Pipelines vorhanden ist, aber auch für Regionen ohne Anbindung an dieses sowie bei kleineren Mengen können die Binnenhäfen als Wasserstoff-Hubs wichtige Lieferanten für die Regionen sein, erläutert Wirtschafts- und Verkehrsministerin Daniela Schmitt (FDP) die Studienergebnisse auf Nachfrage unserer Zeitung.
Noch sind Binnenschiffe das Transportmittel der Wahl
Sobald größere Mengen benötigt werden, so die Studie, ist beim Wasserstofftransport die Pipelinestruktur – also der Transport per Wasserstoffleitung – wirtschaftlicher. Denn der Transport von Wasserstoff (H2) in Tankcontainern sei aktuell noch sehr kostenaufwendig. Allerdings sind auch neue Binnentankschiffe in der Entwicklung, die kalt verflüssigtes Ammoniak transportieren können. Damit könne künftig eine weitere leistungsfähige Transportalternative entstehen, so die Wirtschafts- und Verkehrsministerin.
Die Studie besagt: Bei Transportstrecken mit dem Binnenschiff bis zu circa 400 Kilometer stellt sich der Transport mit komprimiertem gasförmigem Wasserstoff in Tankcontainern als die wirtschaftlichste Variante heraus. Bei weiteren Strecken ist die Wahl von flüssigem Wasserstoff in Tankcontainern ökonomischer.
So lange noch keine umfassende Pipelinestruktur für Wasserstoff vorhanden ist, stelle der Binnenschiffstransport von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten eine geeignete und damit wichtige Transport- und Versorgungsalternative dar. Mithilfe solcher Derivate wie zum Beispiel Ammoniak oder Methanol kann molekularer Wasserstoff chemisch gebunden und dadurch leichter transportiert und gespeichert werden.
Konzept für den Bendorfer Hafen
In der Studie wurden exemplarisch die Binnenhäfen Bendorf, Trier und Speyer untersucht, die alle über Tanklager verfügen und perspektivisch als Wasserstoff-Hub infrage kommen könnten. Der Hafen Trier ist der einzige Moselhafen in Rheinland-Pfalz. Am Hafen Speyer werden laut Informationen des Ministeriums bereits von den Stadtwerken Speyer mit mehreren Chemieunternehmen verschiedene H2-Aktivitäten geplant.
Der Bendorfer Hafen hat bereits im Rahmen der HyLand-Initiative ein H2-Konzept entwickelt. Der Industriehafen soll laut Stadtverwaltung Bendorf zu einem zentralen Wasserstoffproduktions- und -umschlagplatz entwickelt werden. Geplant ist, Wasserstoff zur Dekarbonisierung der Verkehrs- und Wärmemärkte in Bendorf und Umgebung einzusetzen. „Dabei sollen idealerweise Synergien genutzt werden, die sich aus der örtlichen Nähe der elektrolytischen Produktionsanlagen am Hafen für die kommunale Wärmeplanung ergeben“, heißt es auf Anfrage unserer Zeitung. Das Unternehmen Mabanaft Deutschland GmbH & Co. KG, so die Stadtverwaltung, untersucht die Möglichkeiten einer dezentralen Wasserstoffproduktion für den Standort ihrer Tochterfirma Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG am Rheinhafen.
„Es gilt, unsere Häfen mit ihren Tanklagern als Wasserstoff-Hubs und Drehscheibe für die Regionen wasserstoff-ready weiterzuentwickeln.“
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP)
Zudem haben 45 regionale Akteure aus Privatwirtschaft, kommunaler Verwaltung, Verbänden und Politik einen Projektplan entwickelt und abgestimmt, wie Bendorf und die Region den Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft organisieren können. Dieses sogenannte HyStarter-Wasserstoffkonzept wurde als eines von 15 kommunalen Projekten bundesweit vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ausgewählt, beraten und gefördert.
Neben der Transformation des Hafengebiets und weiterer Gewerbestandorte zu einem Innovationshub für Wasserstofftechnologie wurden hier Überlegungen angestellt bezüglich grüner Wasserstoffproduktion und Speicherung im Hafen, der Wasserstoffvertriebslogistik mit dem Hafen als Umschlagplatz für Transport und Antrieb im Bereich Binnenschiffe, Nutzfahrzeuge sowie Güterverkehr.

Im Anschluss an das HyStarter-Projekt hat sich das „Energie- und Wasserstoffnetzwerk Mittelrhein.Eifel.Westerwald“ gegründet. Es besteht aus der Stadt Bendorf und 14 kommunalen und privatwirtschaftlichen Partnern. Unter anderem haben sich die Universität Koblenz, das Forschungsinstitut für Glas-Keramik GmbH in Höhr-Grenzhausen und die Stadt Bendorf zum Ziel gesetzt, eine gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsplattform in Bendorf zu errichten.
Zum jetzigen Stand sind einige Projektideen im Bereich Wasserstoffforschung und -entwicklung bereits skizziert, wie zum Beispiel die Entwicklung von Festoxidbrennstoffzellensystemen, die Verwertung von Kunststoffabfällen zur Erzeugung von Wasserstoff und grünen Kraftstoffen, das Brennen von Keramiken und Glaserzeugnissen mit Wasserstoff und die Untersuchung zum Korrosionsverhalten feuerfester Keramiken in H2-basierten Prozessen innerhalb der Stahlproduktion.
Da die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in den kommenden Jahren zurückgehen werde, so heißt es in Bendorf, könne die Umwandlung der Hafenanlage zu einem H2-Umschlagplatz eine zukunftsträchtige Perspektive bieten. Ein weiterer Kernbereich sei die Emissionsminderung der lokalen Industriestandorte durch Nutzung von grünem Wasserstoff sowie Wasserstoffproduktion. Neben den Überlegungen von Oiltanking zur Wasserstoffproduktion plane die Spedition Normann mit der Firma GP Joule unter dem Namen Hy.Bendorf eine Wasserstoffinfrastruktur mit H2-Tankstelle und Elektrolyse aufzubauen. Und auch die BDH-Klinik in Vallendar hat in ein H2-ready Blockheizkraftwerk für die Wärme- und Stromversorgung investiert und plant gemeinsam mit dem HyStarter-Partner iph Hähn eine eigene elektrolytische Wasserstoffproduktion.
Regional erzeugt?
Die von der Aachner Accenture Industry X im Auftrag des Ministeriums erstellte Studie hat am Beispiel Bendorf die steigende H2-Nachfrage prognostiziert. Bis zum Jahr 2040 steigt hier die Wasserstoff-Nachfrage von anfänglich 3700 tH2/a auf 25.000 tH2/a (tH2/a = Tonnen Wasserstoff pro Jahr).
Dabei sind die Glas- und Keramikindustrie mit ungefähr gleichem H2-Bedarf die größten Nachfrager, gefolgt vom Papiergewerbe. An allen drei betrachteten Hafenstandorten stehen geeignete Flächen zur H2-Erzeugung mittels Elektrolyse zur Verfügung. Bei der Auslegung der Elektrolysekapazität gehen die Verfasser der Studie davon aus, „dass etwa 20 Prozent der ermittelten H2-Bedarfe durch eine regionale H2-Erzeugung vor Ort bedient werden sollen“. Die Investitionen für die Gesamtanlage inklusive Speicher, Verrohrung und notwendiger Bauarbeiten belaufen sich – Stand heute – in Bendorf auf einen Betrag von 69,2 Millionen Euro.
„Klar ist aber auch, dass der Pipeline-Ausbau im Wasserstoffnetz ebenso vorangetrieben werden muss, denn Industrie und Wirtschaft sind auf eine gute Versorgung mit Energie angewiesen.“
Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt
Laut Studie bietet lokal erzeugter grüner Wasserstoff zahlreiche Chancen für die lokale Wirtschaft. Es gibt aber auch Risiken: Sollte der tatsächliche H2-Hochlauf beträchtlich vom prognostizierten abweichen, „kann die Anlagenauslastung – und somit die ermittelten Gestehungskosten – nicht gehalten werden. Um dieses Risiko einzudämmen, ist die frühzeitige Diskussion mit potenziellen H2-Abnehmern im Vorfeld der Anlageplanung besonders wichtig. Idealerweise lassen sich hier bereits langfristige Abnahmeverpflichtungen schließen oder zumindest gegenseitige Absichtserklärungen unterzeichnen.“
„Es gilt, unsere Häfen mit ihren Tanklagern als Wasserstoff-Hubs und Drehscheibe für die Regionen wasserstoff-ready weiterzuentwickeln“, zieht Ministerin Daniela Schmitt ein erstes Fazit. „Klar ist aber auch, dass der Pipeline-Ausbau im Wasserstoffnetz ebenso vorangetrieben werden muss, denn Industrie und Wirtschaft sind auf eine gute Versorgung mit Energie angewiesen – gerade auch, damit die Transformation der Wirtschaft gelingen kann. Hier appelliere eindringlich ich an den Bund, zügig voranzukommen.“
Grüner Wasserstoff für Bitburg
Einen ersten Förderbescheid im Wasserstoff-Wettbewerbsteil des Kommunalen Investitionsprogramms Klimaschutz und Innovation (Kipki) hat Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt an die Stadtwerke Trier für deren Projekt „Grüner Wasserstoff am Standort Bitburg“ überreicht. Das Land unterstützt das Vorhaben mit 2,6 Millionen Euro. Geplant ist der Aufbau einer 1-MW-Elektrolyseanlage, die mit regenerativer Energie grünen Wasserstoff erzeugt, der zu Biomethan umgewandelt und ins Gasnetz eingespeist wird. Die Technologie ermöglicht es, saisonale Energieüberschüsse zu speichern und in Zeiten höherer Nachfrage als Wärme und Strom bereitzustellen. Eine flexible Erweiterung für industrielle Anwendungen wie für Wasserstofftankstellen ist möglich. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 6 Millionen Euro. red